Freitag beginnt das Kapitel – Generaloberin Sr. Aloisia Höing zieht vorher Bilanz
Am Freitag, 2 Januar, beginnt das 17. Generalkapitel der deutschen Kongregation der Schwestern heiligen Maria Magdalena Postel. Die Teilnehmerinnen aus Bolivien, Brasilien und Mosambik sind mittlerweile eingetroffen. Es wird ein richtungsweisendes Kapitel. Denn nach 18 Jahren wählen die 30 Kapitularinnen am 8. Januar eine neue Generaloberin. Schwester Aloisia Höing steht nach drei Amtszeiten nicht mehr zur Verfügung. Das sieht das Kirchenrecht so vor.
In einem Interview blickt Schwester Aloisia Höing noch einmal auf ihre drei Amtszeiten seit 1996 zurück.
Wie sind Sie vor 18 Jahren Generaloberin geworden?
Sr. Aloisia Höing: Mein Leben war nie auf ein solches Amt ausgerichtet. Nach meiner Mitarbeit im Generalrat und der Amtszeit als Generalassistentin von 1990 bis 1996 bin ich sozusagen in diese Aufgaben hineingewachsen. Als Schwester Christa Maria Henninghaus 1996 nicht mehr als Generaloberin kandidierte, lag es nahe, dass ich infrage kam. Wir hatten gut zusammengearbeitet und ich hatte das Gefühl, das Vertrauen meiner Mitschwestern zu haben. Es gab also keinen Grund nein zu sagen.
Welche Aufgaben standen vor 18 Jahren als erste an?
Nachdem von 1990 bis 1996 vor allem die Neuordnung der Einrichtungen und Dienste in Deutschland mit eigenen Geschäftsführungen und der Erarbeitung der Leitlinien und Ziele für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vordergrund standen, ging es ab 1996 um die Neuordnung unserer Ordensprovinzen in Europa.
Damals gab es eine eichsfeldische und eine niederländische Provinz, und die Schwestern in Westdeutschland gehörten zum Generalat. Die Generaloberin war in Personalunion sozusagen auch die Provinzoberin der westdeutschen Provinz. Wobei der westdeutschen eine eigene Identität fehlte, denn sie war durch die Teilung Deutschlands zustande gekommen und hatte bis dahin nie eine Provinzleitung gehabt. In der DDR hingegen musste die Provinz aus politischen Gründen offiziell eigenständig sein. Das sollte sich 2003 ändern.
Wie lief der Prozess dieser Umstrukturierung ab?
Im Vorfeld hatten wir intensiv mit den Provinzleitungen zusammengearbeitet. Auch mit denen in Bolivien und Brasilien. Und wir haben unsere Schwestern in allen Ländern befragt. Das Ergebnis war die Zusammenlegung der beiden deutschen und der niederländischen Provinz zu einer Europäischen Provinz und die Rückverlegung des Generalates nach Heiligenstadt. In den Generalrat wurden Schwestern aus allen Provinzen gewählt. Das Noviziat für Europa wurde – ebenso wie der Sitz der Europäischen Provinz – in Bestwig angesiedelt.
Gleichzeitig intensivierte sich die Vernetzung der internationalen Arbeit…
Ja. 1998 hatten wir mit der Aussendung der Missionare auf Zeit begonnen. Ein Angebot, dass sich schnell bewährt hat. Wir geben jungen Menschen die Möglichkeit, andere Kulturen kennenzulernen, sich für andere Menschen einzusetzen und eine Lebensperspektive für sich selbst zu finden. Viele von ihnen setzen sich auch noch lange nach ihrer Rückkehr für die entsprechenden Länder ein.
Gleichzeitig machten damals vier junge Rumäninnen in Heiligenstadt die Ausbildung zur Sozialassistentin. Eine von ihnen war die heutige Schwester Carmen Tereza Rusu. Dadurch entstand die Idee, sich auch in Rumänien als Ordensgemeinschaft zu engagieren.
Und im Jahr 1998 nahm eine unserer brasilianischen Schwestern an einem missionarischen Projekt der brasilianischen Bischofskonferenz in Mosambik teil. Daraus ging das Engagement in Metarica hervor.
In Mosambik sind Sie gerade noch einmal gewesen. Dort haben sie von sechs Schwestern die erste zeitliche Profess entgegengenommen. Was bedeutet das für Sie?
Ich habe miterlebt, wie dort vor zehn Jahren die ersten jungen Frauen sagten, dass sie einmal Schwester werden wollen. Die jungen Frauen sind bei ihrem Wort geblieben. Das berührt mich sehr.
Und es ist erstaunlich zu sehen, wie sehr sich alle Schwestern dort mit dem Leben unserer Gründerin auseinandersetzen und sich mit ihrem Charisma identifizieren. In ihrer alltäglichen Arbeit versuchen sie möglichst viel davon umzusetzen und auf ihre Lebensverhältnisse zu übertragen. Die Begeisterung ist so groß wie bei einer neuen Gründung. Das gilt auch für die wachsende Placida-Gemeinschaft, die die Schwestern unterstützt. Die Konkretisierung von Barmherzigkeit ist überall spürbar.
Ich bin dankbar, dass ich das vor dem Kapitel noch einmal so intensiv erleben durfte. Deshalb war es auch eine gute Vorbereitung auf die bevorstehenden Tage.
Wenn Sie die Entwicklung der internationalen Aufgaben betrachten: Was waren die wichtigsten Meilensteine in den vergangenen zwei Jahrzehnten?
In meiner zweiten Amtszeit stand die Internationalität unserer Ordensgemeinschaft im Mittelpunkt. Provinzübergreifend arbeiteten wir am Basisdokument zur Spiritualität der Gemeinschaft. Ebenfalls Provinz-übergreifend verfassten wir einen Rahmenplan für die Aus- und Weiterbildung der Schwestern, den jede Provinz für ihr Land und ihre Kultur konkretisieren konnte. Und wir intensivierten den personellen Austausch zwischen den Provinzen.
Entsprechend haben wir das Missionsverständnis neu formuliert. Wir wollten die internationalen Aufgaben nicht mehr einseitig von Deutschland aus verstehen. Überhaupt sollten Dokumente nicht deutsch gedacht und dann übersetzt, sondern gemeinsam entwickelt werden.
Gleichzeitig haben wir 2007 die Bergkloster Stiftung SMMP gegründet. Das gesamte Spendenwesen und das inzwischen weit entwickelte Fundraising wurden unter dem Dach der Stiftung zusammengeführt. Auch die Aufgaben der Missionsprokur haben wir durch die Gründung einer Missionszentrale in Bestwig neu definiert.
Wie wichtig war in dieser Phase das Jubiläumsjahr 2007?
Die Vorbereitungen auf das Jubiläumsjahr waren ebenfalls durch den internationalen Austausch geprägt – vor allem auch mit der französischen Kongregation der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel. 1920 musste sich die deutsche Gemeinschaft aus politischen Gründen von der französischen trennen. Nach dem zweiten Weltkrieg begannen langsam wieder Annäherungsversuche, seit 1972 gab es Pilgerfahrten deutscher Schwestern an die Gründungsorte in der Normandie.
Jetzt intensivierten sich die Kontakte – zum Beispiel durch gemeinsame Treffen der Generalräte in beiden Ländern und die Gründung von Gebetspartnerschaften zwischen Schwestern beider Kongregationen. Das lebt bis heute fort. In dieser Phase wurden auch die Grundsteine gelegt für den Internationalen Konvent mit Schwestern beider Kongregationen in der Abtei Saint-Sauveur-le-Vicomte und den interkongregationalen Konvent im Maison de la Paix in Sainte-Mère-Église.
Zudem waren die Veranstaltungen des Jubiläumsjahres in Deutschland wichtig für das Miteinander von Schwestern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Einrichtungen und Dienste. Unter dem Thema: „Auf dem Wege der Barmherzigkeit – damit Leben gelingt!“ haben wir zusammen viel auf die Beine gestellt. Das hat uns Mut gemacht für die Zukunft.
Welche Rolle spielen die Einrichtungen und Dienste für die Gemeinschaft heute?
Sie sind ein guter Ort, das zu leben, was unserer Gemeinschaft wichtig ist. Wir haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich für unser Charisma öffnen. Ich staune immer wieder, wie es ihnen gelingt, das umzusetzen, was unserer Zielsetzung entspricht: etwa in der Begleitung Sterbender oder in der Unterstützung Jugendlicher mit Handicaps. Unseren Leitsatz „Damit Leben gelingt“ finde ich in diesen Einrichtungen wieder. Das gilt für unsere Einrichtungen in Deutschland genauso wie für die in Bolivien, Brasilien, Rumänien und Mosambik.
Deshalb ging es in den vergangenen Jahren auch darum, den Status der Einrichtungen und Dienste zu sichern. Es gab unzählige Leitungsrunden, in denen wir einschneidende Entscheidungen getroffen haben: etwa zu der Einführung von Fördergeldern an unseren Schulen. Für die Servicedienste wurde eine eigene GmbH gegründet. Und die Struktur der Rechtsträger – vor allem im Schulbereich – musste aktuellen Anforderungen angepasst werden.
Der finanzielle Druck auf die Einrichtungen wächst. Gleichzeitig ist es schwieriger, christlich geprägte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden…
Für die Umsetzung christlicher Werte ist nicht unbedingt der Taufschein entscheidend, sondern eine entsprechende Grundhaltung: Wie gehen wir miteinander um? Was sind wir bereit zu tolerieren und zu lernen? Wie gewaltfrei ist unsere Sprache? Ich erkenne nicht, dass das Interesse an diesen Idealen abnimmt. Im Gegenteil: Die Anmeldungen an unseren Schulen zeigen, wie gefragt diese Werte sind. Auch das gilt für Deutschland genauso wie für Brasilien, Bolivien oder Mosambik.
Ich weiß, dass das Spannungsfeld angesichts poltischer und finanzieller Rahmenbedingungen größer wird. Dennoch gibt es weiterhin viele Menschen, denen christliche Werte wichtig sind. Und besteht nicht gerade darin unsere Aufgabe als Ordensgemeinschaft, für diese Menschen da zu sein?
Inwiefern hat sich auch die Gemeinschaft in den vergangenen Jahren erneuert?
Während meiner letzten Amtszeit stand vor allem die Neufassung unserer Lebensordnung an. Die wurde notwendig, da die Personalunion von Generalat und Provinz aufgehoben war und andere Zuordnungen verschriftlicht werden mussten. Gleichzeitig spürten wir, dass die vorherige Lebensordnung der Lebenswirklichkeit in den Ländern sowie aktuellen ordenstheologischen Ansätzen nicht mehr entsprach. Dafür haben wir eine internationale Arbeitsgruppe eingesetzt. Jetzt haben wir die Lebensordnung in fünf Sprachen gedruckt. Zum Beginn des Generalkapitels werden wir sie sie an die Kapitularinnen, den Provinzoberinnen und Verantwortlichen aus den verschiedenen Ländern aushändigen.
Wenn Sie zurückblicken. Was waren für Sie die beeindruckendsten, emotionalsten Momente in den vergangenen 18 Jahren?
Dazu gehören sicher viele Begegnungen im Jubiläumsjahr. Als Schwestern haben wir gespürt, wie die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Einrichtungen und Dienste gemeinsam mit uns auf dem Weg sind. Das hat uns Mut gemacht.
Auch die Feier des 200-jährigen Bestehens unserer Gemeinschaft in der Normandie am 8. September 2007 mit Schwestern aller Ordensprovinzen war ein ganz besonderes Erlebnis.
Und zurzeit beeindruckt mich die Entwicklung in Mosambik. Dort gibt es inzwischen elf einheimische Schwestern, die an drei Standorten tätig sind. Dieses Engagement wird sich in den nächsten Jahren noch erweitern.
Auch in Brasilien befindet sich die Berufungspastoral im Aufbruch. Die Resonanz auf die dortigen Treffen für junge Menschen, die auf der Suche sind, ist überwältigend. Und in Deutschland sind während der vergangenen Jahre ebenfalls wieder Frauen in die Gemeinschaft eingetreten. Das macht Hoffnung.
Unsere Existenzberechtigung liegt in der Berufung jeder Einzelnen. Solange es Frauen gibt, die sich in unserer Gemeinschaft an Gott binden, die spüren, dass das ihr Weg ist und sich mit uns entsprechend unserem Charisma für die Menschen einsetzen – solange ist es gut und richtig, dass es uns als Ordensgemeinschaft gibt.
Welche Voraussetzungen muss ihre Nachfolgerin mitbringen? Und vor welchen Aufgaben wird sie vor allem stehen?
Die weitere internationale Vernetzung unserer Arbeit wird in den nächsten Jahren sicher eine wichtige Aufgabe sein. Folglich sollte die neue Generaloberin Sinn für Andersartigkeit haben, kontaktfreudig sein, das Reisen nicht scheuen und Freude daran haben, immer wieder neu aufzubrechen und andere in diesen Prozessen zu begleiten. Ich möchte mit Freude erleben, wie sich die neue Generalleitung entfaltet.
Wir danken für das Gespräch.