Generalkapitel in Heiligenstadt passt Lebensordnung neuen Entwicklungen an
30 Schwestern aus Bolivien, Brasilien, Rumänien, Mosambik, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland tagen im Rahmen eines außerordentlichen Generalkapitels bis zum 9. Januar im Bergkloster Heiligenstadt. Im Blickpunkt steht die Verabschiedung einer überarbeiteten Lebensordnung. „Nach über 30 Jahren wurde es Zeit, sie den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, den kirchlichen Entwicklungen und unserer internationalen Vernetzung anzupassen“, sagt Generaloberin Schwester Aloisia Höing.
Die Gemeinschaft hat die Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte mitgemacht. „So wie in jeder Familie, so hat sich auch unser Zusammenleben verändert“, erklärt Schwester Aloisia. Dies müsse sich in der neu gefassten Lebensordnung widerspiegeln.
Fünf Jahre Vorarbeit in allen Provinzen
Schon seit fünf Jahren hat eine internationale Schwesterngruppe in drei Sprachen daran gearbeitet. Die Zwischenergebnisse wurden den Provinzen mitgeteilt und dort in eigenen Regionalgruppen diskutiert. Anmerkungen, die sich aus den Diskussionen in den Gruppen ergaben, wurden zurückgemeldet. „Somit steht der Prozess auf breiten Füßen. Denn das war unsere Absicht: Dass sich alle Schwestern in allen Kulturen darin wiederfinden“, sagt die Generaloberin. Dabei verhehlt sie nicht, dass dieser Prozess für alle Beteiligten ein Lernprozess war.
Vor 30 Jahren war das nicht so. Da wurde die in Deutschland vom Generalkapitel verfasste Lebensordnung in den Provinzen übersetzt. „Heute aber stehen jede Ordensprovinz und jede Schwester mit in der Verantwortung.“
Gehorsam wird heute anders definiert
So werde auch der Gehorsam, eines der Gelübde, das die Schwestern mit ihrer Profess ablegen, heute ganz anders definiert: „Gesellschaftlich wird darunter die Unterordnung und Abhängigkeit gegenüber einer Obrigkeit verstanden. Wir verstehen darunter, die Leitung der Gemeinschaft anzuerkennen, verantwortlich mit ihr zusammenzuarbeiten und in einem dialogischen Prozess Entscheidungen zu finden.“
Die Gemeinschaft wird kleiner, also wächst die Verantwortung der einzelnen Schwestern. „So gibt es inzwischen viele kleine Konvente, in denen sich das Zusammenleben anders gestaltet als früher“, nennt Schwester Aloisia ein Beispiel. Früher hätten die Ordensfrauen, die in einem Haus wohnten, meist unter demselben Dach – ob Krankenhaus, Schule oder Seniorenheim – gearbeitet. „Heute gehen die Schwestern unterschiedlichen Berufen mit unterschiedlichen Arbeitszeiten nach. Dadurch benötigen wir als Gemeinschaft mehr Flexibilität in der Organisation unseres Tagesablaufes.“
Früher nach der Komplet ins Bett
Die internationale Vernetzung der Gemeinschaft und der Umgang mit den neuen Medien verlangen ebenfalls ein Umdenken. „Früher galt die Regel, dass das Licht eine halbe Stunde nach der Komplet ausgeschaltet werden muss. Es war die Zeit des Schweigens und wir waren dann auch nicht mehr erreichbar“, erinnert sich Schwester Aloisia.
Das sei heute nicht mehr einzuhalten: „Inzwischen kommunizieren wir über Facebook und Skype mit Brasilien und Bolivien, mit Rumänien und Mosambik. Und das wegen der Zeitverschiebungen auch schon mal am späten Abend.“ Also sehe die neue Lebensordnung von strikten Zeitbeschränkungen ab. Wohl aber appelliert sie an den verantwortungsbewussten und begrenzen Umgang mit Social Media im Sinne des religiösen Lebens.
262 Punkte regeln das Leben der Schwestern
All diesen Entwicklungen will die neue Lebensordnung mit ihren 262 Punkten Rechnung tragen. Wenn die 30 Kapitularinnen das Dokument am kommenden Mittwoch verabschieden, muss es noch vom Vatikan genehmigt werden. „Erst dann tritt es in Kraft und wir haben damit einen neuen gemeinsamen Nenner definiert, der uns für die nächsten Jahrzehnte Orientierung gibt“, fasst Schwester Aloisia zusammen.
Und sie fügt hinzu: „Die Provinzen können aufbauend auf dieser Ordnung eigene Weisungen ergänzen, die dem jeweiligen Land Rechnung tragen. Oder sie können die Berufungspastoral auf dieser Basis weiterentwickeln: welche Möglichkeiten Kandidatinnen und Postulantinnen eingeräumt werden, das Ordensleben kennenzulernen. Auch in der Europäischen Provinz gibt es dafür schon Ideen. In Bestwig ist mit dem Kloster auf Zeit im Haus Horeb bereits ein Anfang gemacht.