Spiritueller Impuls von Sr. Lucia Maria Schiefner zum Placidajahr
In sieben Jahren waren wir zu Fuß von Heiligenstadt im Eichsfeld bis Saint-Sauveur-le-Vicomte in der Normandie unterwegs. Es war ein Pilgerweg, der Spuren hinterlassen hat.
Placida Viel war als „Pilgerin auf endlosen Straßen“ viele Jahre zu Fuß oder mit der Postkutsche unterwegs, um Gelder für den Aufbau der Abtei zu sammeln. Ihr Weg führte sie unter anderem nach Heiligenstadt, um mit vier Lehrerinnen, die sich der Gemeinschaft anschließen wollten, die erste Niederlassung in Deutschland zu gründen.
Diesen Weg lief in den letzten Jahren eine Gruppe in die andere Richtung, zurück nach Saint-Sauveur-le-Vicomte. Am Ende des Weges wurde ihnen allen bewusst: Das Endziel war wichtig. Doch das, was den Weg letztlich ausmacht, das ereignete sich unterwegs. Die Erfahrungen, die sie machen durften wirken in den Alltag hinein. Das Pilgersein wird so Stück für Stück zu einer prägenden Lebenshaltung. Einige der zusammengetragenen Erfahrungen könnte man so in Worte fassen:
Die Pilgerin/ der Pilger
- ist „Unterwegs im Vertrauen“.
- hat ein großes Ziel vor Augen und viele kleine Ziele.
- muss Menschen und Dinge loslassen können.
- geht Schritt für Schritt.
- erlebt viele Überraschungen und steht jeden Tag vor neuen Herausforderungen.
- trägt viele Anliegen mit und geht auch stellvertretend für andere.
- betet mit den Füßen und mit dem Herzen.
- wird vom Gebet anderer getragen.
- lernt die Gemeinschaft schätzen und auch die Stille.
- nimmt die Dinge und Menschen intensiver wahr.
- begegnet den eigenen Grenzen und wird barmherziger mit den Grenzen anderer.
- wird zu Geduld, Ausdauer und Gelassenheit herausgefordert.
- muss sich überwinden, Schmerzen ertragen und Kräfte einteilen.
- entdeckt neue Seiten an sich und anderen und wächst über sich selbst hinaus.
- lernt das Wenige schätzen und das Reichhaltige um so mehr.
- ist auf Hilfe angewiesen, lernt darum zu bitten und sie anzunehmen.
- erlebt viele positive Begegnungen, Herzlichkeit, Offenheit und Hilfsbereitschaft.
- kann Botschafter, Friedensstifter und Brückenbauer sein.
- wird im Glauben gestärkt und ermutigt andere zu glauben.
- lernt vertrauen, dass Gott mitgeht, dass er geführt wird und den Weg findet.
- fällt auf, weckt Erstaunen und Anerkennung.
- wird nicht von allen verstanden und kann seine Erfahrungen nicht mit jedem teilen
- genießt das Leben in und mit der Natur.
- entdeckt, was wirklich wichtig und kostbar ist.
- wird dankbar.
- verändert sich mit dem Weg und kommt am Ziel anders an, als er/sie aufgebrochen ist.
Stichwort Placida-Jahr:
Die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel gedenken von September 2015 bis September 2016 der Gründerin ihrer deutschen Kongregation, Schwester Placida Viel. Schwester Placida war die zweite Generaloberin der französischen Gemeinschaft und kleidete 1862 vier Lehrerinnen in Heiligenstadt ein. Seit 1920 ist der daraus entstandene deutsche Ordenszweig eigenständig. Schwester Placida wurde als Victoria Viel am 26. September 1815 – also vor 200 Jahren – geboren.