Spiritueller Impuls zum Gedenktag der seligen Placida Viel
Zeugen gesucht! So lese ich öfter im Nachrichtendienst von „Antenne Münster“. Sei es ein Unfall mit Fahrerflucht, ein Einbruch oder gar eine Körperverletzung: Zeuginnen oder Zeugen spielen eine wichtige Rolle bei der Suche nach Tatverdächtigen.
„Zeugen gesucht“, geht es mir in ganz anderem Zusammenhang durch den Sinn. Angesichts aktueller Diskussionen in unserer Gesellschaft oder von Nachrichten über Krisen und Kriege frage ich mich: Braucht es nicht Zeuginnen und Zeugen des Guten, entgegen Gewalt, Ausgrenzung, Respektlosigkeit oder Zerstörung der Mitwelt? Menschen, die Werte wie Nächstenliebe, Achtung der Menschenwürde, Respekt vor dem Leben und Sorge um die Schöpfung bezeugen. Die sich mit ihren Möglichkeiten und Talenten als Nächste erweisen und Solidarität in Handeln übersetzen. Die uns ermutigen, dass es „auch anders geht“. Es gibt diese Zeuginnen und Zeugen zu allen Zeiten und auch mitten unter uns.
Eine von ihnen ist die selige Placida Viel. Nach dem Tod Maria Magdalena Postels im Jahr 1846 wurde ihr die Leitung der noch jungen Ordensgemeinschaft anvertraut. Deren Mutterhaus war eine ehemalige Benediktinerabtei in Saint-Sauveur-le-Vicomte in der Normandie, in Frankreich. Mit eigenen Händen hatten die ersten Schwestern diese Abtei aus Ruinen wiederaufgebaut.
Placida Viel wurde zur Brückenbauerin von Frankreich aus gen Deutschland. Auf beschwerlichen Wegen kam sie 1862 nach Heilbad Heiligenstadt in Thüringen. Dort nahm sie vier Lehrerinnen in die Gemeinschaft auf. Es war der Beginn des deutschen Zweigs der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel.
Im Deutsch-Französischen Krieg, 1870/1871, ließ sich Placida Viel nicht von wechselseitigen Feindbildern anstecken. Als eine Zeugin des Guten stellte sie sich Hass und Gleichgültigkeit entgegen. Mit ihren Schwestern sorgte sie für verwundete französische wie deutsche Soldaten auf beiden Seiten der Front. Die Abtei selbst wurde zum Lazarett. Überliefert ist, dass ohne jegliche staatliche Unterstützung Tausende Soldaten gepflegt wurden. Wieder genesen, bekamen diese sogar noch ein paar Francs mit auf den Weg. „Geben wir freudig“, war Schwester Placidas Motto. Es war getragen von der tiefen Gewissheit, dass Gottes Sorge es nicht am Nötigsten fehlen lasse. „Gott sorgt“ war für sie keine Floskel. Es war ihre auf vielen, oft mühevollen Wegen erprobte und verdichtete Glaubens- und Gotteserfahrung.
Placida Viel bereitete dem Frieden auf ihre Weise Wege. Sie tat dies durch ihre Herzensgüte, gepaart mit Klarheit und Weitsicht. Ihr Augenmerk galt Kindern wie Erwachsenen, die Not litten. Wenn Hilfe gegeben werden konnte, durfte sie nicht verweigert werden. Mutter Placida, wie sie genannt wurde, starb am 4. März 1877 mit 62 Jahren. Auf die Nachricht von ihrem Tod hin hieß es: „Die Heilige ist tot, die Mutter der Kinder, der Armen und Kranken.“ Die selige Placida Viel spornt an, auch heute Zeuginnen und Zeugen für eine Welt nach Gottes Herzen zu sein. Denn, wie es im Lied heißt: „Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken, und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde, dass Frieden werde unter uns“.
Schwester Klara Maria Breuer