„Sie müssen nicht so eine große Geschichte machen“, sagt die 87-jährige Schwester Maria Ludwigis Bilo, „Wir sind einfache Leute.“ Mit neun Mitschwestern feierte Sie heute ihr 65. Ordensjubiläum. „Sicher war es Ihnen nicht an allen Tagen, auf die Sie nun zurückblicken, zum Jubilieren“, sagte Generalassistentin Schwester Adelgundis Pastusiak in ihrer Dankesrede für die 38 Jubliarinnen. „Und doch werden Sie, wenn Sie nun zurückblicken auf 65, 60, 50 und 25 Jahre, für alle Tage dankbar sein, die Sie Gott nachfolgen durften, weil Sie immer neu seinen Ruf gehört haben und auch seine Zusage: Ich bin bei euch bis zum Ende der Welt“.
Insgesamt 40 Schwestern feierten in diesem Jahr ihr Ordensjubiläum, wobei zwei es vorgezogen hatten, wie Schwester Adelgundis es ausdrückte, ihr 60. Jubiläum im Himmel zu feiern. Den Festgottesdienst zelebrierte Pater Jonas Wiemann mit Probst Robert Wittke aus Xanten, Pater Egon Wagner aus Nassau, Pater Dan Anzorge aus Pfalzdorf und Pfarrer Ludger Berger aus Herten.
In seiner Predigt ging Pater Jonas auf das Wasser des Lebens ein, das Jesus beim Gespräch am Jakobsbrunnen im Johannesevangelium den Menschen verspricht. Im Laufe ihres Ordenslebens war Christus für die Schwestern immer wieder das Wasser des Lebens und immer wieder seien sie zu ihm zurückgekehrt. „Ich bin in Gottes Herzen gegenwärtig. Er ist immer in mir und ich bin immer in Ihm. Nur deshalb kann ich meinen Weg weitergehen.“
Es ist nicht ganz einfach
Der Weg von Schwester Maria Ludwigis führte sie nach Südamerika. Als sie vor 65 Jahren in die Gemeinschaft eintrat, wollte sie Menschen helfen, wusste aber noch nicht so genau wie oder wo. „Ein Mann“, sagt sie, „war mir nicht genug.“ 1958 schickte die Ordensgemeinschaft sie nach Brasilien, aber nicht, ohne vorher ihre Eltern um Erlaubnis gebeten zu haben.
In Deutschland hatte sie schon ein bisschen Portugiesisch gelernt, aber das, sagt sie, war in Brasilien nicht viel wert. Einer deutschen Siedlung mitten im Urwald brachte sie mit 13 Mitschwestern und finanzieller Unterstützung aus Deutschland befestigte Straßen und elektrischen Strom, wofür erst ein Fluss gestaut und ein Kraftwerk gebaut werden musste.
1967 kam sie in den Konvent nach Leme. Dort wollte die Konventsleiterin Schwester Eduarda einen größeren zur Gemeinde haben, wofür sie eine Kinderkrippe gründete. Ludwigis wurde die Leiterin und blieb es 43 Jahre lang. In dieser Zeit wuchs Leme von 32 000 auf 100 000 Einwohner und die Kinderkrippe von 80 auf über 250 Kinder.
Vor zwei Jahren gab Schwester Maria Ludwigis die Leitung der Einrichtung in jüngere Hände, blieb aber ihrer brasilianischen Heimat und den Menschen in Leme treu. Die kommen zu ihr, wenn sie Probleme haben. Und die Probleme sind reichlich. Arbeitslose Landarbeiter, Familien mit mehr Kindern als sie ernähren können, Alkoholkranke – sie alle gehen mit ihren Nöten ‚zur Schwester‘.
„Es ist nicht ganz einfach“, sagt Schwester Maria Ludwigis, „aber es muss ja auch einer machen.“ Sie hilft mit einem Nähkurs für Frauen und eine Capoeira-Kurs für Jugendliche, hin und wieder auch mit Lebensmitteln. Von Ruhestand will sie nichts wissen: „Der Herrgott weiß, wie lange es noch geht.“
Der Mensch gehört dahin, wo seine Sensibilität liegt
Schwester Maria Dolores Bilo, elf Jahre jünger, hat geweint als ihre Schwester der Ordensgemeinschaft beitrat. Sie sah diesen Schritt damals als Verrat an. Später hat sie sie oft beneidet: „Die hat immer viel erlebt und war nah bei den Menschen.“ Sie selbst wollte Krankenschwester im Kongo werden. Aber wegen einer falsch behandelten Diphterie im Alter von fünf Jahren ist sie rechtsseitig gelähmt und Krankenschwestern müssen nun mal mit beiden Händen zupacken können.
„Ich habe lange mit Gott gehadert“, sagt sie, „und es hat lange gedauert bis ich begriff: Du musst wollen, was Du kannst, nicht anders herum.“ Als sie schließlich selbst in die Ordensgemeinschaft eintrat, tat sie das nicht, weil sie als behinderte Frau sonst keine Arbeit gefunden hätte. Sie hatte die Höhere Handelsschule besucht und war Verwaltungsangestellte im Krankenhaus von Bad Ems geworden. „Ich hatte eine feste Stelle und war nicht arm dran.“ Aber sie wollte sich sozial einsetzen. Mit 25 Jahren folgte sie ihrer Schwester in ein neues Leben. „Der Mensch gehört dahin, wo seine Sensibilität liegt“, sagt sie heute.
Neben ihrer Arbeit als Verwaltungsleiterin verschiedener Ordenseinrichtungen studierte sie Betriebswirtschaft. Sie wurde 1988 Generalökonomin und leitete 19 Jahre lang als Geschäftsführerin die Einrichtungen und Dienste der Ordensgemeinschaft. „Für mich war Arbeit Gebet und Gebet Arbeit“, sagt sie und daran hat sich nichts geändert: „Eine Mittagspause von zwölf bis drei nervt mich heute noch.“
50 Jahre Ordensleben, 40 Jahre Leitungsverantwortung
„Die Möglichkeiten und das Vertrauen, das mir geschenkt wurde, sind etwas, was ich bei meinem Eintritt nie erahnt hätte“, sagt Schwester Aloisia Höing, die nicht nur auf 50 Jahre Ordensleben zurückblickt, sondern auch ihren 70. Geburtstag feiert.
Sie war 20 Jahre alt, als sie in die Ordensgemeinschaft eintrat und das Zweite Vatikanische Konzil begann. „Das war eine tolle Zeit“, sagt sie und erinnert sich daran, dass die Tischlesung bei den Mahlzeiten in der Zeit oft aus Beratungsunterlagen des Konzils bestand. Vor allem die Konzilsdokumente zum Ordensleben wurden intensiv studiert. Die Aufforderung des Konzils, zurück zu den Wurzeln des Glaubens zu gehen, sagt Schwester Aloisia, habe auch das Ordensleben und das Verständnis der Gelübde reformiert. So bedeutete Gehorsam nicht einfach Gefolgschaft, sondern einzeln und gemeinsam auf die Stimme Gottes zu hören und ihr zu folgen – immer wieder von Neuem.
Die Jubilarinnen
65 Jahre Ordensleben
Ir. Maria Antônia Padoan
Sr. Maria Barbara Schneiders
Sr. Heriberta Fier
Sr. Liboria König
Sr. Maria Ludwigis Bilo
Sr. Maria Antonia Gehring
Sr. Rita Maria Laudwein
Sr. Huberta Winking
Ir. Rita da Silva
Zr. Imelda Adema
60 Jahre Ordensleben
Zr. Antonia van de Wijnboom
Sr. Maria Fortunata Ruhnke
Sr. Eberharda Laukamp
Sr. Valeria Vennebörger
Sr. Adelhelma Holtkamp
Sr. Bertilla Jerina
Sr. Hedwig Klein
Hna. Juana de la Cruz Severiche Vidal
50 Jahre Ordensleben
Sr. Aloisia Höing
Sr. Maria Dolores Bilo
Sr. Maria Hildegard Schültingkemper
Sr. Magdalena Maria Holtkamp
Sr. Walburga Maria Thomes
Sr. Monika Mensing
Sr. Irmgardis Vitz
Sr. Ludgera vom Kreuz Lürick
Sr. Engeltraud Leister
Sr. Maria Theresa Leister
Sr. Alwine Hermine Langela
Sr. Bernadette Korte
Sr. Alwine Lanvermann
Sr. Maria Cäcilia Wiebringhaus
25 Jahre Ordensleben
Ir. Fátima Sehnem
Sr. Martha Erdtmann
Sr. Katharina Conradi
Sr. Maria Manuela Gockel
Sr. Maria Elisabeth Goldmann
Die Reformen des Konzils brachten für die Schwestern auch mehr Heimaturlaub mit sich – und Schriftgespräche. Als Schwester Aloisia mit 28 Jahren Noviziatsleiterin wurde, war das gemeinsame Lesen der Bibel und der Austausch über das, was man vom Evangelium verstanden hat, noch so neu, dass die Idee nicht bei allen Mitschwestern Begeisterung auslöste. „Manche Schwestern meinten, sie hätten das nicht gelernt und könnten das nicht“, erinnert sich Schwester Aloisia. „Ich habe dann gesagt: Den verlängerten Heimaturlaub haben wir doch auch ganz schnell gelernt, dann geht das Bibellesen jetzt auch.“
Auf die Frage, ob sie jemals andere Schwestern beneidet hat, meint sie: „Manchmal die Schwestern, die in Küche und Wäscherei arbeiteten, weil sie täglich zufrieden auf fertige Arbeit schauen konnten.“ In den mehr als vierzig Jahren, in denen sie als Noviziatsleiterin, Generalassistentin und Generaloberin Leitungsverantwortung trug, war die Arbeit nie getan.
Durch veränderte Arbeitsprozesse habe sich für die apostolisch tätigen Gemeinschaften in den vergangenen Jahrzehnten viel verändert, so Schwester Aloisia. Nicht nur zum Positiven. „Die Schwestern arbeiten zum Teil im Schichtdienst und immer weniger zusammen mit anderen Schwestern.“ Auch der wirtschaftliche Druck habe enorm zugenommen. „Die Frage ist immer, wie wir unseren Gemeinschaftsgeist immer wieder neu beleben“, sagt Schwester Aloisia. „Die Erfahrung, dass eine Gemeinschaft ein Ort der Lebenserfüllung sein kann, müssen wir auch anderen Menschen möglich machen. Wir müssen dafür sorgen, dass Menschen, die zu uns kommen, ihren Weg finden.“ Und das bedeute nicht zwangsläufig den Weg des Ordenslebens, sondern die Entdeckung ihrer eigenen Berufung.
Im Umgang mit Menschen, bekennt die Diplom-Sozialpädagogin, komme sie immer wieder an Grenzen des Verstehens. „Das Wort Jesu ‚Ich bin bei Euch alle Tage‘ hat mich irgendwann einmal sehr berührt“, sagt Schwester Aloisia. „Ich muss nicht jedem Menschen auf den Grund der Seele sehen und ihn beurteilen. Ich tue, was ich kann, in der Gewissheit, dass Gott mich und jeden anderen Menschen kennt und trägt. So sind wir alle viel enger miteinander verbunden, als es im Alltag erscheint.“