Unbeirrbar auf der Seite der Schwachen
Maria Magdalena legte einen langen Weg zurück, ehe sie mit großem Gottvertrauen ans Ziel kam
Die heilige Maria Magdalena Postel gehört nicht zu den bekanntesten Heiligen – wie etwa Franz von Assisi oder Katharina von Siena. Aber vermutlich würde ein solches Ansehen zu der Seilerstochter, die am 28. November 1756 in einem unscheinbaren Küstenstädtchen der Normandie geboren wurde, auch nicht passen: Sie arbeitete im Verborgenen – und das mit großem Gottvertrauen. Wesentliche Tugenden waren für sie Einfachheit, Sanftmut, Nächstenliebe und Demut.
Julie Postel erfährt als junges Mädchen eine gediegene Ausbildung bei den Benediktinerinnen von Valognes. In dieser Zeit wird ihr klar, dass sie ihr eigener Weg nicht über diese Gemeinschaft führen würde. Ihr schwebt das Ideal einer Gemeinschaft vor, deren Schwestern von der Arbeit ihrer Hände leben wollen.
Nach ihrer Rückkehr nach Barfleur gründet sie deshalb ein Internat für Mädchen aus armen Familien. Den Unterricht gestaltet sie nach dem Vorbild des französischen Reformpädagogen Jean Baptiste de La Salle, der großes Vertrauen in die Einsicht der Kinder hatte und auf den Rohrstock verzichtete.
Als das Volk 1789 aufbegehrt und in der Französischen Revolution mit der Parole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ die Bastille in Paris erstürmt, wird auch die Kirche ein Opfer des Umsturzes: Klöster und Kirchengemeinden werden aufgehoben, kirchlicher Besitz konfisziert. Allein 1792 fallen den Morden in Pariser Gefängnissen 300 Priester zum Opfer.
In dieser Zeit gewährt Julie Postel Geistlichen Unterschlupf in ihrem Haus. Sie verhilft ihnen mit Fischerbooten zur Flucht nach England und bewahrt das Allerheiligste in einem Verschlag unter ihrer Treppe auf, um Kranken die hl. Kommunion zu bringen. Außerdem unterrichtet sie Kinder und bereitet sie auf die Erstkommunion vor.
In ihrem 51. Lebensjahr sieht sie schließlich die Stunde gekommen, zusammen mit drei weiteren Frauen eine eigene Gemeinschaft zu gründen: die „Armen Töchter der Barmherzigkeit“.
1804, drei Jahre zuvor, hatte ihr ein sterbendes Kind bereits prophezeit, dass ihre Genossenschaft, trotz geringer Beachtung in der Anfangszeit, bei ihrem Tod die stärkste in der Diözese Coutances sein würde.
Immer wieder Rückschläge
Auf der Suche nach einer Bleibe und der Möglichkeit zu unterrichten, erfährt die Gruppe immer wieder Rückschläge: Priester und Ortsbehörden sind sich oft einig in der Ablehnung ihrer Pädagogik, wohl auch, weil sie Konkurrenz in der Begleitung und Ausbildung junger Menschen befürchten. Zudem sterben mehrere Ordensfrau-en auf der jahrzehntelangen Wanderschaft – neue Postulantinnen sind nur schwer zu gewinnen. Oft genug wird Maria Magdalena geraten, den Weg aufzugeben. Aber Resignation ist ihr fremd. Davon zeugt auch ihr überlieferter Satz: „Ich würde bis an die Grenzen der Erde gehen, um einen Menschen für Christus zu gewinnen.“
1832 schließlich erwirbt sie, inzwischen 76-jährig, die Ruine der ehemaligen Benediktinerabtei St. Sauveur-le-Vicomte. Wie urchristliche Gemeinschaften machen sich die Frauen daran, aus den Grundmauern heraus ihr eigenes Gebetshaus zu errichten. Maria Magdalena fasst selbst noch mit an. Auch die Wohnhäuser werden wieder aufgebaut und die Gärten urbar gemacht. Dabei lässt sich die Oberin von weiteren Rückschlägen nicht beirren. Als der wieder hergestellte Glockenturm 1842 in einer stürmischen Nacht einstürzt, beginnt die Gemeinschaft mit festem Gottvertrauen den Wiederaufbau.
Bis an eigene Grenzen gegangen
Als Maria Magdalena am 16. Juli 1846 stirbt, zählt die Gemeinschaft schon 37 Niederlassungen, 150 Schwestern und 20 Novizinnen. Die Prophezeiung des Kindes hatte sich somit erfüllt. Dabei war Maria Magdalena zwar nicht bis an die Grenzen der Erde gegangen, sicher aber bis an die Grenze des Möglichen.