Evangelische Räte — Unsere Gelübde
Die evangelischen Räte Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam leiten sich ab aus dem Evangelium.
Sie sind Ratschläge Jesu für eine Form des Lebens in seiner Nachfolge.
Weil wir der Treue Gottes vertrauen, lassen wir uns verbindlich von ihm in Dienst nehmen und geloben, Jesus in Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam zu folgen.
In den Gelübden binden wir uns an Gott und an unsere Gemeinschaft.
Dabei ist unser ganzes Leben gefordert, unsere Liebesfähigkeit ebenso wie unsere geschwisterliche Solidarität und Verantwortungsbereitschaft.
Armut
Das Gelübde der Armut fordert uns heraus, in Einfachheit und Gütergemeinschaft zu leben.
Wir teilen unseren Besitz und unsere Gaben (Fähigkeiten, Zeit…) miteinander und mit Menschen, die unsere Solidarität brauchen.
Armut bedeutet auch, die eigenen Grenzen und die der anderen anzunehmen und sich von Gott beschenken zu lassen. Ein Leben im Geist der Armut lässt uns innerlich frei werden und lehrt uns, in den Armen unserer Zeit Jesu Brüder und Schwestern zu lieben.
Ehelosigkeit
Gottes Liebe, die uns berührt hat, drängt uns, Christus nachzufolgen in seiner Hingabe an den Vater und seiner bedingungslosen Liebe zu den Menschen.
Im Gelübde der Ehelosigkeit (wir sprechen von gottgeweihter Keuschheit) geben wir unsere je eigene Antwort auf seine Liebe zu uns. Diese Antwort umfasst unsere ganze Liebesfähigkeit und setzt innere Freiheit in unseren menschlichen Beziehungen voraus.
So lassen wir uns in Dienst nehmen für diese Welt, damit in ihr etwas von Gottes Nähe erfahrbar wird.
Gehorsam
Gehorsam beinhaltet Hören – Gehören – Gehorchen.
Im Gelübde des Gehorsams fragen wir nach dem Willen Gottes, indem wir auf sein Wort, auf seine Stimme in uns und aufeinander hören und achtsam den Anspruch der Wirklichkeit wahrnehmen.
Im Gehorsam stellen wir uns Gott zur Verfügung. So werden wir frei für Gottes Wirken in uns und für den Dienst in gemeinsamer Verantwortung.
Leben in Gelübden
Es gibt keinen religiösen Weg, der die Vollkommenheit für sich gepachtet hätte
Die Lebensform, die ein Mensch frei wählt und verbindlich lebt, formt sein Leben. Das können Eheleute bestätigen, die lange Jahre verheiratet sind, das können zölibatär lebende Priester und Ordensleute ebenso bestätigen.
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Es wäre auch seltsam, wenn viele gemeinsame Ehejahre ein Paar nicht prägen würden oder wenn Priester und Ordensleute durch ihre Lebensform nicht geprägt wären in ihrer Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen. Auch Alleinstehende werden bestätigen, dass ihre Lebensform sie prägt.
Was heißt das für mich persönlich, dass ich seit vielen Jahren in einer klösterlichen Gemeinschaft die drei Gelübde der gottgeweihten Keuschheit, der evangelischen Armut und des Gehorsams lebe?
Gelübde sind Versprechen, die Gott gemacht werden. Weil er uns ruft und in Treue zu seinem Ruf steht, können wir die Antwort wagen. Die Bindung an Gott und an die Gemeinschaft in der Profess (Gelübdeablegung) erfolgt stufenweise, so sieht es das Kirchenrecht vor.
Der ersten Profess gehen die Noviziatsjahre als Zeit des Einlebens und Kennenlernens der Gemeinschaft und ihrer Aufgaben sowie der Auseinandersetzung mit dem, was ein Leben in Gelübden bedeutet, voraus.Meine erste (zeitliche) Profess erfolgte für drei Jahre. Es ist gleichsam ein praktisches Erproben dieser Lebensform in Verbindung mit dem Beruf für einen begrenzten Zeitraum.
Es folgte die zweite Profess für zwei Jahre. Erst dann war es soweit, dass ich mein Versprechen „für immer“ ablegen konnte – zu einem Zeitpunkt, den ich herbeisehnte. Natürlich sprach ich vorher mit meinen Mitschwestern über die Verpflichtung, die wir auf uns nahmen. Dabei wurde für die einen das Gelübde der Keuschheit, für andere eher das Gehorsamsgelübde als schwieriger empfunden.
Auch nach der Profess habe ich mich immer wieder mit dem Thema Gelübde beschäftigt und dabei ganz neue Seiten entdecken können. Der Wandel im Verständnis besonders des Keuschheitsgelübdes deutet sich ja auch darin an, dass wir bei der ersten Profess „Jungfräulichkeit“ gelobten, bei der zweiten „Ehelosigkeit um des Gottesreiches willen“ und bei der ewigen Profess „gottgeweihte Keuschheit“.
Freiheit statt Mangel
Der Begriff Ehelosigkeit verrät eine Perspektive, in der das Gelübde eher einen Mangel ausdrückt: Armut als fehlender Besitz, Ehelosigkeit als ein Fehlen der Ehe und Gehorsam als mangelnde Selbstbestimmung. Ich bin froh, die Gelübde nicht als Mangelsituation zu erfahren, sondern vielmehr als einen Reichtum, der mir ermöglicht, mich in Freiheit zu binden.
Der Vergleich zur Situation von Eheleuten ist mir da sehr hilfreich. Wer sich wirklich aus Liebe an einen Menschen bindet, gibt damit zwar die Freiheiten eines Single-Daseins auf, gewinnt aber doch die neue Freiheit des „Wir“.
So gilt für mich in der Bindung an Gott, der mich auf diesen Weg gerufen hat, dass ich einen großen Freiraum erfahre: Gottgeweihte Keuschheit befreit zu unbegrenzter Liebe, evangelische Armut befreit zu solidarischem Leben und Gehorsam befreit zum Dienst in gemeinsamer Verantwortung. Doch da muß ich mit Paulus sagen: „Nicht dass ich es schon erreicht hätte oder dass ich schon vollendet wäre. Aber ich strebe danach…“ (Phil 3,12).
Ein Weg unter vielen
In jeder Lebensform sind wir aufgerufen, die Liebe Gottes durch unser Leben erfahrbar zu machen. Eheleute können dabei in ihrer Liebe zueinander besonders den personalen Aspekt der Liebe Gottes verdeutlichen: Gott liebt dich und mich ganz persönlich. Zölibatär lebende Menschen können mehr den universalen Aspekt dieser Liebe sichtbar machen: Gott liebt alle Menschen, ohne Unterschied. Gelübde sind eine Möglichkeit, auf Gottes Ruf zu antworten. Es gibt keinen religiösen Weg, der die Vollkommenheit für sich gepachtet hätte.
Ein Leben in Gelübden fordert den ganzen Menschen, seine Liebesfähigkeit ebenso wie seine geschwisterliche Solidarität und Verantwortungsbereitschaft. In der Kraft des Heiligen Geistes versuche ich, das große Versprechen in kleinen Alltagsmünzen einzulösen. Ring und Kreuz, die mir bei der Profess überreicht wurden, erinnern mich immer wieder daran.
Die Gründerin unserer Ordensgemeinschaft, die hl. Maria Magdalena Postel sagt in ihrer ersten Gelübdeformel: „Gott, du hast mich gerufen: In der Tiefe meiner Seele habe ich deine Stimme vernommen; du hast mir die Pfade der Gerechtigkeit gezeigt, du hast mir Mut gemacht, dir auf diesen Pfaden zu folgen.“ Selbst wenn wir das heute vielleicht etwas anders formulieren, der Inhalt bleibt doch gleich: Gott, du hast mich gerufen. Ich habe deinen Ruf gehört. Du hast mir dadurch einen Weg eröffnet und mich ermutigt, dir auf diesem Weg in klösterlicher Gemeinschaft zu folgen.
Es bewegt mich, wenn ich still für mich meine Gelübde erneuere. Es bewegt mich, wenn wir am Dreifaltigkeitssonntag gemeinsam unsere Gelübde erneuern. Ich bin überzeugt – und das gilt für die Erneuerung des Eheversprechens der Ehepartner ähnlich -, das bleibt nicht ohne Wirkung in „guten“ wie in „bösen“ Tagen. Und ich bin froh und dankbar, dass ich nach so vielen Jahren sagen kann: Ich würde mich heute wieder für diese Lebensform entscheiden.
Meine Gelübde lebe ich als einzelne, aber in Gemeinschaft. Die Gemeinschaft, das persönliche Mühen meiner Mitschwestern, stützt mein Bemühen. Gemeinsam sind wir auf einen Weg gestellt, der nicht einfach fertig vorgegeben ist, sondern immer neu Gestalt gewinnt, indem wir ihn gehen.