Ein spiritueller Impuls zum Jahreswechsel 2023-2024 von Sr. Klara Maria Breuer
„Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt.“ So schrieb der Jesuit Alfred Delp Weihnachten 1944. Seine Weihnachtsmeditation entstand nicht an einem Schreibtisch, im wohnlich-behaglichen Zimmer. Er schrieb sie mit gefesselten Händen, in einer Zelle der Haftanstalt Berlin-Tegel. Sein Verbrechen: Delp hatte im „Kreisauer Kreis“ mitgearbeitet, einer Widerstandsgruppe in der Zeit des Nationalsozialismus.
Es sollte Delps letztes Weihnachten sein. Bodenloser Hass gegen ihn als Jesuiten und katholischen Priester führte in einem Schauprozess zum Todesurteil. Am 2. Februar 1945 wurde Pater Alfred Delp in Berlin-Plötzensee hingerichtet.
„Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt“: Delps persönlicher Hintergrund verleiht diesem Satz seine eigene Überzeugungskraft. Diese Worte können auch uns zum Jahreswechsel Orientierung und Zuversicht geben.
Auch wir erfahren im eigenen Leben und Umfeld Erschütterungen. Die Kriege im Nahen Osten und in der Ukraine wie auch an vielen anderen Orten sind wie ein dunkler Schatten, der vom alten ins neue Jahr zieht. Folgen des Klimawandels erleben wir global wie auch im eigenen Land. Unsere Schwestern in Mosambik berichten von der Not des Hungers, dem viele Menschen in ihrer Region ausgesetzt sind. Regen ist ausgeblieben, die Saat verdorrt oder gar nicht erst ausgesät worden. Überall in unserem Land sind wir in diesen Tagen mit Hochwasser konfrontiert. Können wir da dem Leben trauen, wo es so zerbrechlich und verwundbar ist?
Es wäre anmaßend, dabei stehenzubleiben: „Lasst uns dem Leben trauen“. In Delps Zusatz „weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt“ liegt der Grund. In diesem „weil“ ist die Weihnachtsbotschaft zusammengefasst: Gott ist Mensch geworden. Nicht zum Schein, sondern mit Haut und Haar. Was uns Menschen erfreut und an Leid widerfährt, hat Jesus Christus, Gottes Sohn, am eigenen Leib erfahren. „Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt.“ Trauen wir diesem Zeugnis eines Glaubenden, niedergeschrieben in seiner existentiellen Situation: im Angesicht des Todes dem Leben und dem lebendigen Gott trauend.
Schwester Klara Maria Breuer