Das Jugendzentrum in Berlin Marzahn verabschiedet Schwester Margareta Kühn als Einrichtungsleiterin – und segnet zugleich die neue Schule ein
Im Kreis von über 100 Gästen und 50 Mitarbeitenden wurde Schwester Margareta Kühn am Freitagmittag als Mitgründerin und langjährige Einrichtungsleiterin der Manege in Berlin Marzahn-Hellersdorf verabschiedet. Zusammen mit Pater Christian Vahlhaus wird sie noch Geschäftsführerin bleiben. Neuer Einrichtungsleiter wird der Salesianer Pater Simon Härting.
Die Verabschiedung bildete zugleich einen würdigen Rahmen, die neue Manege-Schule einzusegnen. Vor vier Jahren gegründet, musste sie in den ersten drei Jahren zunächst komplett aus privaten Mitteln finanziert werden, bevor sie endlich die staatliche Anerkennung erhielt. Mittlerweile haben dort 58 junge Menschen einen Abschluss erworben. Gemeinsame Gesellschafter dieser Einrichtungen sind die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel und die Salesianer Don Boscos.
Energie und Zuversicht imponierte
„Als Sie mich damals aus einem fadenscheinigen Grund in Ihre Einrichtung einluden und mir erklärten, dass Sie hier eine Schule gründen wollen, hätte ich jedem andere davon abgeraten. Denn das ist ein kompliziertes Verfahren. Bei Ihnen aber wusste ich: Sie meinen es ernst. Und Sie machen das“, erinnert sich der Bezirksstadtrat für Jugend, Familie und Gesundheit im Bezirk Marzahn-Hellersdorf, Gordon Lemm. Wie so viele Menschen im Verlauf der zurückliegenden 18 Jahre imponierte ihm sofort die Energie und die Zuversicht, die Schwester Margareta ausstrahlte.
So ging es auch Bezirksbürgermeisterin Nadja Zivkovic. Da erkrankt, schilderte sie in einem verlesenen Grußwort den gemeinsamen Einsatz für viele Flüchtlingskinder nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine. Besonders beeindruckt sei sie gewesen, dass Schwester Margareta sogar die Handynummer von Vitali Klitschko, dem Bürgermeister von Kiew, kannte.
Die Bezirksbürgermeisterin weiß: „Hier finden Jugendliche immer ein offenes Ohr und die notwendigen Leitplanken, um sein Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Aus einem Startup habt Ihr ein mittelständiges Unternehmen gemacht.“
Die Energie und Antriebskraft von Schwester Margareta würdigten alle Rednerinnen und Redner, die auf Schwester Margaretas Wirken seit der Gründung der Manege 2005 zurückblickten. Die Generaloberin der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel, Schwester Maria Thoma Dikow, erklärte: „Wir können tatsächlich nur ahnen, was Du hier geleistet hast.“
Und der Provinzial der Salesianer Don Boscos, Pater Reinhard Gesing, betonte: „Zusammen mit Pater Franz-Josef Otto, der diese Einrichtung mit Ihnen aufgebaut hat, haben Sie hier jungen Menschen Türen geöffnet. Nicht nur die Türen dieses ehemaligen Blumengeschäfts, sondern vor allem Ihr Herz. Und das ist das Geheimnis der Manege – dass die Menschen ohne Zukunftsperspektive gespürt haben: Hier sind Menschen, die für uns da sind.“
„Erziehung ist eine Sache des Herzens“
In diesem Zusammenhang erinnerte Pater Gesing an den Leitsatz des heiligen Don Johannes Bosco: „Erziehung ist eine Sache des Herzens.“ Sozialkompetenz sei zwar in jedem helfenden Beruf unverzichtbar. „Doch mit der Fachkompetenz erreichen wir nicht die Herzen der Menschen – das gilt insbesondere, wenn es um junge Menschen geht.“ Dazu brauche es eine Haltung, ein Zugehen, so dass man sie tiefer erreichen kann.
Und Schwester Maria Thoma verwies auf das Lebensmotto der heiligen Maria Magdalena Postel: „Die Jugend bilden, Arme unterstützen und nach Kräften Not lindern.“ Dieser Satz sei aktueller denn je. Und in der Manege träfen gleich alle drei Aspekte zu.
Beide Ordensobere waren sich einig, dass Schwester Margareta ihre Arbeit in den vergangenen 18 Jahren im Geiste des Evangeliums zu ihrem Herzensanliegen gemacht hat. Sie hatte daran mitgewirkt, die Werkstätten, das Café, das Jugendwohnen, das mobile Beratungsangebot, die neuen Standorte in Reinickendorf und Köpenick, die Kita und zuletzt die Schule aufzubauen.
Als sich Schwester Margaretas Stellvertreter, der Sozialarbeiter Erik Mohring, zusammen mit rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf der Bühne bei Schwester Margareta für ihren unermüdlichen Einsatz bedankte, rechnete er aus: „Insgesamt haben wir hier in diesen 18 Jahren schon über 5000 junge Menschen begleitet.“
Pater Gesing hob hervor: „Die zentrale Idee ist die vom Dasein, von der Präsenz und Anwesenheit für die jungen Menschen – und das sogar rund um die Uhr. Jeder soll das Gefühl haben: ‚Hier bin ich, so wie ich bin, willkommen‘.“
„Da ist hohe Flexibilität gefordert“
Dann blickte Schwester Maria Thoma noch einmal auf die Gründungsgeschichte der Manege. Daran war in den Anfangsjahren auch der Zirkus Cabuwazi beteiligt. Auf ihn geht der Name der Einrichtung zurück.
„In einer Zirkusmanege wird ein abwechslungsreiches Programm aufgeführt. Darbietungen laden zum Staunen ein.“ Das Programm in einem Zirkus funktioniere immer nur durch das Zusammenspiel mit vielen. Ebenso gehöre zu einem Zirkus, dass das Programm alle paar Jahre verändert wird. Darin sieht die Generaloberin viele Parallelen zu der Arbeit in dem Jugendzentrum: „Hier sind es die verschiedenen Projekte, die für ein paar Jahre laufen. Dann gibt es immer wieder neue Schwerpunkte in Sozialpolitik und gesellschaftlichen Entwicklungen, die auch neue Projekte erfordern. Da ist eine hohe Flexibilität gefordert.“ Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter steckten ihr Herzblut in diese Arbeit und sähen darin viel mehr als einen Job: „Ihnen allen gilt unser größter Respekt.“
Und Schwester Margareta sei in dieser Manege nicht nur Zirkusdirektorin, sondern manches Mal auch Dompteurin gewesen: „Du hast die politischen Entwicklungen verfolgt, viele Verbündete gefunden. Ohne Verbündete in Politik, Verwaltung und Stiftungen wäre vieles nicht zu schaffen.“
Allem voran nannte Schwester Maria Thoma die Kurt und Maria Dohle-Stiftung: „Wenn eine Ersatzschule gegründet wird, muss der Träger sie zunächst drei Jahre lang vollständig finanzieren. Erst dann erfolgen die staatliche Anerkennung und eine weitgehende Übernahme der Betriebskosten. Dazu hat die Dohle-Stiftung beigetragen. Das ist ein Engagement, für das wir nicht genug danken können.“
Dieses Angebot sei dringend nötig. Denn viele Jugendliche, die Kontakt zur Manege finden, verfügen über keinen Schulabschluss. „So wurden in der Vergangenheit immer wieder neue Wege gesucht: zum Beispiel mit der ‚Schule auf Rädern‘. Dabei erhielten Jugendliche Blockunterricht an der berufsbildenden Bergschule in Heiligenstadt. Aber wir merkten, dass es ein auf unsere Zielgruppe zugeschnittenes Angebot braucht, das den Einzelnen gut fördern kann.“
Diese Schule solle junge Menschen befähigen, ihr Potenzial auszuschöpfen und als Persönlichkeit zu reifen. Dazu brauchte es neue Räume. Der Dank gelte daher zum einen dem Eigentümer, der dem Umbau des ehemaligen Kantinengebäudes nebenan zugestimmt habe, zum anderen der Kurt und Maria Dohle-Stiftung, die auch den Umbau komplett finanziert habe.
„Die sind da alle ein bisschen irre“
Ein Projekt, das zunächst ein Wunschvorhaben war, wurde Realität. Das sei der Manege, die sogar Angela Merkel 2016 als Bundeskanzlerin besucht hat, häufig gelungen. Auch der Geschäftsführer der Dohle-Stiftung, Felix Dresewski, erinnert sich, wie er durch den Kollegen einer anderen Stiftung auf die Manege aufmerksam wurde: „Der sagte: ‚Da musst Du unbedingt mal hin. Die sind da alle ein bisschen irre. Aber die bewegen dort ganz viel‘.“
Dresweski zitierte auch aus dem Dankesbrief eines Jugendlichen: „Danke für die Freude und den Spaß am Lernen (…). Danke für die Ermutigung. Danke für diese schöne Schulzeit. Wir werden sie vermissen.“ Und er fragte: „Was will man mehr in einer Schule, in unserer Gesellschaft – also solche eine Rückmeldung?“
Dieses Wirken zweier katholischer Ordensgemeinschaften in einem Umfeld, in dem so gut wie niemand katholisch ist, verdiene größte Anerkennung. Daher versprach Dresewski: „Wir stehen weiterhin an Ihrer Seite und sind gespannt, was wir mit Ihnen noch auf den Weg bringen können.“
Vollumfänglich und fristgebunden
Schwester Margareta Kühn gab den Dank an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter und ihrem Nachfolger auch schon mal einen Einblick in das Vokabular, an des er sich gewöhnen müsse. Das enthalte Worte wie: „fristgerecht, vollumfänglich und fristgebunden“.
Die scheidende Einrichtungsleiterin erklärte: „Die Manege hat ein hohes Tempo. Wir müssen menschlich und fachlich reaktionsschnell sein. Die Bedingungen und Nöte um uns herum erfordern das.“ Dabei müsse die Lauferei gepaart sein mit Fach- und Sachkompetenz, Klugheit und dem richtigen Maß.
Um die Manege weiterzuentwickeln, brauche es zudem Durchhaltevermögen: „Die Dienstgemeinschaft muss chorisch atmen. Wenn einer Luft holt, muss der andere weitersingen. Nach außen wirkt das, als sei alles im Fluss. Das ist einer der Erfolgsschlüssel. Wir müssen ein Zusammenwirken hinbekommen.“
Symbolisch überreichte sie Pater Simon Härting und den Bereichsleitern ein Kinderbuch von Hannes Hütter, das gut für die Arbeit in der Manege stehe: „Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt.“ Denn man stehe ständig vor neuen Herausforderungen: „Wenn wir Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden, Not verwandeln helfen und wissen, dass jeder Tag ein erster Tag für einen Jugendlichen in unserer Einrichtung oder auch seine letzte Chance sein kann, dann wird der Kaffee eben schon mal kalt.“ Sie riet ihrem Team aus der Manege: „Vergleichen Sie sich ruhig ab und zu mit der Feuerwehr.“
Außerdem übergab sie dem Team einen fast zwei Meter hohen Leuchtturm: „Er ist ein sehr sprechendes Zeichen. Wenn wir alle hier im Anschluss zur Schule gehen, stellen wir sie unter das Zeichen des gesegneten Wassers und des Himmels. Dieser Segen gilt allen, die hier ein- und ausgehen.“ Die Manege werde immer wieder als Leuchtturmprojekt gehandelt: „Das kann schmeichelhaft sein, bringt aber allein nicht viel weiter. Es gibt einem aber Ansporn, aktiv und mutig zu bleiben.“ Daher gelte es immer, nach Leuchttürmen Ausschau zu halten und Irrlichter zu meiden, um das „Manege-Schiff“ gut über die Wellen zu heben.
„Meine Präsenz soll hilfreich und lebendig sein“
Pater Simon Härting zeigte in seiner Antrittsrede Gelassenheit und Bereitschaft, sich den vielen Herausforderungen zu stellen. Zuletzt lebte und arbeitete der aus Landsberg am Lech stammende Bayer mehrere Jahre in einer Kommunität der Salesianer in Istanbul und unterstützte dort auch die Leitung der ordenseigenen Evrim-Schule. Sich in komplexe Projekte einzuarbeiten, sei er gewöhnt. Und einen langen Atem hat er gerade erst beim Berlin-Marathon bewiesen.
Pater Härting überraschte zudem mit dem Hinweis: „Ich bin jetzt von einer großen Stadt in eine etwas weniger große Stadt gezogen.“ Denn Istanbul hat 18 Millionen Einwohner, Berlin dreieinhalb.
Er gehe er mit größtem Respekt an seine neue Aufgabe heran: „In der Türkei wünscht man den Menschen, hilfreich und lebendig zu sein: ‚Heyirli olsun‘. Mein Wunsch ist es, dass meine Präsenz hier hilfreich und lebendig sein wird.“
Der 40-Jährige verriet, bereits Geschmack gefunden und Lust bekommen zu haben, sich in diese Arbeitsfelder einzuarbeiten: „Wenn ich in den vergangenen Wochen schon etwas gelernt habe, ist es das: Die Manege ist ein wenig wie ein Brennglas. Weil wir hier Herausforderungen und Denkaufgaben entdecken können, die ganz tief mit dem zu tun haben, was in unserer Gesellschaft vorgeht. Da müssen wir noch sehr viel an Denkarbeit leisten.“
Neue Aufgabe als Klinikseelsorgerin
Schwester Margareta übernimmt unterdessen eine neue berufliche Aufgabe als Klinikseelsorgerin am St. Hedwigs-Krankenhaus. Pater Gesing ist überzeugt: „Dort werden Sie ebenfalls mit Herz ansprechbar sein.“ Und Schwester Maria Thoma weiß: „Auch das ist eine spannende Kombination von sozialer Arbeit und Seelsorge.“ So müsse sie lernen, loszulassen – doch bleibe Schwester Margareta zusammen mit Pater Vahlhaus Geschäftsführerin „und somit auch noch Ansprechpartnerin für unserer vielen Unterstützer.“
Den Rat der bisherigen Dompteurin wird das Feuerwehrteam in der Manege auch in Zukunft hin und wieder brauchen können. So sagt der stellvertretende Einrichtungsleiter Pater Erik Mohring: „Bleiben wird auf jeden Fall die Willkommenskultur. Das haben wir von Dir gelernt.“ Wie es schon an der Wand im Café der Manege steht: „Schön, dass Du da bist.“
Erik Mohring sagt: „Dazu gehören Wachsamkeit und auch eine Dankeskultur. Also auch eine Veranstaltung wie heute.“ Und an Schwester Margareta gewandt schloss Pater Gesing ab: „Es ist schön, dass Sie da waren. Aber es ist auch schön, dass Sie noch ein bisschen bleiben.“
Im Saal aber blieb danach aber niemand. Denn es ging schon weiter – mit der Einsegnung der neuen Schule. Und zum Abschluss gab es im Café der Manege noch für alle eine Currywurst.