„Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch!“ So erklingt im Advent, eindringlich und eingängig, dies musikalische Werk von Andreas Hammerschmidt. Auch das bekannte Adventslied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“ greift die Symbolik von Toren und Türen auf. Auf Psalm 24 gehen diese Bilder zurück.
Einbruchssicherheit, Alarmsysteme oder verdeckte Videokameras, die Eindringlinge abwehren, stehen dagegen nicht im adventlichen Symbol-Repertoire. Es ist für mich ein adventliches Paradox: Statt Gefahrenabwehr und Abschottung werden Öffnung und Einlass besungen. Umso mehr des Nachdenkens wert erscheinen mir diese adventlichen Bilder im Blick auf die aktuelle Weltlage. Statt des Weitens von Toren werden Grenzen gesichert, wird die Rüstungsindustrie hochgefahren, werden Raketen getestet, wird Infrastruktur zerstört, die für Menschen angesichts des Winters lebensnotwendig ist. Advent, so geht es mir durch den Sinn, ist keine heimelige Zeit, sondern eine, die mich mit ihren uralten Bildern zutiefst herausfordert.
„Dass der König der Ehren einziehe“, begründet Psalm 24 das Weitmachen von Toren und Hochziehen von Türen. „Wer ist der König der Herrlichkeit?“, so fragt sich der Beter weiter. Wissen wir eine Antwort? Spielt die Erwartung eines Größeren, der sich ankündigt, für meine Gestaltung des Advents eine Rolle? Ja, wir erinnern uns daran, dass an Weihnachten die Geburt Jesu gefeiert wird. Wir kennen die Darstellung der Krippe, Gegenbild eines Schlosses, das einem weltlichen König gebührt. In der Herberge war kein Platz für den neugeborenen Gottessohn. Am Ende seines Lebens wird dieser seinen Schächern gegenüber deutlich: „Ich bin ein König.“ Um im selben Atemzug klarzustellen, dass sein Königtum nicht von dieser Welt ist.
„Hebt euch aus den Angeln, ihr Tore! Öffnet euch weit, ihr alten Portale, denn der König will einziehen, die höchste Majestät!“ So übersetzt eine moderne Bibelfassung besagten Psalm. Ich möchte beten und glauben, nicht nur im Advent, dass Menschen und Nationen sich wieder füreinander aufzutun vermögen. „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“, möchte ich nicht nur singen, sondern mich selbst öffnen für das große und Staunen weckende Geheimnis, dass das göttliche Königskind in einem Stall Mensch wird. Mit offener Tür für jeden und jede, Hirten wie Weise, für dich und für mich. „Gott wohnt, wo man ihn einlässt“, überliefert Martin Buber eine jüdische Geschichte. Die Adventszeit lädt dazu ein.
Schwester Klara Maria Breuer