Spiritueller Impuls von Schwester Klara Maria Breuer
Eher leise kommt dieser Jahreswechsel daher. Kein Feuerwerk läutet ihn ein. Die Rede ist vom Beginn des neuen Kirchenjahrs zum 1. Advent. Mögen Lebkuchen- und Bratwurstduft, Sterne, Krippen und Kerzen auf Weihnachtsmärkten sowie allenthalben weihnachtliche Klänge den Anschein wecken, dass die Heilige Nacht schon angebrochen ist: Der Advent spricht eine andere Sprache.
Eine Zeit der Erwartung geht dem Fest der Geburt Jesu Christi voraus. „Wachet“ lautet die Botschaft, die uns in biblischen Texten oder Liedern zu Herzen gehen will. „Carpe Diem“ – „Pflücke den Tag“ – ist ein heute oft zitiertes Wort. Mir scheint, dass „Wachet“ eine noch intensivere Aufforderung in sich birgt. Ich denke an die Schüler und Studierenden, die sich in der „Fridays for Future-Bewegung“ engagieren. Ist es Zufall, dass der Globale Klimastreik am 29. November, der auch in vielen deutschen Städten Menschen auf die Straßen bringt, unmittelbar vor den Adventsbeginn fällt? Oder sagen die Akteure nicht in unsere Zeit hinein die alte Botschaft neu: „Wachet“? Sie mahnen an, dass es höchste Zeit ist, mit Entschiedenheit wirksame, nicht halbherzige Maßnahmen zu ergreifen, um der Erde als Lebensraum für alle Geschöpfe Zukunft zu geben. Es geht ums Ganze. Um Leben für alle. In dieser Bewegung. Und im Advent.
Ein Weckruf scheint mir auch der Auftakt zum Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland, just am 1. Advent, zu sein. Viele erwarten und fordern sichtbare, spürbare Erneuerung kirchlicher Strukturen, in den brennenden Fragen von Machtverteilung, Sexualmoral, priesterlichem Dienst und dem Platz von Frauen in der Kirche. Es geht ums Ganze. In den Prozessen des Synodalen Wegs. Und im Advent.
Das Hier und Jetzt in seiner Bedeutung nicht zu verschlafen, erinnern uns die Wochen vor dem Weihnachtsfest. Advent ist Anruf, das Herz für Neues zu öffnen, mögen die Alltage auch wie eingefahrene Spuren erscheinen. Ein freundliches Wort, ein Lächeln, eine helfende Geste, ein Augenblick, geschenkte Zeit, ein lange versprochener Brief, Achtsamkeit für mich selbst und den Nächsten, ein stilles Gebet, ein angezündetes Licht in einer Kirche… Wachsamkeit kann viele Weisen haben.
Es geht ums Ganze. In meinem persönlichen Leben wie auch in Kirche, Gesellschaft und Welt. Sagt uns der Advent.
„Wachet“: Dann kann sich ereignen, was wir Weihnachten feiern: Menschwerdung. Neues Leben. Ein sich über uns öffnender Himmel. Gewahr werden, dass sich Gottes Gegenwart auch in unsere Geschichte und Tage hinein Bahn bricht. Vielleicht auf leisen Sohlen. Doch es lohnt sich, dafür wach zu sein.