Das Pfingsttreffen trieb junge Erwachsene aus der Kirchenbank
Fast 60 Jugendliche und junge Erwachsene aus fünf Ländern träumten an diesem Pfingstwochenende im Bergkloster Bestwig „ihre Kirche“. Eine Kirche, die in Zukunft anders aussieht, die vielfältiger und internationaler wird. Und in der modernes Prophetentum bei jedem selbst beginnt.
Fabian Christoph aus Marl ist ganz erstaunt, wie intensiv er mit sechs anderen jungen Erwachsenen in einem Workshop am Samstagmorgen über diese Fragen diskutiert hat, obwohl er niemanden von den anderen kannte: „Und wir waren wir uns völlig einig, dass jeder mit seinem eigenen Beispiel voran gehen muss.“
Wie schwer es manchmal ist, dieses Zeugnis abzulegen, berichteten junge Christen aus Ägypten, Brasilien, Bolivien und Rumänien. In den Länderrunden am Samstagnachmittag ging es um die Kirche in den verschiedenen Kulturen.
Angst um das eigene Leben
Kirollos Samir ist Kopte und konnte sein Geschäft in Ägypten während der Revolution nicht länger betreiben. Er hatte Angst um sein Leben: „Mein Cousin ist bei einem Massaker in einer christlichen Kirche ums Leben gekommen.“ Was Kirollos fordert, klingt für jeden verständlich: „Wir wollen als Christen unsere Freiheit haben und ohne Angst eine Kirche aufbauen können.“ Stattdessen aber werden in seinem Land Forderungen laut, Christen sollten wieder Abgaben zahlen, wenn sie in Ägypten bleiben.
Dabei machte die ägyptische Schwester Andrea Carolshery deutlich: „Die Probleme verursachen die Menschen, die Religion falsch verstehen. Viele Muslime haben auch geholfen, unsere Kirche zu schützen.“
Menschenhandel in Brasilien
Die brasilianischen Ordensschwestern Elecir Rosa, Adriana Aparecida Willemann und Cecília Penteado berichteten über die Kampagane der katholischen Kirche gegen Kinderhandel in ihrem Land. „Viele Kinder und Jugendliche werden mit falschen Versprechungen ins Verderben geführt“, so Schwester Elecir. Zunächst verspreche man ihnen viel Geld oder eine gute Zukunft. Dann würden sie missbraucht für Prostitution, Kinderarbeit oder Organhandel.
Fotos langer Narben belegten, was viele Kinder dort ertragen müssen. „Eines Tages stand in unserer Stadt sogar ein Wagen mit drei Kinderleichen. Allen dreien waren sämtliche Organe entnommen worden“, so Schwester Elecir.
Was den Missbrauch von Kindern für die Prostitution betrifft, befürchtet sie während der Fußball-Weltmeisterschaft aufgrund der vielen Touristen sogar noch einen deutlichen Anstieg: „Als Ordensleute fühlen wir uns als erste verpflichtet, dagegen anzugehen.“ Nach diesem Satz gab es spontanen Beifall. Und Schwester Maria Elisabeth Goldmann fasste ihn in Worte: „Wir sind sehr bewegt und zugleich berührt von diesem Engagement.“
Ehrenamtliche Mitarbeit in Schineni
In einer zweiten Gesprächsrunde berichteten die bolivianischen Schwestern über die Tradition der Wallfahrten in ihrem Land: Oft bewegen sich die Gläubigen dabei kilometerlang nur auf Knien fort.
Und die Gruppe aus Rumänien stellte ihre Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Schineni vor. Teilweise selbst in Obhut der Ordensschwestern aufgewachsen, engagieren sie sich jetzt ehrenamtlich in der vielfältigen Arbeit des Kinderheims, der Gruppenstunden, der Hausaufgabenhilfe sowie des Jugendtreffs und gehen dort mit gutem Beispiel für andere Heranwachsende voran.
Im Pfingstgottesdienst am späten Abend fasste Pfarrer Ullrich Auffenberg die vielen Eindrücke aus den anderen Kulturen zusammen und bezog sich dabei noch einmal besonders auf die Situation der Christen in Ägypten: „Wir haben gesehen, dass sich die Kopten durch die Tätowierung ihres Kreuzes auf den Unterarm zu erkennen geben. Dass sie für ihren Glauben einstehen und dafür viel riskieren. Dass in dem Brot, das sie in der heiligen Messe teilen, die fünf Wundmale Jesu symbolisiert sind. Und dass diese Narben zu leuchten beginnen.“
Das bedeute Pfingsten: „Die Narben Jesu strahlen aus auf unser Leben. Gott hat uns seinen Geist eingehaucht. So tragen wir alle, mit unseren Stärken und Schwächen, etwas Göttliches in uns.“
Tanz um den Altar
Für diese Hoffnung standen auch die Fürbitten, die von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Pfingsttreffens formuliert und aufgemalt worden waren. Dafür stand das Glaubensbekenntnis, das eine andere Gruppe vorbereitet und geschrieben hatte. Und dafür stand der Tanz um den Altar, den eine dritte Gruppe eingeübt hatte und zu dem alle Gottesdienstbesucher mit eingeladen waren. Pfarrer Ullrich Auffenberg sagte: „Pfingsten bedeutet aufzubrechen, aus den Bänken herauszukommen.“ Das machte diese Liturgie deutlich.
Und das kam auch am Sonntagmorgen zum Ausdruck, als die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der beiden Tage im Bergkloster ihre persönlichen Vorhaben für die nächste Zeit aufschrieben und an eine Wäscheleine klammerten.
In der Abschlussrunde zeigten sich alle dankbar für die Erfahrungen dieses Treffens. „Unsere Handys blieben aus. Wir kamen zur Ruhe. Und wir haben viele neue Bekanntschaften geschlossen“, erklärt Malin Drockner. Marie-Theres Hilbig spricht gar von einem Wochenende, „das in positivem Sinne atemberaubend war.“ Und Schwester Elecir Rosa aus Brasilien hofft, „dass ich viel von dieser Dynamik mit nach Hause nehmen kann.“ Am Dienstag geht es für sie und ihre beiden Mitschwestern aus Leme nach dreiwöchigem Aufenthalt in Deutschland wieder nach Hause.
„Mit offenen Armen empfangen“
Barbara Strumann sagte in der Abschlussrunde: „Ich finde es immer wieder toll, wie wir hier im Bergkloster von den Schwestern mit offenen Armen empfangen werden. Für mich war es etwas Großartiges, diese Tage hier unterschiedlichen Kulturen zu erleben. Ein Dank an alle, die das ermöglichen.“ Andrei Sascau aus Rumänien fügte hinzu: „Ich habe den Heiligen Geist gespürt. Und ich hoffe, dass es weitere Begegnungen geben wird.“
Schwester Gratia Feldmann gab den Dank für das Vorbereitungsteam, dem auch Schwester Maria Elisabeth Goldmann, Schwester Franziska Lennartz und Winfried Meilwes angehörten, zurück: „Wir können nur die Zutaten bereiten. Was daraus wird, gestaltet Ihr. Mich macht sehr froh, wie das gelang.“
Es waren bewegte und intensive Tage. Deshalb galt wohl für alle, was Schwester Franziska als Letzte in der Abschlussrunde feststellte: „Ich fand es richtig rund. Aber jetzt bin ich platt.“