Missionarisches Forum in Bestwig diskutierte neue Wege der Evangelisierung
Gemeinde wird sich künftig nicht mehr an Orten festmachen lassen, und es sind auch nicht die Gottesdienste, die Gemeinde definieren. Laien müssen endlich mehr Verantwortung übernehmen, und die Hauptamtlichen brauchen mehr Gelassenheit, Ehrenamtlichen die Verantwortung zu überlassen. Dann ist Evangelisierung kein Zauberwort, sondern Hoffnung. Das ist die Botschaft des dritten Missionarischen Forums am Freitagabend im Bergkloster Bestwig.
Gemeinsam mit der Bergkloster Stiftung SMMP hatte die Missionszentrale der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel zu dem Abend eingeladen. Über 70 Besucher waren gekommen. Darunter die Redakteure des Missionsmagazins kontinente, die sich im Bergkloster zu ihrer Jahrestagung getroffen hatten, Ordensschwestern und Interessierte aus dem neuen pastoralen Großraum Meschede-Bestwig. Auch dort steht die Frage im Mittelpunkt, wie Glaube und Kirche angesichts immer größer werdender Strukturen und der Auflösung der Ortsgemeinden lebendig bleiben.
„Neu-Evangelisierung ist eine Geisteshaltung“
„Neu-Evangelisierung ist nicht nur ein Prozess. Es geht um eine Geisteshaltung“, verdeutlichte Professorin Dr. Agnes Wuckelt in ihrem Einführungsvortrag. Die Theologin der Katholischen Hochschule NRW in Paderborn machte deutlich, dass man die in der veränderten Lebenswelt mit einem Streben nach mehr Autonomie, weniger engen Bindungen und größer werdender Mobilität verankern muss.
Schon im Markus-Evangelium werde ein solcher Aufbruch beschrieben: „Dort gebietet Jesus den Jüngern bei ihrer Aussendung, nichts mitzunehmen auf den Weg außer ihrer Kleidung und einem Stab. Das müssen wir heute lernen: Nicht das mitzunehmen, von dem wir meinen, dass wir es mitnehmen müssen. Lasst es weg! Auch viele alte Bräuche und Traditionen. Das ist eine Textstelle, die uns Mut machen kann.“
Von solchen mutmachenden Projekten wussten Christa Mertens und Michael Kloppenburg zu berichten. Christa Mertens hatte als geistliche Beraterin der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) im Erzbistum Paderborn das Projekt Frauenkirche mit auf den Weg gebracht. „Erst wurde uns eine alte Kirche angeboten, die wir dafür nutzen könnten. Da haben wir dankbar abgelehnt. Stattdessen haben wir gedacht, den Begriff Raum anders zu definieren und ihn nicht an einen Ort zu binden. So kamen wir im zweiten Jahr des Frauenkirchenprojekts hier ans Bergkloster Bestwig.“ Mit guter Resonanz.
Dann habe man sich die sogenannten Sinus-Milieus angeschaut und gefragt, wie Gruppen ansprechbar sind, die die kfd sonst nie erreiche: „So entstand die Idee der Motorradwallfahrten. Zu denen kommen auch Experimentalistinnen, eine Milieu-Gruppe, mit denen wir sonst kaum Berührung haben.“
„Das Projekt Jugendkirche hat uns sofort elektrisiert“
Michael Kloppenburg stellte das Jugendkirchenprojekt „Light my fire“ in Meschede vor, das in dem Bestwiger Projekt „Tabor“ einen Nachfolger fand. „Als wir von der ersten Jugendkirche in Oberhausen gehört hatten, waren wir wie elektrisiert. Es braucht `burninig persons` die sich für eine Sache begeistern. Da war ich selbst zu einer solchen geworden. Obwohl ich weiß, dass ich als Hauptamtlicher das Projekt nicht an mich reißen darf. Das wäre der falsche Weg“, so der Dekanatsjugendreferent aus Meschede.
Die Jugendlichen hätten mit großem Engagement gehämmert, gebastelt, gemalt – und dann ebenso begeistert gebetet. Aufgrund solcher Erfahrungen fragt sich Michael Kloppenburg häufiger: „Warum bin ich eigentlich so viel in meinem Büro? Müssten wir nicht viel öfter nach draußen gehen? Und sei es nur, dass wir ansprechbar sind.“
Nach den Vorträgen schaltete sich Schwester Alwine Langela auf dem von Ludger Dabrock moderierten Podium in die Diskussion mit ein. Vom Geschäftsführer der SMMP-Einrichtungen und Dienste befragt, erklärte die langjährige Missionarin und ehemalige Oberin der brasilianischen Ordensprovinz: „In Südamerika definiert sich Gemeinde vor allem durch Engagement. Wir haben gar keine Hauptamtlichen. Aber von den Ehrenamtlichen übernimmt sich auch keiner. Jeder hat eine Aufgabe, das reicht. Ohne dieses Engagement geht es nicht. Selbst wenn wir aus einem Schriftgespräch gehen, nimmt jeder eine konkrete Aufgabe mit.“
Dabei habe die Zusammenarbeit der Basisgemeinden in Brasilien schon Tradition, so Schwester Alwine: „Taufen und Hochzeiten werden abwechselnd in verschiedenen Gemeinden gefeiert. Dieses Miteinander ist keine Behinderung, sondern eine Bereicherung. Es bringt immer wieder frischen Wind in unsere Arbeit.“ In dieser Dynamik wirke der Heilige Geist. Und die Ordensfrau fragt: „Wo ist der eigentlich in Deutschland?“
„Uns fehlt es nicht an Liturgie, sondern an anderem“
Die Theologin Agnes Wuckelt gab der Missionarin recht: „Bei uns geht es viel zu oft um das Festhalten an Gottesdiensten in der eigenen Kirche. Dabei ist Liturgie doch das, was sich in der Struktur unserer Pastoralverbünde noch am meisten findet. Fehlen tut es an anderem!“ Michael Kloppenburg kritisierte, dass wir gewohnt seien, Projekte und Erfolge an Zahlen zu messen – etwa die der Gottesdienstbesucher: „Erfolge müssen wir heute anders bewerten. Wir müssen sie an vielen Stellen im Kleinen sehen. Wir brauchen Seelsorge statt Zählsorge“
Agnes Wuckelt resümierte: „Der Weg führt heute davon weg, für andere etwas zu tun. Es geht darum, mit anderen etwas zu tun und andere dadurch zu ermutigen.“ Deshalb wollten sich auch immer weniger junge Menschen in die traditionelle Gemeindearbeit einbinden lassen. Und deshalb seien neue Wagnisse wie eine von Laien organisierte Frauen- oder Jugendkirche der richtige Weg. Christa Mertens ergänzte in ihrem von Applaus begleiteten Schlusswort: „Dann sollte sich aber auch bei den Bischöfen bald etwas tun.“