
90 Schwestern aus zwölf Ländern feiern in Heiligenstadt und Bestwig das Jubiläum der Heiligsprechung Maria Magdalena Postels
„Heiligsprechungen erscheinen heutzutage vielleicht nicht mehr zeitgemäß. Fest steht aber, dass wir Vorbilder brauchen. Und ein solches Vorbild ist Maria Magdalena Postel“, erklärte Generaloberin Schwester Maria Thoma Dikow am Beginn der Messfeier zur Heiligsprechung der Ordensgründerin vor 100 Jahren am Sonntag in der vollen St. Aegidien-Kirche in Heilbad Heiligenstadt. Und ihre französische Kollegin Schwester Léocadie Odile Ngongo fügte hinzu: „Es ist schön, dass wir dieses Jubiläum im Heiligen Jahr, dem Pilgerjahr der Hoffnung, feiern. Denn dieses Jubiläum sollte ein neuer Anfang sein, diese Hoffnung zu leben.“
In Heilbad Heiligenstadt kamen am Sonntag 90 Schwestern aus vier Kontinenten beider Ordenskongregationen zusammen, die sich „Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel“ nennen. Sie leben und arbeiten in Bolivien und Brasilien (Südamerika), der Elfenbeinküste, im Kongo, in Mosambik und Südafrika (Afrika), in Indien, Indonesien und den Philippinen (Asien) sowie in Deutschland und Frankreich, England, Irland, Italien, den Niederlanden und Rumänien.
Zunächst begegneten sich die Schwestern in der Aula der Bergschule St. Elisabeth. Dort stellten sie sich gegenseitig mit Tänzen, Liedern, Kurzvorträgen und Geschenken vor. Am frühen Nachmittag folgte der Gottesdienst. Und abends klang das Fest, zu dem alle Interessierten eingeladen waren, im Klostergarten aus.



Seit 1920 getrennt
Die Schwestern der französischen Kongregation hatten erst wenige Tage vorher ihr Generalkapitel in ihrem Mutterhaus, der französischen Abtei St-Sauveur-le-Vicomte in der Normandie, beendet. Seit 1920 sind die beiden Gemeinschaften rechtlich getrennt. Aufgrund der politisch angespannten Lage zwischen Frankreich und Deutschland nach dem Kulturkampf und dem Ersten Weltkrieg hatten die deutschen Bischöfe dazu geraten, ein eigenes Generalat zu gründen. Das befindet sich seither in Heiligenstadt.
Doch spätestens seit den 1960er Jahren des 20. Jahrhunderts wächst wieder der Austausch untereinander – durch gegenseitige Besuche, Pilgerfahrten und gemeinsame Feiern. Schwester Maria Thoma betont daher: „Wir gehören zwar zu zwei Gemeinschaften, die aber in derselben Spiritualität und in demselben Auftrag leben und arbeiten. Daher wissen wir uns zugleich als eine Gemeinschaft.“
Internationalität als Stärke
Die Internationalität beider Kongregationen setzt dabei zugleich ein wichtiges Zeichen für das Zusammenwachsen der Welt und das Miteinander der Kulturen. Darauf verwies die deutsche Provinzoberin der Europäischen Ordensprovinz, Schwester Johanna Guthoff, vormittags bei der Begegnung in der Aula der Bergschule St. Elisabeth: „Dieses Zeugnis der Einheit in Vielfalt ist wichtig vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation in Europa, wo protektionistische und rassistische Tendenzen zunehmen.“

Zusammen mit der Mitarbeiterschaft der ordenseigenen Einrichtungen und Dienste, die sich aus zahlreichen Nationen zusammensetzt, habe man deshalb eine Kampagne entwickelt: „Gegen Extremismus. Miteinander auf Augenhöhe. Gelebte Vielfalt. Damit Leben gelingt.“ Auch Maria Magdalena Postel habe Menschen in ihrer Verschiedenheit angenommen und wertgeschätzt.
Gründerin blieb voller Hoffnung

Es gebe viel, was man von Maria Magdalena Postel lernen kann, meinte Schwester Maria Thoma: „Sie hat ihr Gottvertrauen und ihre Hoffnung nie aufgegeben. Voller Hoffnung führte sie ihre kleine Gemeinschaft in der Normandie zu den Ruinen der verlassenen Benediktinerabtei St-Sauveur-le-Vicomte und machte sich entschlossen an den Neuaufbau.“
Zeichen dieser Hoffnung sei auch diese Schule, so die deutsche Generaloberin: Trotz Kulturkampf, Weltkriegen, Nazis, Kommunismus und deutscher Teilung seien die Menschen immer wieder hierher zurückgekehrt und hätten von vorne begonnen: „Ungeachtet dessen ist das Relief unserer Ordensgründerin über dem Eingang dieser Schule die ganze Zeit hindurch unauffällig präsent geblieben.“
Ein Anlass, neu anzufangen
Als Pilgerinnen der Hoffnung sollten sich in diesem Jahr die Schwestern verstehen: „Wir wollen nicht nur auf die Vergangenheit blicken, nicht nur an diesen Steinen festhalten. Vielmehr soll dieses Jubiläumsfest ein Zeichen dafür sein, immer wieder neu anzufangen.“

Diesen Gedanken griff auch Probst Marcellus Klaus in der Predigt des Festgottesdienstes auf. Dabei nannte er drei Aspekte der Heiligkeit, die für jeden ein Impuls sein könne: „Zunächst besteht Heiligkeit darin, Gott zu suchen. In unterschiedlichen Phasen des Lebens müssen wir uns immer wieder neu aufmachen, Gott zu suchen.“ Das habe Maria Magdalena Postel in den Jahrzehnten ihres Unterwegsseins eindrucksvoll vorgelebt.
Bis an die Grenzen der Erde
Zudem erinnerte der Propst an das überlieferte Zitat Maria Magdalena Postels „Ich würde bis an die Grenzen der Erde gehen, um einen Menschen für Christus zu gewinnen.“ Die Ordensgründerin habe immer wieder dafür gesorgt, vor allem junge Menschen mit Gott in Berührung zu bringen.



An dieser Stelle erinnerte der Pfarrer sich an die Zusammenarbeit mit Schwester Lucia Maria Schiefner in der katholischen Jugendarbeit im Eichsfeld. „Auch sie hat jungen Menschen Gott verkündet und für Christus gewonnen. Sie hatte jeden Einzelnen im Blick. Ihr Geschenk der Liebe bleibt hier ein Zeichen der Heiligkeit.“
Universalität erleben
Schließlich wandte er sich dem ersten Teil des Zitats zu: „Ich würde bis an die Grenzen der Erde gehen“. Darin spiegele sich die Universalität der Volkskirche wider: „Es gibt nicht nur die sterbende Volkskirche, sondern weiterhin überall auf der Welt Menschen, die ihren Glauben trotz sehr widriger Umstände leben.“ Das müsse Hoffnung machen. Es sei gut, diese Universalität der Kirche bei diesem Fest zu erleben und zu fördern.
Die französische Generaloberin Schwester Léocadie hatte vormittags bereits im Kreise der 90 Mitschwestern aus zwölf Ländern angemahnt: „Es liegt an uns, diese Schritte zu tun.“
Hier weitere Eindrücke vom Festtag – aus der Schulaula, der Kirche und dem Klostergarten:











































