„Geht’s noch?“ – unter diese provokative Fragestellung stellten die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel am Donnerstag, 26. Oktober ihr diesjähriges „Forum Weltkirche“ im Bergkloster Bestwig.
Wie sieht die Zukunft unserer Kirche aus? Wie sollen wir sie gestalten?
Um diese Fragen ging es beim Forum Weltkirche 2023 im Bergkloster Bestwig. Auf Einladung der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel referierten und diskutierten Gäste mit unterschiedlichen weltkirchlich-pastoralen Erfahrungen über die aktuelle Situation, ihre persönlichen Erlebnisse und die Perspektiven der Kirche.
Bischof em. Dr. Michael Wüstenberg berichtete über seine Erfahrungen aus der Diözese Aliwal in Südafrika, die er bis 2017 geleitet hat und wo es riesige Pfarreien mit nur wenigen Priestern gibt. In Südafrika habe die Kirche auf diese Herausforderungen 1998 mit einem großen Pastoralplan reagiert, erläutert Michael Wüstenberg. Dieser wäre auf Initiative von zwei Frauen entwickelt und unter Beteiligung von so vielen Parteien wie möglich für das ganze Land erstellt worden. „Community serving Humanity“ – Eine Gemeinschaft die der Menschlichkeit dient, wäre der Kerngedanke dieses Plans gewesen. Das Kernelement für die gute Aufnahme des Plans in den südafrikanischen Gemeinden sei die große Akzeptanz. „Alle durften zu der Entwicklung des Plans beitragen. Wenn wichtige Entscheidungen anstehen, müssen die Leute miteinander reden. Das Stichwort dafür in Südafrika ist Palaver. Alle Menschen dürfen sich beteiligen, indem sie ihre Bedenken äußern oder ihre Unterstützung kundtun. Der Chief kann nicht einfach so, ohne Beratung entscheiden“, erklärt Wüstenberg. „Ich habe den Eindruck, dass das hier in Deutschland anders ist. Die Entscheidungen kommen oft von oben. Dann geht man in die Gemeinden und sagt ihnen, was sie tun sollen, sie dürfen dann Fragen stellen und dazu nicken. Und dann werden sie ärgerlich.“ Entsprechend sei es wichtig, auch in Deutschland zu aktuellen Fragen und Themen aufrecht, ehrlich und auf Augenhöhe ins Gespräch zu kommen. Wagemut und Kühnheit, ein Kennzeichen der frühen Kirche in der Apostelgeschichte, könnten hier eine wichtige Grundhaltung sein: „Wir müssen einfach mutiger werden!“
Schwester Dorothea Brylak (SMMP) ist seit vielen Jahren in den Niederlanden als Pastoralreferentin tätig. Wichtig sei es aus Ihrer Erfahrung, auf die Menschen zuzugehen. Sie versuche, mit einfachen Angeboten in kleinen Gruppen wieder in Kontakt mit den Menschen zu kommen.
Ein gutes Beispiel sei eine Gruppe von etwa 30 Personen in ihrem Arbeitsumfeld, die regelmäßig zusammenkommt und zu bestimmten, oft kirchlichen Themen mit entsprechenden Aktivitäten wie Basteln einlädt. Danach würde ein Familiengottesdienst ohne Eucharistie gefeiert, denn die Gruppen seien vielfältig. „Da sind Kinder dabei, die sind nicht getauft, Kinder, die evangelisch, Kinder, die katholisch sind. Letztens brauchten wir Messdiener. Die Kinder, die das gerne machen wollten, waren nicht getauft. Kein Problem, das ist der Vorteil von nicht eucharistischen Gottesdiensten, dass man da einen größeren Spielraum hat“, beschreibt Schwester Dorothea. „Wir müssen eine Kirche werden, die aufeinander hört, die einander auf Augenhöhe begegnet, die einander ernst nimmt.“
Dabei sei es wichtig, zu schauen, was die Leute gut können, wo sie sich einbringen können und dabei auch auf kirchenferne Personen zuzugehen. Besonders gut gelinge das bei kleinen, überschaubaren Projekten und Angeboten, die nur eine begrenzte Zeit einnähmen. Neben den Angeboten sei es aber auch wichtig, Orte und Gelegenheiten zu suchen, bei denen man aktiv mit den Menschen ins Gespräch kommen könne. Hochzeiten, Kommunion, aber auch Trauerfälle seien solche Umgebungen.
Jan Hilkenbach ist Diözesanvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend und Mitglied der Synodalversammlung des im Frühjahr 2023 auf nationaler Ebene abgeschlossenen synodalen Wegs in Deutschland. Er sieht die Jugendverbände als „Labor der Demokratie“ in der Kirche, aus dem viele Ideen auf andere Bereiche des großen Hauses Kirche überspringen könnten.
Besonders wichtig sei den Jugendlichen die Möglichkeit der Beteiligung, der Machtkontrolle und letztendlich Transparenz. In den eigenen Satzungen der Jugendverbände sei das immer so geregelt. Viel funktioniere dabei über das Leiten in Teams. Dann werde zwar oft viel diskutiert, aber es sei auch extrem bereichernd, gemeinsame Entscheidungen zu treffen. „Wir sind damit nicht nur Objekte in Kirche, sondern wir beginnen zu produzieren, wir werden zu Subjekten des Ganzen und damit gestalten wir Gesellschaft und Kirche ganz aktiv mit. Allerdings brauchen wir dabei eine höhere Fehlertoleranz, denn wir müssen viel ausprobieren, und wir müssen das noch aktiver tun.“
Überall sei immer wichtig, den Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, sie ernst zu nehmen und herauszuholen, was in den Menschen stecke, bestätigt auch Schwester Dorothea. Das decke sich mit den Erfahrungen, die sie aus ihren Kontakten zu den Schwestern in Bolivien, Brasilien, Mosambik und Rumänien ziehen könne. Dabei seien es gerade demokratische Entscheidungsstrukturen, die dazu beitrügen, Begeisterung für Kirche auszulösen. Wenn man dann noch den Menschen das Gefühl gebe, ihr dürft so sein, wie ihr seid, sei viel gewonnen.
Das sei euch ein Grund, mit dem man die Begeisterung, die in den kleinen Gemeinden in Afrika herrscht, erklären könne, so Michael Wüstenberg. „Die Personen, die dort viele verschiedenen Dienste, wie Sonntagsgottesdienste, Beerdigungen, Katechese und Sozialdienste begleiten, werden nicht vom Pfarrer ausgesucht, sondern von den Gemeinschaften, nach ihren Begabungen und Talenten. Den Leuten mache es einfach Freude, in ihren Diensten dabei zu sein und Dinge mit entscheiden zu können.“
In den Jugendverbänden gehe vieles über das Thema Gemeinde und Gemeinschaft, so Jan Hilkenbach. Es gebe immer noch ein großes Interesse unter den Menschen, miteinander Gemeinschaft zu bilden und zu gestalten.
Wichtig sei es deshalb, zunächst Angebote zu machen, auch für Menschen, die mit dem Thema Glauben nicht viel anfangen könnten. Aber so entstünden Berührungspunkte mit Kirche. Der Glaube könne dann in solchen Gemeinschaften entdeckt werden und wachsen.
Für die Weiterentwicklung der Kirche ist auch die aktuelle Rolle der Frauen von besonderer Bedeutung. In Aliwal, der Diözese in Südafrika, die Bischof em. Dr. Michael Wüstenberg geleitet hat, seien schon länger zwei Drittel der Gottesdienstleiter weiblich, und man habe sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Es sei schade, dass man diese Frauen nicht weihen könne. Aber Frauen und Laien dürften dort zumindest fast alles, was nicht mit der Weihe verbunden sei. Gottesdienste mit Kommunionausteilung seien auch ohne Priester möglich. Und für das Sakrament der Krankensalbung habe man eine Alternative entwickelt. „Angesichts sakramentaler und eucharistischer Not verlangt die Situation Kreativität“, sagt der emeritierte Bischof.
Die fehlende Partizipationsmöglichkeit der Frauen stehe im totalen Widerspruch dazu, wie die Jugendverbände in den vergangenen Jahrzehnten unterwegs seien, meint auch Jan Hilkenbach. Hier brauche es eigentlich eine Kirche, die mit Siebenmeilenstiefeln vorangehe. Derzeit gebe es aber maximal kleine Tippelschritte.
Die Menschen müssen miteinander reden – auf Augenhöhe. Dies war eine Kernaussage, die sich in allen Vorträgen der Podiumsteilnehmer wiederfand. In diesem Sinne wurde die Veranstaltung mit einem kleinen Imbiss und vielen interessanten Gesprächen abgerundet.