Schwestern feiern beeindruckende Ordensjubiläen – ihre Biografien zeigen, wie sie sich für andere, aber auch die eigene Gemeinschaft eingesetzt haben
28 Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel blicken in diesem Jahr auf 75, 70, 65, 60, 50 und 40 Jahre Ordensleben zurück. Am Samstag feierten die meisten von ihnen im Kreise von über 100 Mitschwestern ihr Jubiläum im Bergkloster Bestwig. „Und das tun wir mit großer Dankbarkeit. Aber auch mit Zuversicht“, sagt die frühere Generaloberin Schwester Aloisia Höing, die der Gemeinschaft selbst seit 60 Jahren angehört.
„Als ich 1963 in die Gemeinschaft eintrat, gab es bei uns in Weseke im Münsterland vielleicht einen Fernseher im Ort. Kaum jemand hatte ein Telefon zu Hause“, erinnert sich Schwester Aloisia. Und Schwester Maria Dolores, die lange Jahre Geschäftsführerin der SMMP-Schulen und Generalökonomin war, erinnert sich an die Situation in ihrem Heimatdorf Seelbach unweit von Bad Ems: „Da gab es im Dorf mit 400 Einwohnern auch nur ein einziges Auto.“ Schwester Maria Dolores trat gleichzeitig mit Schwester Aloisia in die Gemeinschaft ein. Ihr zweijähriges Noviziat zu Beginn der Ordensausbildung absolvierten die beiden in Geseke – und das mit 13 weiteren Novizinnen.
„Sogar im neu gebauten Bergkloster Bestwig war Anfang der 1970er Jahre noch ein ganzer Gebäudeflügel für das Noviziat vorgesehen“, erklärt Schwester Aloisia. Sie selbst leitete diesen Bereich der Ordensausbildung dort von 1971 bis 1990. Vieles hat sich seitdem geändert. Nicht nur, dass heute deutlich weniger Schwestern eintreten und der Gebäudeflügel inzwischen anders genutzt wird – unter anderem für eine Senioren-WG.
„Ich erinnere mich, als Schwester Maria Dolores mir den ersten Computer angekündigt hat und ich antwortete: ‚So etwas will ich nicht haben und brauche es auch nicht‘“, blickt Schwester Aloisia zurück. Heute aber hätten fast alle Schwestern ein eigenes Telefon, mehrere zudem ein Handy und viele einen Computer. „Dadurch hat sich die Kommunikation in unserer Gemeinschaft und das Zusammenleben enorm gewandelt.“
Geht damit aber nicht auch viel von der Kontemplation und dem ursprünglichen Charakter des Ordenslebens verloren? Ja und nein, sind sich Schwester Maria Dolores und Schwester Aloisia einig. Zwar gibt die frühere Generaloberin zu: „Als wir das Klosterleben im Noviziat kennengelernt haben, war klar: Um viertel nach neun abends ist das Licht aus. Um sechs Uhr wird wieder gebetet. Der Tag war strukturierter.“ Doch Schwester Maria Dolores ergänzt: „Das Mehr an Kommunikation, vor allem mit unseren Schwestern in den anderen Ländern, ist auf jeden Fall ein Gewinn.“
Mit 96 Jahren noch im Einsatz
Der internationale Charakter der Gemeinschaft werde dadurch lebendiger: „Als meine leibliche Schwester Maria Ludwigis als Missionarin nach Brasilien ging, ging sie für immer. Wir wussten nicht, wann und ob wir sie noch einmal wiedersehen.“ Schwester Maria Ludwigis blickt 2023 gar auf 75 Jahre Ordensleben zurück. Sie hatte in Brasilien unter anderem den Kindergarten Sagrada Familia aufgebaut und betreut in ihrem kleinen Büro bis heute – inzwischen 96 Jahre alt – zahlreiche Familien, die um Nothilfe bitten.
Während die Ordensgemeinschaft früher im Wesentlichen über Briefe, die wochenlang unterwegs waren, erfahren habe, was in Brasilien oder Bolivien passiert, schreiben sich Schwester Maria Ludwigis und Schwester Maria Dolores häufig WhatsApp-Nachrichten. Telefonieren ist ebenfalls kein Problem. Und das passiert – aufgrund der großen Zeitverschiebungen – natürlich auch schon mal nach neun Uhr abends.
Selbst das interkontinentale Reisen ist unkompliziert geworden. Erst in der vergangenen Woche waren die Schwestern aus Brasilien, Bolivien und Rumänien zur Generalratssitzung in Deutschland. Seit über 25 Jahren entsendet die Gemeinschaft junge Menschen als Missionarinnen und Missionare auf Zeit in die eigenen Ordensniederlassungen nach Brasilien, Bolivien, Mosambik und Rumänien. Auch sie geben von dort aus wertvolle Erfahrungen an die Schwestern weiter. Und nicht zuletzt sind seit einigen Jahren regelmäßig zwei Schwestern aus Mosambik jeweils für zwölf Monate als „Incomer“ in Deutschland, um sich hier weiterzubilden. Zwei Bolivianerinnen waren ebenfalls schon für ein Jahr hier. Diese Formen der Begegnung und des Mitlebens gab es früher nicht. „Gefühlt sind wir heute viel internationaler“, freut sich Schwester Aloisia.
Dass sich das Ordensleben in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert hat, hat allerdings noch andere Gründe. „Wesentliche davon liegen im Zweiten Vatikanischen Konzil“, so die 79-Jährige. Das hatte gerade begonnen, als sie und Schwester Maria Dolores in die Gemeinschaft eintraten.
„Bis dahin war die Kirche autoritärer geprägt und mehr auf Uniformität aus. „Dass wir als Schwestern alle einen Beruf erlernt haben, größere individuelle Freiheiten genießen und eigene Vorstellungen innerhalb der Gemeinschaft verwirklichen können, ist den Vereinbarungen dieses Konzils zu verdanken,“ blickt Schwester Aloisia dankbar zurück.
Loslassen ist ein Prozess
Und auch das Miteinander mit den Mitarbeitenden in den eigenen Ordenseinrichtungen und -diensten sei ein Prozess, der erst dadurch wirklich in Gang gekommen sei. „Früher war gefühlt alles ‚Unseres‘. Selbst in einem Krankenhaus wie in Viersen-Süchteln, das der Ordensgemeinschaft nie gehörte, genoss der Konvent mit bis zu 50 Schwestern eine Sonderstellung.“ Inzwischen haben die Schwestern alle Einrichtungsleitungen abgegeben. Nur noch an wenigen Standorten gibt es Konvente.
„Wir mussten lernen, uns in diesen Einrichtungen unter- und einzuordnen. Dafür gibt es jetzt aber einen guten Dialog auf Augenhöhe mit den weltlichen Mitarbeitenden.“ Den erfährt Schwester Aloisia bei den Jahresgesprächen, den Einführungstagen für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder den Führungskräfte-Tagungen: „Ich staune immer, welche Anfragen sie an uns stellen und wie sie sich aus ihrer Sicht mit dem Leben und Auftrag unserer Ordensgründerin auseinandersetzen.“ Das sei ein Gewinn: „Ich finde, dass unser Ordenscharisma dadurch noch wertvoller wird.“
Ohne weltliche Fachkräfte käme die Ordensgemeinschaft heute selbst in ihrer originären Arbeit kaum aus. „Zum Beispiel in der Verwaltung oder in der Bergkloster Stiftung SMMP, die das Fundraising zugunsten unserer internationalen Arbeit organisiert“, nennt Schwester Maria Dolores Beispiele.
Und durch die Verbindungen zu den Einrichtungen entstünde Neugierde bei den Schwestern, beobachtet die frühere Generalökonomin. Der Wettbewerb ‚SMMP verbindet‘ zeichnet Ideen aus, die das Ordenscharisma in den Einrichtungen lebendig halten sollen – „und die Heftchen mit den Wettbewerbsbeiträgen habe ich schon alle an Schwestern verteilt. Immer wieder haben welche danach gefragt.“
Schade finden Schwester Aloisia und Schwester Maria Dolores lediglich, dass die Ordensfrauen durch die zurückgehende Zahl von Konventen für die Bevölkerung weniger erfahrbar sind. „Für mich waren die Schwestern in Weseke ein Vorbild für gelingendes Leben. Ich habe dort meine Berufung gespürt und deshalb bin ich eingetreten“, sagt Schwester Aloisia. Ähnlich erging es Schwester Maria Dolores mit den Schwestern im Krankenhaus in Bad Ems, wo zwei ihrer Geschwister in der Ausbildung waren.
Mit offenen Konventen, wie sie jetzt in Heiligenstadt, Bestwig und Kassel eingerichtet wurden, wolle man das wieder punktuell ändern. „Hier können interessierte Frauen einfach mal ein paar Tage verbringen und mitleben. Das ist sicher der richtige Weg“, blickt Schwester Aloisia zuversichtlich in die Zukunft. Die Gemeinschaft sei bisher immer mit der Zeit gegangen und habe in geschichtlich schwierigen Situationen mit ihren Charismen bisher immer neue Perspektiven gefunden. Das erfordere vollen Einsatz. Augenzwinkernd verrät Schwester Maria Dolores dafür ihr Motto: „Treten fürs Beten“.
Vielfältige Charismen
Wie vielfältig diese Charismen sind, zeigt sich durch die Schwestern, die in diesem Jahr ihr Jubiläum feiern: Darunter sind ehemalige Schulleiterinnen wie Schwester Maria Barbara Schneiders (75 Jahre Ordensleben), jahrzehntelang am Engelsburg-Gymnasium in Kassel tägig, oder Schwester Maria Hildegard Schültingkemper (60 Jahre), bis 2003 Leiterin des Berufskollegs Canisiusstift in Ahaus. Ebenso sind darunter Schwester Walburga Maria Thomes, die das Bergkloster Bestwig als Ikebana-Meisterin bis heute durch ihre Blumenkunst prägt, oder Schwester Irmgardis Vitz (beide 60 Jahre), die noch immer zugunsten der Missionsarbeit der Ordensgemeinschaft im Klosterkeller Hustensäfte anrührt und Marmeladen einkocht. Diamant-Jubilarin Schwester Ludgera vom Kreuz Lürick war Pflegedienstleiterin im Haus Maria in Geseke und Schwester Alwine Langela (ebenfalls 1963 eingetreten) jahrzehntelang in der Mission in Brasilien. So ließe sich die Liste der 28 Jubilarinnen mit vielen eindrucksvollen Biografien füllen.
„Kommt und seht“
In seiner Predigt während des Dankgottesdienstes ging Pater Maurus Runge OSB auf jenen ganz persönlichen Moment ein, der in der Krönungszeremonie Karls III. vor den Augen der Welt verborgen wurde. Während der Salbung stand der neue König allein vor seinem Gott. Es ging nur um ihn, den neuen König. Einen ähnlichen Moment haben, so Pater Maurus, auch die heutigen Jubilarinnen erfahren, als sie ihrer Berufung folgten und es nur um sie ging. Bestimmt hätten viele auch darüber nachgedacht, ob die Stimme, die sie hören, wirklich vom Heiligen Geist komme und nicht vom eigenen Vogel, den wir oft für den Heiligen Geist halten.
„Kommt und seht“, habe Jesus zu den Jüngern am Jordan gesagt, die wissen wollten, wer er sei und wo er wohne. So seien auch die Schwestern gekommen, um zu sehen. Und wenn man auch nach 70 Ordensjahren immer noch Suchender sei, so habe man doch eines gefunden: eine Heimat.
Den Wert dieser Heimat betonte auch Generaloberin Schwester Maria Thoma Dikow in ihrer Ansprache. „Dass wir umeinander wissen und gegenseitig an unserem Leben Anteil nehmen, ist ein ganz wesentlicher Zug des geistlichen Gemeinschaftslebens.“
„Leben wir ein Leben des Glaubens und der Nächstenliebe. Um auf diesem Weg zu bleiben, müssen wir nur alle Dinge mit den Augen des Glaubens sehen und in allem seinem göttlichen Licht folgen.“
Selige Placida Viel
Unter den „Augen des Glaubens“ verstehe sie die Fähigkeit, hinter dem sichtbaren Verhalten des anderen eine geliebte Tochter, einen geliebten Sohn Gottes zu entdecken. „Wenn wir es üben, andere so zu sehen, werden wir auch spüren, worin die Nächstenliebe gerade ganz konkret besteht“, so Dikow. Manchmal sei man ja versucht, geistliches Leben und den Einsatz für die Gemeinschaft zu trennen. Hier könne die selige Martha Le Bouteiller, ein Vorbild sein. Von ihr hieß es: „Sie war ganz bei Gott und ganz bei ihrer Aufgabe.“ Die selige Martha Le Bouteiller zeige, dass beides zusammengehöre. „Ich gebe mich in meine Aufgabe ebenso wie ins Gebet hinein, mit allem, was zu mir gehört, mit meinen Fähigkeiten, meinen Schwächen, meinem Leiden und meinen Freuden.“