Spiritueller Impuls von Generaloberin Schwester Maria Thoma Dikow
„Die Kirche“ hat derzeit kein gutes Image, sie steckt in einer Dauerkrise – so wenigstens nehmen es viele hier in Deutschland wahr. Seit über zehn Jahren werden wir mit immer neuen erschütternden Nachrichten über sexuellen Missbrauch von Kindern und Schutzbefohlenen durch Priester und kirchliche Mitarbeiter konfrontiert. Wieviel Leid wurde Menschen angetan, die ihren Seelsorgern, Erziehern, Lehrern vertrauten! Welch lange, oft verschwiegene Leidensgeschichten zogen die Taten nach sich! Umso trauriger und wütender macht mich die gar nicht oder nur mangelhaft wahrgenommene Verantwortung seitens mancher Bischöfe und anderer Personalverantwortlicher.
Was hat das mit mir zu tun? Ich bin Teil dieser Kirche, ich lebe als Ordensfrau mit dieser Kirche. Also bin ich mitverantwortlich – nicht dafür, was andere getan oder versäumt haben, aber dafür, dass solches nicht immer neu passieren kann.
Als eine Antwort auf den Missbrauchsskandal wurde in der katholischen Kirche Deutschlands 2019 der „Synodale Weg“ ins Leben gerufen. Bischöfe, Priester, Ordensleute, engagierte Frauen und Männer aus den unterschiedlichsten Bereichen des kirchlichen Lebens suchen gemeinsam nach Ursachen dafür, wie es zu diesen schrecklichen Taten kommen konnte, und nach Wegen, wie sie besser zu verhindern sind. Da kann es nicht nur um ein paar Schönheitsreparaturen gehen.
Ich bin froh, dass es diesen Synodalen Weg gibt, dass endlich miteinander gesprochen, gerungen, gesucht wird. Dass „die da oben“ und „die da unten“ einander zuhören. Dass sich unsere Kirche in Deutschland auf den Weg gemacht hat. Dass erste konkrete Reformvorhaben angepackt werden.
Machtmissbrauch durchbrechen, Unrecht aufarbeiten
Aber nochmal: Was hat das mit mir zu tun? Ich habe die Frankfurter Erklärung für eine synodale Kirche mitunterzeichnet, die einige Mitglieder der Synodalversammlung veröffentlicht haben. Warum? Weil dort Ziele zur Sprache kommen, die ich mitverwirklichen möchte: Machtmissbrauch zu durchbrechen, geschehenes Unrecht aufzuarbeiten, Menschen in ihrer Vielfalt und Verschiedenheit gelten zu lassen. Vor allem aber dort, wo ich stehe, den Stil der Synodalität, das heißt des Aufeinander-Hörens, des gemeinsamen Beratens und Entscheidens zu pflegen.
Allerdings: Einfach eine Erklärung zu unterzeichnen, ist zu billig. Synode – das heißt übersetzt: gemeinsam auf dem Weg sein, zusammen gehen. Unsere Ordensgemeinschaft ist eine internationale, und als solche leben wir in sehr unterschiedlichen Welten, Kulturen, auch in sehr verschiedenen kirchlichen Kontexten. Wir werden im Juli unser Generalkapitel feiern: Schwestern aus Deutschland und den Niederlanden, aus Bolivien und Brasilien, aus Rumänien und Mosambik werden zusammenkommen und miteinander den Weg unserer Ordensgemeinschaft für die nächsten Jahre suchen. Wie können wir unsere Berufung glaubwürdig leben? Für wen wollen wir da sein? Wie wollen wir auf die Fragen unserer Zeit antworten?
Zuhören und voneinander lernen
Synodalität heißt in diesem Kontext zunächst, einander genau zuzuhören, bereit zu sein, voneinander zu lernen, eigene vorgefasste Meinungen zu revidieren, Hintergründe verstehen zu lernen. Es beinhaltet dann, Tendenzen und Beweggründe gut zu unterscheiden, und schließlich zu Entscheidungen zu finden, die alle mittragen können. Das alles geht nur in einer Haltung des Gebetes, des Hörens auf das, was Gottes Geist uns heute sagen will. So schließt auch die erwähnte Erklärung mit dem Satz: „Wir bleiben einander im Gebet verbunden und ziehen daraus die Kraft, dem Geist Gottes zu folgen, der lebendig macht.“
Schwester Maria Thoma Dikow, Generaloberin der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel