Beim Aufräumen fand ich gestern eine ausführliche Telefonnotiz vom 12.12.2016. Irgendwie hatte ich damals erfahren, dass Frau Ruhl* im Altenheim Rosengarten in Bückeburg lebte.
Frau Ruhl war drei Jahre vorher als 92-Jährige bei uns zu Gast gewesen und hatte einen tiefen Eindruck in meiner Seele hinterlassen.
Warum? Als Mädchen sei sie im Internat gewesen und lobte, wie die Schwestern ihre Fähigkeiten entdeckt und gefördert hätten. Mit ihrem Gesang und ihrem schauspielerischen Talent habe sie bei diversen Auftritten im Heim großen Applaus geerntet. Seit ihrem 22. Lebensjahr habe sie zusammen mit Ihrem Mann international bei akrobatischen Aufführungen mitgewirkt. Ganz aufgeregt kramt Frau Ruhl ein Foto aus ihrem Täschchen von einer Veranstaltung in Ägypten: Ihr Mann mit einer langen Stange auf der Nase und sie am freien Ende turnend.
Seit ihrem Showgeschäft habe sie den Kontakt zur Kirche verloren. Sie möchte soooo gern – nach 70 Jahren! – wieder kommunizieren. Den Wunsch äußerte sie in wenigen Tagen immer wieder. Mit großer, wachsender Sehnsucht. Zufällig saß am gleichen Tisch eine Dame, die mich fragte, ob sie mit einem Pater sprechen könne. Da Frau Ruhl das mithörte, wandte ich mich zu ihr: „Wollen Sie sich vielleicht anschließen?“ Ein klares und entschiedenes: „Nein“. Zwei Tage später kommt sie in den Speiseraum und strahlt; die Apostel auf dem Berg Tabor werden es kaum intensiver erlebt haben.
Als ich Frau Ruhl drei Jahre danach, inzwischen 95-jährig, anrief, erzählte sie, dass sie im Heim und fast blind sei. „Hier gibt es keine Kapelle. Aber ich bin glücklich, weil ich so sehr an den Herrgott glaube. Bei Ihnen habe ich kommuniziert, dann nicht mehr. Ich habe einen Vater – dort oben. Ich habe einen Bruder – Jesus. Ich habe den Heiligen Geist, der immer da ist.“ Auf meine Frage, ob sie Angst vor dem Altwerden habe: „Ich habe keine Angst. Meine Mutter war Zeugin Jehovas, beschwor Geister, hatte zu Hause Angst. Ich fühl mich so, so sehr geborgen. Es ist nicht lange, dann sehe ich IHN. Ich habe IHN gefunden. Ich habe keine Angst mehr. Ich freue mich so sehr. Einfach schön. Die Tränen laufen mir schon …“
Sr. Maria Ignatia Langela
* Name geändert