Impuls von Schwester Bernadette Maria Blommel
Persönlich fühle ich mich durch die Vorschriften um und mit Corona um viele Möglichkeiten beraubt. Seelsorgliche Arbeit mit kranken und sterbenden Menschen und auch mit Angehörigen lebt von Nähe und Zuwendung und nicht vom Abstand halten, von einem Händedruck, Hände halten, einem tröstenden In den Arm nehmen, dem Auflegen der Hand auf die Schulter, einem Segenskreuzchen auf die Stirn.
Doch im Moment ist mein zur Verfügung stehendes Repertoire sehr begrenzt. Obwohl ich, besonders auch nach meiner Arbeit in der Uniklinik in Essen, reichlich Erfahrungen in seelsorglichen Notsituationen habe, fühle ich mich in der Corona-Krise oft wie eine blutige Anfängerin. Es gibt eben für menschliche Nähe und Zuwendung unter den gegebenen Umständen keinen adäquaten Ersatz.
Es ärgert mich, wenn Menschen das leichtfertig abtun und sagen: „Das können wir alles nachholen.“ Das stimmt nicht. Wenn ich heute traurig bin, möchte ich heute in den Arm genommen werden und nicht in einem halben Jahr. Mir bleibt als Seelsorgerin meine Sprache. Eine Sprache der Liebe und Zuwendung, die in solchen Extremsituationen oft nicht aus Worten besteht.
Gefahr von Vereinsamung und Depression
Alle Welt redet von den mit Corona infizierten Menschen, aber kaum von den anderen Kranken. Zum Beispiel jenen mit einem Herzinfarkt, einem Schlaganfall, einem Autounfall oder einer Fehlgeburt, die ja auch im Krankenhaus sind und extrem unter dem derzeitigen Besuchsverbot leiden. Ich bin mir sicher, dass diese „Kollateralschäden“ weitaus mehr Leid bringen, als wir uns derzeit vorstellen können. Nicht, dass ich die Notwendigkeit von Abstand halten, verpflichtender Mund-Nasenschutzmaske, Isolierungen, Besuchsverbot und Reglementierungen um andere vor Infektionen zu schützen, bestreite. Aber das andere sehe ich eben auch täglich, und das macht mich sehr nachdenklich, hilflos und auch traurig. Ich sehe, dass Menschen, in Krankenhäusern und Altenheimen vereinsamen, depressiv werden, keinen Sinn mehr in ihrem Leben sehen und immer häufiger ganz alleine sterben. Auch das macht Corona mit uns.
Überwältigt bin ich von der Unterstützung aus den Dorstener Gemeinden. Viele hilfsbereite Frauen nähen für uns Mund-Nasenschutzmasken, andere haben Ihre Dienste in der Pflege angeboten. Auch die Seelsorgerinnen und Seelsorgern des Dekanates bieten im Falle eines Falles vor Ort im Krankenhaus am Telefon seelsorgliche Unterstützung an. Dieses Zeichen „im Notfall bin ich nicht allein!“ hat mir sehr gut getan.
Ich wünsche mir, dass die Coronakrise uns trotz „Abstand-halten“ näher zusammenbringt und dem Leben gegenüber ein Stück achtsamer und wesentlicher macht.
Schwester Bernadette Maria Blommel ist Klinikselsorgerin am St. Elisabeth-Krankenhaus in Dorsten.