Missionarisches Forum diskutierte am Freitagabend die Bedeutung des internationalen Freiwilligendienstes
„Vielleicht ist der Freiwilligendienst im Ausland wichtiger als je zuvor“, mutmaßt die Vorsitzende der katholischen Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe e.V., Dr. Claudia Lücking-Michel. Das zeige die derzeitige Flüchtlings-Problematik: „Wer ein solches Auslandsjahr gemacht hat, weiß, was es bedeutet, sich in einer anderen Kultur und in einer anderen Sprache zurechtzufinden. Das führt unweigerlich dazu, dass wir Fremden viel aufgeschlossener begegnen.“
Die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel senden bereits seit 20 Jahren Missionarinnen und Missionare auf Zeit nach Brasilien und Bolivien und seit nicht ganz so langer Zeit auch nach Mosambik und Rumänien aus. Aus diesem Anlass haben sie alle 307 Frauen und Männer, die über ihre Gemeinschaft ein Auslandsjahr absolviert oder als Senior-Volonteers für mehrere Monate in einem Projekt mitgearbeitet haben, an diesem Wochenende ins Bergkloster Bestwig eingeladen.
Bereits am Freitagabend fand zu diesem Thema das diesjährige Missionarische Forum statt. Dabei diskutierte Moderator Winfried Meilwes mit der Hauptreferentin Dr. Claudia Lücking Michel und dem Leiter des Referats Weltmission beim Erzbistum Paderborn, Ulrich Klauke, sowie den beiden ehemaligen MaZ Eva Wiegert und Tobias Dingwerth über das Thema „Leben lebt vom Aufbruch. Was leisten internationale Freiwilligendienste für eine gerechtere Welt?“ Die Antwort darauf ist nicht einfach.
Erwartungen seriös klären
In ihrem Referat stellte Lücking-Michel, die auch stellvertretende Vorsitzende des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken ist, heraus, wie wichtig die Vor- und Nachbereitung dieses Einsatzjahres ist, und dass zwei seriöse Partner die Ziele und Erwartungen miteinander geklärt haben müssen: „Keinesfalls dürfen wir Menschen dafür instrumentalisieren.“
Ist der Auslandsdienst eher ein entwicklungspolitischer oder nicht vielmehr ein bildungspolitischer, fragte die ehemalige Missionarin auf Zeit Charlotte Erbach. Steht also die Hilfe im Ausland im Vordergrund oder nicht vielmehr das eigene Lernen?
Eva Wiegert und Tobias Dingwerth bestätigten, dass sie mit reichen Erfahrungen zurückgekehrt seien, die ihr weiteres Leben prägten. So hat sich der Arzt Tobias Dingwerth zum Beispiel im Bereich Tropenmedizin weitergebildet und Eva Wiegert studiert jetzt die Kunstgeschichte Afrikas. Tobias erinnert sich: „Ich bin zweimal in die Fremde geraten. Das erste Mal, als ich in Oruro in Bolivien ankam, auch wenn ich dort herzlich empfangen wurde und mich schnell eingelebt habe. Aber ein zweites Mal, als ich zurückkam. Das war ein Kulturschock für mich.“
Eigene Kultur hinterfragen
Erst im Rückblick werde deutlich, was man erlebt habe. Und erst dann hinterfrage man auch seine eigene Kultur kritisch, unterstrich Claudia Lücking Michel. Sie selbst hatte vor 40 Jahren nach ihrem Abitur am Walburgisgymnasim in Menden ein Jahr in Rom in einer Kindereinrichtung mitgearbeitet. „Und damals war ich wirklich weg. Die Post aus Deutschland kam nach einer Woche, Telefonieren war viel zu teuer, die Tagesschau außer Reichweite und Skypen längst noch nicht möglich.“ Organisationen, die ein freiwilliges Auslandsjahr anboten, gab es noch nicht: „Also hatte ich das mit meinen Eltern privat organisiert.“
Inzwischen gebe es ein breit gefächertes Angebot für Einsätze im Ausland. „Und wenn Ihre Ordensgemeinschaft das bereits seit 20 Jahren anbietet, ist das ein Grund, zu feiern. Die Orden waren Vorreiter dieser Entwicklung gewesen. Dazu gratuliere ich Ihnen“, so Claudia Lücking-Michel.
Ulrich Klauke bestätigte, dass die Grundmotivation der ersten Missionare auf Zeit viel idealistischer und politischer gewesen sei. „Heute sind sie vielschichtiger und individueller. Gleichzeitig steigen die Erwartungen, dass alles geregelt wird, was es für die Anbieter solcher Auslandsdienste nicht einfacher macht.“
Wichtiger Erfahrungsschatz
Aber nach wie vor sei es für die Weichenstellungen in Politik und Gesellschaft wichtig, dass es Menschen mit diesem Erfahrungsschatz gebe – „zum Beispiel auch jetzt bei den Koalitionsverhandlungen, wenn es um Klimaschutz, Obergrenzen und Fragen der Globalisierung geht“, unterstrich Lücking-Michel, die von 2013 – 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages war. Insofern habe der Freiwilligendienst im Ausland sehr wohl entwicklungspolitische Relevanz.
„Vielleicht ist es heute auch noch wichtiger, dass wir nicht nur in den globalen Süden reisen, sondern dass es einen umgekehrten Austausch gibt“, erklärte die AGEH-Vorsitzende. Aus diesem Grund sei neben dem Outgoing das Incoming eingeführt worden. Die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel haben in diesem Jahr erstmals vier jungen Menschen aus Mosambik und Brasilien ein solches Auslandsjahr in Deutschland ermöglicht.
„Wir können uns das Flugticket in den Süden leisten. Umgekehrt ist die Situation ganz anders. Wenn wir einen interkulturellen Austausch fördern wollen, muss der jedoch beidseitig stattfinden“, so Lücking-Michel. Und sie ermahnte die Kirche zu klären, wie sie diesen Erfahrungsschatz als Weltkirche nutzen kann, damit das Auslandsjahr als Missionarin oder Missionar auf Zeit nicht nur für jeden Einzelnen eine persönliche Bereicherung bleibt.
Was bewirkt der Einsatz?
Letztlich stand die Frage im Raum, ob die Freiwilligendienstler auch durch ihre Tätigkeit am Einsatzort etwas bewirken können. Sie sind höchstens ein Jahr vor Ort und machen dann schon wieder einem anderen Platz, wie eine Besucherin kritisch bemerkte. Iris Nefferdorf, die zu den ersten vier ausgesandten MaZ der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel im Jahr 1997 zählte, beantwortet diese Frage aber eindeutig mit „Ja“. Sie hatte in der Kindercréche der Ordensgemeinschaft in der brasilianischen Stadt Leme mitgearbeitet und sagt: „Wenn diese Kinder spüren, dass wir uns für sie interessieren und ihnen Vertrauen schenken, ist das eine Erfahrung, die sie nie vergessen.“ Gerne gebe sie diese Erfahrung heute an Erzieherinnen weiter, die sie inzwischen ausbildet.
Mit ihrem Mann und mit ihren eigenen Kindern war sie ebenfalls schon in Brasilien: „Sie sind jetzt zwölf und 15. Und beide wollen auch einmal Missionar auf Zeit werden. Das scheint für sie schon festzustehen.“ So wird diese Erfahrung also auch von Generation zu Generation weitergegeben.
Darüber tauschten sich die rund 60 bereits am Freitagabend angereisten Missionare auf Zeit aus dem ganzen Bundesgebiet beim anschließenden Abend der Begegnung noch lange aus. Am heutigen Samstag wird es dann Rückblicke auf die Entwicklung verschiedener Projekte geben, in denen sie tätig waren. Und einen Ausblick in die Zukunft – bevor der Tag mit einem musikalisch selbst gestalteten Gottesdienst abschließt.
Ein weiterer Bericht darüber folgt. »