Schwestern übergeben Kinderdorf Cristo Rey an die Augustiner
Die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel übergeben die Aldea Cristo Rey in Cochabamba/Bolivien in diesem Sommer an die Gemeinschaft der bolivianischen Augustinerpatres. Wie Generaloberin Schwester Maria Thoma Dikow erklärt, erfolge der Trägerwechsel aus politischen Gründen. Das Wichtigste sei, dass die Arbeit im Sinne der etwa 200 dort lebenden Kinder und ihrer meist im Gefängnis lebenden Eltern fortgeführt werde.
„Wir tun uns sehr schwer, die Verantwortung für die Aldea abzugeben, denn sie ist uns sehr ans Herz gewachsen“, gibt Schwester Maria Thoma zu. In einem Brief hat sie sich bereits an alle Förderer in Deutschland gewendet und den Schritt erklärt. Übergabetermin ist der 1. August. Damit folgt die Ordensgemeinschaft vor allem dem Wunsch des neuen Diözesanbischofes Oscar Céspedes.
In den vergangenen acht Jahren hat die vom Generalat eingesetzte deutsche Leiterin des Kinderdorfes, Petra Sadura, das Kinderdorf mit ihrem Team weiterentwickelt und umstrukturiert: Lebten bis 2008 zeitweise über 600 Kinder in den Gruppenhäusern, waren es seitdem zwischen 150 und 300. „Nur so konnte eine sinnvolle pädagogische und psychologische Betreuung geleistet werden. Das war uns wichtig“, erklärt die frühere Generaloberin und heutige Leiterin der Missionszentrale der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel, Schwester Aloisia Höing.
Sie sagt: „Petra Sadura gilt unser Respekt und unser Dank für die geleistete Arbeit. Die konnten wir – auch dank der großen Unterstützung aus Deutschland – sehr erfolgreich gestalten.“ Im Juli gibt Petra Sadura ihre Aufgabe als Leiterin der Aldea ab und kehrt nach Deutschland zurück.
Viele Kinder kamen aus dem Gefängnis
In der Aldea leben vor allem Kinder inhaftierter Eltern. Da die Häftlinge nur unzureichend versorgt werden, ziehen die Familien oft als Freigänger mit in die Gefängnisse ein. Die Sozialarbeiterinnen des Kinderdorfes holen die Kinder heraus, um sie einerseits vor sexuellen Übergriffen und Gewalt zu schützen und ihnen andererseits eine Schulbildung und einen möglichst normalen Alltag zu ermöglichen. Auch gibt es in der Aldea Psychologinnen und Psychologen. Dabei achtet das Team darauf, dass der Kontakt zu den Eltern nicht abreißt.
Jetzt ergab sich eine neue Situation: Die beiden Gründer des Kinderdorfes, Schwester Ingrid aus Deutschland und Pater Erik aus der Schweiz, hatten noch bis 2015 die benachbarten Werkstätten zur beruflichen Förderung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen weitergeführt, dann aber aus Altersgründen an die Augustiner abgegeben. Erst seit Anfang 2016 tragen die Augustiner auch die Verantwortung für die Schule direkt neben der Aldea. Das Colegio Suizo Alemán war von der bolivianischen Ordensprovinz der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel 2011 übernommen worden, als die Leitung vakant geworden war – das allerdings befristet für fünf Jahre.
So möchte der neue Bischof als Eigentümer der Immobilien den jetzigen Zeitpunkt nutzen, die Werkstätten, die Schule und die Aldea in eine einheitliche und einheimische Betriebsträgerschaft zu überführen. „Nach mehreren Gesprächen war klar: Dagegen können wir uns nicht sperren“, erklärt Schwester Maria Thoma.
Alles läuft geregelt ab
Petra Sadura bestätigt, dass die Übergabe gut läuft: „Augustinerbruder Eduardo Peredes, seit letztem Jahr der Präsident des Direktoriums der Aldea, kommt regelmäßig vorbei und unterschreibt was nötig ist, fragt nach den Problemen, sucht mit nach Lösungen.“
Im Mai habe es für die „Tias“, die die Kinder in ihren Wohngruppen betreuen, eine Fortbildung zum Thema Machtverhältnisse in der Gruppe gegeben: „Erstmals fand solch eine Fortbildung in Zusammenarbeit mit der Schule statt, die von der Ordensgemeinschaft der Augustiner ja bereits im Januar übernommen wurde. Aus der Sicht der Lehrer, bzw. der Psychologen der Schule stellen sich Situationen oft anders dar als aus der Sicht unserer Tias. Gemeinsam haben wir diskutiert und nach Strategien und Lösungen gesucht.“
Auch beim bolivianischen Muttertag im Mai habe die Schule die Tias gemeinsam mit den Lehrerinnen zu einem Frühstück eingeladen. „Beide Veranstaltungen zeigen, dass wir auf dem Weg sind an der Basis zu einem guten Miteinander zu finden“, sagt Petra Sadura.
Die deutsche Entwicklungshelferin, die mit ihren drei Kindern nach Cochabamba zog, von denen die älteste ab Herbst studiert, blickt zufrieden auf die Entwicklung der vergangenen acht Jahre zurück: „Wir wollten den Kindern ‚Handwerkszeug‘ mitgeben, ihnen helfen sich im Leben zurechtzufinden. Dank der Unterstützer in Deutschland konnten wir eine Schneiderin einstellen, die Kinder und Jugendlichen bekommen Nähunterricht, sie spielen begeistert Fußball. Ein ehemaliger Nationalspieler Boliviens trainiert sie. Und was lernen sie dabei zusätzlich? Dass man auf dem Teppich bleiben und arbeiten kann, auch wenn man berühmt ist. Selbstverteidigungskurse helfen, die Aggressionen zu kontrollieren.“ Und in der Pfadfindergruppe seien die Kinder – auch die eigenen – frei und unbekümmert.
Wichtig bleibt der Kontakt zu den Eltern
Dabei sei der Kontakt zu den Eltern immer wichtig gewesen, wie Petra Sadura betont: „Auch wenn sie inhaftiert sind, müssen sie in die Erziehung einbezogen und verantwortlich gemacht werden.“ Natürlich sei die Situation in den Gefängnissen prekär –“aber es ist die Realität und wir können die Kinder nicht fernab ihrer Realität betreuen. Daher haben wir regelmäßige Besuche der Kinder in den Gefängnissen organisiert. Wir haben Elternschulen eingeführt, um sie und die Kinder auf ein gemeinsames Leben nach dem Gefängnis vorzubereiten. Wir haben über zwei Stiftungen sogar einen Bus organisiert, um die Besuche zu gewährleisten.“
Das Ziel habe ihr Team immer darin gesehen, die Kinder auf die Zukunft vorzubereiten. Die deutsche Leiterin der Einrichtung weiß: „Man kann nie alles richtig machen, aber ich kann sagen, dass wir an der Zukunft Boliviens gearbeitet haben.“ Man habe die Kinder auf einen guten Weg gebracht, ihnen die Grundlagen fürs eigenständige Leben gegeben und christliche Werte vermittelt: „Und das haben wir gut gemacht, in weiten Teilen sogar richtig gut. Die Kinder können hinausgehen und sich und ihre Ideen vertreten.“
Absprachen mit den Paten
Diese Arbeit führen die Augustiner jetzt fort. Allerdings werden sie sich dann auch um Spenden für die Einrichtung bemühen müssen, über die sie sich vor allem finanziert. Darauf weist die ehemalige Generalökonomin Schwester Maria Dolores Bilo hin: „Wir können dann nicht mehr für Spenden werben, weil wir nicht mehr für die Verwendung der Mittel verantwortlich sind.“ Jedoch bemühe sich die Ordensgemeinschaft darum, gemeinsam mit den Augustinern den Übergang zu organisieren. „Paten, die Schüler unterstützen, können diese Patenschaft zum Beispiel mit dem neuen Träger absprechen und fortführen“, so Schwester Maria Dolores.
Ansonsten verweisen die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel natürlich auch auf ihre vielen anderen Projekte in Bolivien wie das Kinderdorf Cuatro Esquinas in Cochabamba oder die Waisenhäuser in Vallegrande: „Auch die benötigen dringend finanzielle Unterstützung.“
Die Schwestern wünschen und hoffen sehr, dass die Kinder und Jugendlichen, deren Eltern inhaftiert sind, in der Aldea auch zukünftig einen Lern- und Lebensraum haben und vorübergehend ein Zuhause finden.