Schwestern und Mitarbeiter pflegen inzwischen viele Kontakte zu den Ankömmlingen aus Krisengebieten
Dem Strom der Flüchtlinge reitet Maria voran auf dem Rücken eines Esels, das Kind in ihren Armen. Daneben Josef, in achtsamer Fürsorge. Diese Szene, die sich vor über 2000 Jahren auf dem Weg von Israel nach Ägypten abspielte, ist heute mitten in Europa wieder millionenfache Realität. Die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel leisten einen Beitrag, diesen Menschen beim Ankommen zu helfen. Und ihre Erfahrungen machen Mut.
Die Jugendlichen der Manege in Berlin Marzahn haben mit Schwester Margareta Kühn und Schwester Maria Raphaela Benkhoff zum Beispiel geholfen, eine Flüchtlingsunterkunft einzurichten. Inzwischen wohnt auch ein geflüchteter Libanese im Haus. „Und die Situation ist sehr entspannt“, sagt Schwester Margareta.
Im Frühjahr war das noch anders. „Da haben einige unserer Besucher gegen die Ankunft der Flüchtlinge protestiert“ erinnert sich die Geschäftsführerin der offenen Jugendeinrichtung. Was sie nicht wundert: Die Manege ist ein gemeinsames Projekt der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel und der Salesianer Don Boscos. Sie begleitet und betreut über 300 Jugendliche inmitten der Hochhaussiedlungen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch.
„In diesem Umfeld lassen sich junge Menschen, die keine Perspektive sehen, schnell für eine Demo begeistern“, weiß die Sozialpädagogin. „Wenn ihnen jemand das Gefühl gibt, sie würden gebraucht, kommen sie mit.“
In Berlin-Marzahn am Aufbau einer Flüchtlingsunterkunft beteiligt
Aber als Schwester Margareta „ihre“ Jugendlichen auf den Zeitungsbildern sah, thematisierte sie das. „Und daraufhin haben wir angefangen, uns aktiv am Aufbau einer Flüchtlingsunterkunft für 700 Menschen ganz in der Nähe zu beteiligen.“
Sie stellten Bänke und Liegen mit auf, sahen die ersten Familien einziehen. „Und als sie spürten, welche Schicksale diese Menschen tragen und wie beengt sie hier leben müssen, war ihnen klar, dass es falsch ist, gegen sie zu demonstrieren“, so die Geschäftsführerin der Manege.
An vielen Orten hat die Flüchtlingsproblematik die Ordensgemeinschaft und ihre Einrichtungen inzwischen erreicht. Und das im Jahr des 200. Geburtstages von Schwester Placia Viel. Die Nachfolgerin der heiligen Maria Magdalena Postel als zweite Generaloberin der jungen Gemeinschaft war in ihrem Leben immer wieder über Grenzen gegangen, hat Kontakte geknüpft und in Heiligenstadt den heute eigenständigen deutschen Ordenszweig gegründet.
In Nordkirchen sind die Geschenke verpackt
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Migration könne sie deshalb ein Vorbild sein, sagt die heutige Generaloberin Schwester Maria Thoma Dikow: „Wir müssen wieder neu lernen, Grenzen zu überschreiten. Menschen in den Blick zu nehmen, die vielleicht jenseits unserer täglichen Erfahrung leben und uns noch fremd sind. Im Gebet und im konkreten mutigen Handeln. Auch wenn wir dafür Vertrautes aufgeben müssen.“ Auf der Weihnachtskarte des Generalates heißt es deshalb: „Weihnachten sagt uns: Gott hat uns angenommen, er wurde einer von uns. Er wurde ein Flüchtlingskind. Er ist mit allen unterwegs – auch mit uns.“
In Nordkirchen helfen die Schwestern bei der Betreuung einer Unterkunft für 150 Flüchtlinge in Nachbarschaft der Kinderheilstätte und einer Schule für 300 behinderte Kinder. „Die Hilfsbereitschaft ist groß. Die Pfarrcaritas leistet in Zusammenarbeit mit der Stadt gute Arbeit“, sagt Schwester Maria Albertis Lobert. Die 87-Jährige hat mit ihren Mitschwestern zahlreiche Geschenke aus der Gemeinde für die Flüchtlinge eingepackt.
Es täte weh zu wissen, dass die meisten Menschen aus diesem Übergangsheim wohl wieder ausgewiesen würden: „Viele kommen aus den Balkan-Ländern, deren Anträge meist abgewiesen werden. Aber sie lernen die Sprache und zeigen, dass sie sich integrieren wollen.“ Auch die Situation der Flüchtlinge aus Afghanistan würde unterschiedlich beurteilt. „Dabei sind die Menschen aus diesem Land bitterarm und völlig perspektivlos“, beobachtet die Ordensfrau.
Sprachunterricht in Bestwig
In Bestwig und Meschede gibt Schwester Maria Simone Hellbach Flüchtlingen an vier Tagen Deutschunterricht. Joubi, der im Pfarrzentrum der Gemeinde St. Margareta in Bestwig-Ramsbeck vor ihr sitzt, hat kurz vor einer Unterrichtsstunde mit seiner Frau in Aleppo telefoniert: „Das Haus unserer Nachbarn wurde bombardiert. Wir wissen nicht, ob sie noch leben.“ Natürlich will er seine Familie so schnell es geht nach Deutschland holen. Aber auch die Möglichkeiten des Familiennachzugs werden politisch gebremst.
Schwester Maria Simone staunt über die Disziplin ihrer Schüler. Oft seien die Frauen am ehrgeizigsten – „vielleicht, weil sie in ihrer Heimat keine Schule besuchen durften.“ Und dass die Flüchtlinge – oft Muslime – im Unterricht einer katholischen Ordensschwester gegenübersitzen, sei kein Problem: „Berührungsängste oder Vorbehalte spüre ich nicht – höchstens Neugier.“
Auch in vielen Einrichtungen der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel gibt es Berührungspunkte: So gibt die Ordensgemeinschaft in Geseke neben dem Haus Maria und dem Fachseminar für Altenpflege weiterhin 20 Flüchtlingen eine Unterkunft in mehreren Wohnungen. Eine weitere Wohnung stellen sie in Herten-Westerholt für eine Flüchtlingsfamilie bereit.
Klassen zum Spracherwerb in Heiligenstadt
An der berufsbildenden Schule Bergschule St. Elisabeth in Heiligenstadt starten im Februar 2016 zwei Klassen des Berufsvorbereitungsjahres zum Spracherwerb für Flüchtlinge. Dabei sollen die 30 Schüler unter anderem lernen, sich in Deutschland zurechtzufinden. Und ab Sommer 2016 plant das Berufskolleg Bergkloster Bestwig Flüchtlinge verstärkt zu integrieren. Die Bergkloster Stiftung SMMP sagt dafür finanzielle Unterstützung zu.
Die auszubildenden Erzieherinnen und Erzieher des Placida Viel-Berufskollegs in Menden helfen bei der Betreuung von Flüchtlingskindern in einer benachbarten Grundschule. Darüber hinaus haben schon mehrere Flüchtlinge Praktika in Ordenseinrichtungen absolviert.
Am Berufskolleg Canisiusstift in Ahaus haben sich Schüler stumm in die Fußgängerzone gestellt – mit einem Schild um den Hals, dass sie Hilfe benötigen. So wollten sie die Hilfsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger testen. Die Erfahrungen fielen sehr unterschiedlich aus. Einige warteten über eine Stunde, bis sie angesprochen wurden.
Ist die Gestalt hinter Maria auf dem Altarbild aus St. Sauvuer-le-Vicomte, das die Weihnachtskarte des Generaltes zeigt, möglicherweise ein Symbol für Flüchtlinge weltweit? Symbol auch für uns? Mit dieser Frage schließt der Weihnachtsgruß der Generaloberin. Und mit der Frage: Begleiten wir ihn?