Gedanken von Sr. Maria Thoma Dikow zum 200. Geburtstag von Schwester Placida Viel
Placida Viel: Vor 200 Jahren wurde sie in dem kleinen Dorf Quettehou/Normandie geboren. Im April 2015 unternahm die dortige Pfarrgemeinde eine Pilgerfahrt auf ihren Spuren in Deutschland.
Als Gastgeschenk überreichte der Pfarrer von Quettehou uns acht Steine aus der Mauer, die vom Geburtshaus Placidas noch steht. Die heutigen Besitzer des Grundstücks hatten sie der Gemeinde als Geschenk für die deutschen Schwestern mitgegeben.
Nur einfache Ziegelsteine? Aus solchen Steinen lässt sich etwas bauen. Ein Haus, das Schutz und Heimat gibt zum Beispiel. Oder eine Brücke, die Verbindung schafft.
Die selige Placida Viel war eine Frau, die Schutz und Geborgenheit schenkte. Sie entdeckte die Not des Proletariats in Paris, konkret der Kinder deutscher Einwanderer, die, der Heimat entwurzelt, ohne Bildung blieben. Sie rief ihre Schwestern in die Stadt, um diese Kinder zu unterrichten.
Eine Frau, die Verbindungen schuf
Placida Viel – eine Frau, die Verbindung schuf, Brücken schlug zum anderen. Sie nahm in Deutschland vier Eichsfelder Lehrerinnen in ihre Gemeinschaft auf. Damit überschritt sie nicht nur eine Grenze der Nationen, sondern auch der Tradition: Wenn die jungen Frauen nicht nach Frankreich ins Noviziat kommen konnten, kam das Noviziat eben zu ihnen.
Und im deutsch-französischen Krieg 1870/71 pflegten die Schwestern Verwundete auf beiden Seiten und schlugen so eine Brücke des Friedens zwischen den verfeindeten Nationen.
Wem geben wir Schutz und Heimat? Zu wem schaffen wir Verbindung? Die Menschen, die derzeit in unserem Land Zuflucht suchen, sind sie nicht Gottes Frage an uns? In dieser Situation hat Placidas Leben für mich eine ganz aktuelle Botschaft.
Gott sei Dank engagieren sich viele Menschen mit kreativen Ideen für Flüchtlinge. In einer unserer Einrichtungen zum Beispiel haben die Bewohner eines noch sehr notdürftig eingerichteten Flüchtlingsheimes die Möglichkeit zu duschen. Sprachunterricht, Spielnachmittage für Kinder, Begleitung bei Behördengängen, ein internationales Fest… − es gibt so viele Möglichkeiten.
Und: Öffentlich sichtbar machen, wo wir stehen! Bei einem Schwesterntreffen vor wenigen Tagen nahmen mehrere Mitschwestern an einer Gegendemonstration anlässlich einer NPD-Kundgebung teil; heraus aus dem sicheren Kloster, mitten unter die Menschen, die sich für eine offene Willkommenskultur einsetzen.
Machen wir uns gegenseitig Mut, Grenzen zum anderen zu überwinden, Brücken zum Fremden zu bauen! Schenken wir Schutz und Heimat! Wir können dabei nur gewinnen.
Schwester Maria Thoma Dikow
Generaloberin SMMP