Gertrudis-Hospital feiert Jubiläum mit 1000 Besuchern
Als Maximilian das Röntgenbild von seinem Teddy sieht, muss er staunen: „Der hat ja sogar ein Herz.“ Die Mitarbeiter des Gertrudis-Hospitals hatten sich für den Tag der offenen Tür anlässlich des 100-jährigen Bestehens eine Menge einfallen lassen. Und das Festprogramm geht noch eine ganze Woche lang weiter.
Am Samstag machten sich bereits um die 1000 Besucher auf den Rundweg durch die verschiedenen Abteilungen: von der zentralen Aufnahme über den OP-Bereich bis zur Palliativ-Station. Und dort erlebten sowohl Besucher als auch Mitarbeiter so manche Überraschung.
Stefanie Struckmeier zum Beispiel. Die Endoskopie-Fachkrankenschwester erläutert an ihrem Stand, dass man heute vor einer Darmspiegelung nicht mehr literweise schlecht schmeckende Abführmittel trinken muss. Es darf auch Cola oder sogar ein alkoholfreies Weizenbier sein.
„Ich habe dazu gerade eine Fortbildung in Erfurt besucht. Denn wir wollen unseren Patienten die Vorbereitung auf die Darmspiegelung so angenehm wie möglich gestalten.“ Für besonders populär hielt sie das Thema nicht. Umso erstaunter ist sie, wie viele Menschen sich bei ihr erkundigen.
Gummibärchen befreien
Einen Raum weiter dürfen die Besucher sogar probieren, mit endoskopischen Gerät ein Gummibärchen aus einem nachgebauten Dickdarm zu befreien. Eine Beschäftigung nicht nur mit Unterhaltungswert. „Denn wenn man sieht, wie gut dieses Gerät funktioniert, nimmt einem das die Angst vor einem solchen Eingriff“, weiß die Ärztin Dr. Ganna Vero.
Auch im Operationssaal eine Etage darüber ist einiges los. Hier werden vor allem Darmerkrankungen, Leistenbrüche und Zwerchfelle operiert. Oberarzt Dr. Hermann-Josef Winkelmann stellt die Geräte vor und weiß auch, warum er seinen Beruf so liebt: „Als Chirurgen haben wir ein Privileg: Meist dürfen wir Menschen heilen. Wir befreien sie von etwas, das ihnen Leid zufügt. Ärzte, die Patienten mit chronischen Krankheiten behandeln, können das nicht.“
Die operativen Eingriffe im Zwerchfell helfen zum Beispiel, Patienten von Schluckstörungen oder Sodbrennen zu befreien. Darauf ist die Chirurgie im Gertrudis-Hospital ganz besonders spezialisiert. Auch Darmspiegelungen sind hier Routine. „Die habe ich hier einmal mitmachen müssen. Das hat super geklappt“, erzählt Hannelore Piwek, die seit 51 Jahren in der Nachbarschaft des Krankenhauses lebt und den OP-Saal heute mal ganz entspannt erleben will. „Obwohl,“ überlegt sie – „entspannt war es damals eigentlich auch: Kaum war ich hier, war ich schon weg. Und als ich aufwachte, kam es mir so vor, als hätte ich noch nie so gut geschlafen.“
Interdisziplinäres Arbeiten
Der zweite Schwerpunkt der Gertrudis-Hospitals neben der Inneren Abteilung ist die Geriatrie. Alle Bereiche des Krankenhauses arbeiten interdisziplinär als Zentrum für Medizin im Alter zusammen. Die Qualitätsmanagerin Heike Szepanski führt gerade eine Besuchergruppe in die Tagesklinik, die Chefärztin Dr. Annette Borchert zwischen den Patienten sitzend vorstellt: „Die ist nicht zu verwechseln mit der Tagespflege, denn diese Patienten werden pflegerisch, medizinisch und therapeutisch behandelt. Aber abends dürfen sie wieder nach Hause. Ein Angebot, das gerne angenommen wird.“
Wichtig für die ganzheitliche Behandlung der vielen älteren Menschen im Gertrudis-Hospital sind auch der Sozialdienst, der die Patienten vom Anfang ihres Aufenthaltes bis zur Entlassung begleitet; die vorbildliche Schulung der Familienangehörigen in der familialen Pflege; die Unterstützung vieler Ehrenamtlicher – und natürlich die Abteilungen für Ergo-und Physiotherapie.
„Zu uns kommen bis zu 60 Patienten am Tag“, erklärt Schwester Katharina Conradi, die die Abteilung für Ergotherapie leitet. Und ihrem Team kommt es nicht nur darauf an, die Menschen durch motorische und geistige Übungen wieder zu mehr Selbstständigkeit zu führen: „Wir wollen erreichen, dass sie wieder mehr Lebensfreude haben.“
Anzug macht 20 Jahre älter
Mit welchen Defiziten viele alte Menschen klar kommen müssen, erfährt Werner Klenner als einer von vielen Neugierigen an diesem Tag in der geriatrischen Station. Hier darf es sich 20 Jahre älter fühlen. Die Bewegung fällt dann deutlich schwerer. Und die Sicht ist durch den grauen Star eingeschränkt. Deshalb hat er eine 25 Kilogramm schwere Weste an und eine Brille auf, die das ganze Sichtfeld milchig wirken lässt.
„So, und jetzt stellen sie sich mal vor, sie hätten auch noch Arthrose in den Fingern und müssten sich ein Butterbrot schmieren“, stellt Dr. Julia Meeßen ihn vor die nächste Aufgabe. Bevor er auch noch zwei Handschuhe anzieht, die mittels elektrischem Strom einen Tremor wie beim Parkinson simulieren. „Nein, da hoffe ich doch, dass es mir später nicht so geht“, sagt der Mitarbeiter aus der Verwaltung. Er nutzt den Tag, um sich in den anderen Stationen umzusehen: „Wann habe ich dazu sonst schon mal Gelegenheit?“ Hier hat er auf jeden Fall gelernt, mehr Verständnis für ältere, geschwächte und oft noch sehbehinderte Menschen zu haben.
Die Rundgänge der Besuchergruppen enden in der Palliativstation. „Hier nehmen wir Menschen – oft in der letzten Phase ihres Lebens – den Schmerz. Dafür sind sie und die Angehörigen oft sehr dankbar“, erläutert Heike Szepanski. Und sie weist darauf hin, dass alle geriatrischen Abteilungen des Krankenhauses mit dem geriatrischen Gütesiegel zertifiziert seien. „Das sind deutlich höhere Anforderungen, als sie die Zertifizierung nach DIN erfordert. Aber diese hohen Standards sind uns wichtig.“
Beim Röntgen wird getrickst
Die Besucher sind von der Vielfalt der Angebote im Gertrudis-Hospital beeindruckt. Wie Petra Patmanidis, die einmal das Haus besser kennenlernen will, in dem ihre Tochter arbeitet. Und beim Blutzucker- und Blutdruck-Messen nebenbei erfährt, dass sie auch weiterhin Schokolade essen darf.
Oder wie Maximilian, dem die Radiologie-Assistentin Inga Schulz versichert, dass ein Teddy kerngesund ist und das Herz am rechten Fleck hat. Das legt sie den Stofftieren vor dem Röntgen übrigens unbemerkt auf den Körper.
Nicht nur die Besucher, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krankenhauses haben angesichts solcher Aktionen ihren Spaß. Und alle sind überzeugt: Das Gertrudis-Hospital ist selbst mit 100 Jahren noch kerngesund.
Das weitere Programm der Festwoche finden Sie hier.