Sr. Ruth Stengel und Sr. Margareta Kühn referierten bei der Frühjahrstagung
„Viele sagen: Das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht – und hat es einfach gemacht“. Unter diesem Motto begann Schwester Margareta Kühn vor zehn Jahren die Arbeit in der Manege in Berlin-Marzahn. Diese Einrichtung begleitet mittlerweile 300 Jugendliche. Unter diesem Motto machte sich auch Maria Magdalena Postel vor über 200 Jahren auf den Weg, für ihre junge Gemeinschaft eine Heimat zu finden. Und unter diesem Anreiz sollte sich auch das „Unternehmen“ SMMP mit seinen Einrichtungen und Diensten als „Unternehmung“ verstehen, meint Schwester Ruth Stengel.
Schwester Margareta und Schwester Ruth berichteten bei der Frühjahrstagung der leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den Einrichtungen und Diensten der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel am Donnerstag im Bergkloster Bestwig über ihre Erfahrungen in der Gemeinschaft und die Kraft, die heute noch von der Gründerin ausgeht. „Es lohnt, auf die Ursprünge zu blicken. Die Frage, wo wir hingehen, hängt immer mit der zusammen, woher wir kommen“, erklärte Schwester Ruth Stengel. Allein das Wort „Ursprung“ verweise schon darauf, welche Kraft darin steckt.
In einem Aufbaustudium hat sich die Theologin noch einmal intensiv mit der Spiritualität der Gemeinschaft auseinander gesetzt und aus diesem Anlass auch mehrere Wochen in der Abtei St. Sauveur-le-Vicomte in Frankreich verbracht. Dort hatte Maria Magdalena Postel nach 25-jähriger Wanderschaft eine Heimat für ihre Gemeinschaft gefunden.
An die leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewandt sagte Schwester Ruth: „Sie verstehen sich zunächst als Teil eines Unternehmens. Wir als Schwestern dagegen eher als Teil einer Unternehmung. Das unterscheidet uns, bringt uns aber gleichzeitig zusammen.“ Denn sowohl die Arbeit in den Einrichtungen als auch in den Konventen und Klöstern der Gemeinschaft basiere auf christlichen Werten: „Wir alle haben für uns eine Beziehungsentscheidung getroffen.“ Und sowohl das Wirken der Ordensgemeinschaft als auch das der Einrichtungen sei immer wieder von Umbrüchen geprägt: „Um die zu bewältigen, können wir bei unserer Ordensgründerin wertvolle Anregungen finden.“
„Das Gottvertrauen nie aufgegeben“
Maria Magdalena Postel habe in ihrem Gottvertrauen nie aufgegeben und sei von ihrer Sache immer überzeugt gewesen. „Dabei war die Gründung einer Gemeinschaft in den Jahren nach der Französischen Revolution nichts Außergewöhnliches. Wohl aber, dass sie so lange auf dem Weg war.“ Man habe Maria Magdalena Postel sogar vorgeworfen, unverantwortlich zu sein und ihr geraten, die Gemeinschaft aufzulösen. „Zwischenzeitlich haben sie Regenschirme produziert und verkauft, um überhaupt leben zu können. Das zeigt aber, dass sie immer erkannt hat, was gerade dran ist.“ Insofern stehe ihre langwierige Suche sowohl für große geistliche Dynamik als auch für spirituelles Tun.
Dass dieser Lebensweg beeindruckt, bestätigten die Teilnehmer der Tagung: Die stellvertretende Schulleiterin des Berufskollegs Canisiusstifts in Ahaus, Stefanie Bauer, fasziniert, dass sich die Gründerin in zunehmendem Alter immer mehr zugetraut habe. Und der Chefärztin Dr. Elisabeth Winkelmann vom Gertrudis-Hospital in Herten-Westerholt imponiert vor allem, dass sich Maria Magdalena jeder Epoche – vor, während und nach der Französischen Revolution – anpassen konnte.
Schwester Margareta Kühn sieht in diesen Ursprüngen auch Parallelen zu der Entwicklung der Manege in Berlin-Marzahn: „Vor zehn Jahren wussten wir nicht, wohin der Weg uns führt. Aber wir wussten, es gibt Bedarf. Und wie die Salesianer wussten wir: Wir schaffen das nicht allein. Also taten wir uns zusammen.“ Und das in einem Bezirk mit 250.000 Einwohnern, in dem über 80 Prozent der Jugendlichen keinen Schulabschluss haben und nur drei Prozent einer Kirche angehören. „Das ist noch nicht einmal Diaspora. Denn da gibt es keine Katholiken, die wir mit einem Bus einsammeln könnten“, sagt die Sozialpädagogin, die das Generalkapitel im Januar zur neuen Generalassistentin gewählt hat.
„So fängt Kirche wieder richtig neu an.“
Pastorale Arbeit sei für sie immer geprägt von naiver Kreativität. Mit dieser Unbefangenheit habe man sich 2005 vor dem Beginn des Projekts Manege gefragt: „Wo ist Not? Wo ist noch keiner? Oder wo ist schon einer, der es aber nicht richtig kann?“ So sei man gemeinsam mit den Salesianern auf Marzahn gekommen: „Und unter solchen Bedingungen fängt Kirche wieder so richtig neu an.“
Indem man zwischendurch zurückschaut und die Erfolge sieht, könne man sich immer wieder neu motivieren für die Zukunft. Das gelte sowohl für die Gemeinschaft und ihre Werke als Ganzes, aber auch für die vielen kleinen „Sternzeichen“, die unter dem Dach der Ordensgemeinschaft entstanden seien: „Ob in unseren Schulen, unseren Senioreneinrichtungen oder unseren Kliniken“, griff Schwester Margareta beispielhaft die größten Bereiche heraus.
Die Manege hat inzwischen 56 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Unter ihrem Dach gibt es fast 20 verschiedene Maßnahmen, Projekte und Initiativen für Jugendliche zwischen 13 und 25, die die Jobagenturen sonst aufgeben müssten. Unter anderem auch eine Begleitung von „Systemsprengern“, für die die Jugendämter keine geeignete Unterbringung und Betreuung mehr finden können: „Auch bei uns sprengen sie einiges. Aber sie laufen nicht weg“, freut sich die Ordensschwester.
Dass wir kein klares Bild von der Zukunft haben, zeichne postmoderne Zeiten insgesamt aus, erläuterte Schwester Ruth. Vor dieser Situationen stünden wohl auch die Einrichtungen. Und da helfe es, sich der Kraft des Ursprungs zu besinnen und sich immer wieder die Frage zu stellen, wie die Nachfolge gelingen kann. Zum einen die Nachfolge in den Spuren der Gründerin. Zum anderen die Nachfolge Jesu als Christ: „Denn auch Jesus hat immer wieder Abstiege erlebt. Bis hin zum Tod am Kreuz. Und dennoch hatte er immer den Blick nach vorn, auf Ostern gerichtet.“
„Ein Projekt der Beziehung“
Die Ordensgemeinschaft stehe langfristig ebenfalls vor einer ungewissen Zukunft. Aber das habe sie während der vergangenen 200 Jahre immer wieder getan. Und obwohl die Zahl der Ordensschwestern kleiner wird, gibt es weiterhin junge Frauen, die eintreten. Sehr viele sind es derzeit sogar in Mosambik. „Schon die Gründung der Gemeinschaft war ein Projekt der Beziehung mit anderen Menschen. Deshalb sind auch wir alle gemeinsam ein Projekt. Und so wie Maria Magdalena Postel das getan hat, verbinden wir es alle gemeinsam mit handfestem Tun.“
Schwester Margareta nannte dafür wichtige Kriterien: „Wir sind sichtbar und wirksam, wenn wir Lebenswege erhellen, uns als Dienstgemeinschaft nicht auseinander dividieren lassen, Licht ins gesellschaftliches Dunkel bringen, keine Angst vor Neuem haben, Lücken aufspüren und Orientierung geben.“
Die 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung nahmen viele Impulse mit nach Hause. „Es hat gutgetan, die Schwestern mal so intensiv zu erleben und sich der Wurzeln zu besinnen. Das war einfach mal dran“, sagt beispielsweise Annette Longinus-Nordhorn, Leiterin der ambulant betreuten Senioren-WGs im St. Franzikus-Haus in Oelde.
Abschließend bot Schwester Ruth den leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an, für einen Tag in ihre Einrichtung zu kommen, um die spirituellen Wurzeln des gemeinsamen Engagements zu vertiefen. Außerdem gibt es zwei Termine, zu denen Interessierte ins Bergkloster Bestwig kommen können: am 20./21. November und am 4./5. Dezember 2015 (jeweils freitags/samstags). Anmeldungen nimmt Schwester Ruth unter sr.ruth(at)smmp.de entgegen.