Schwestern kehren bewegt und beeindruckt aus Rio de Janeiro zurück
Beeindruckende Tage erlebten die Schwestern der heiligen Maria Madalena Postel beim Weltjugendtag in Brasilien. Sie gehörten zu den Gemeinschaften, die sich mit einem eigenen Stand präsentieren durften. Aus Deutschland reisten Generalsekretärin Schwester Theresia Lehmeier und Schwester Martina Küting aus Ahaus an die Copacabana. Über ihre Erlebnisse und Erfahrungen berichtet Schwester Theresia im Interview.
Was hat der Weltjugendtag in Ihnen ausgelöst und bewegt?
Der Weltjugendtag war in erster Linie ein großes Fest des Glaubens. Die Menschen, die da waren, sind Tausende von Kilometern angereist, um ihren Glauben mit anderen zu teilen, sich gegenseitig zu ermutigen und darin zu bestärken, dass es gut ist, Christen zu sein. Es war auch spürbar, dass viele hofften, eine andere Art von Kirche zu erleben als in ihren Heimatgemeinden, wo vor allem die Jugendlichen sich oft allein fühlen und in den traditionellen Gemeindegottesdiensten keinen Raum sehen für ihre Sehnsucht nach Gott.
Mich hat an diesem Weltjugendtag bewegt, wie viele Menschen suchend unterwegs sind und sich ernsthaft nach Glaubens- und letztlich nach Gotteserfahrungen sehnen, die sich natürlich in den Erfahrungen mit den Menschen ausdrücken und in ihnen widerspiegeln.
Viele Menschen – junge und alte – waren auch gekommen, um den Papst zu sehen. Das zeigte sich in den Sprechchören, vor allem auf Portugiesisch: „Papst Franziskus, zeige dich, ich bin gekommen, dich zu sehen.“
Und die große argentinische Gruppe – 50.000 Menschen sollen es gewesen sein – initiierte den Ruf: „Esta es la juventud del Papa“, „Dies ist die Jugend des Papstes“, was dann vielstimmig wiederholt und auch ins Portugiesische übertragen wurde.
+ Welche Begegnungen hatten Sie?
In der Stadt wimmelte es von Menschen, die durch den Rucksack, das T-Shirt oder die Kappe als Weltjugendtags-Teilnehmer erkennbar waren. Mit ihnen war natürlich sofort eine innere Verbindung da, weil alle mit demselben Ziel gekommen waren. Aber man spürte eine große Offenheit, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft aller, die man traf und ansprach. Oft kam man ins Gespräch über die Frage, woher der andere denn komme.
Einmal saßen wir neben einem jungen Mann aus Argentinien, der erst in seinem Liturgiebuch las und dann das Gespräch suchte. Wie fast immer ging es auch diesmal um Papst Franziskus und seine offene, einfache, begeisternde Art. Dieser junge Mann jedoch wollte uns sagen, dass der vorige Papst ebenfalls ein großer Mann war. „Das ist ein Kopf“, sagte er, „der hatte viel zu sagen“.
Auch in unserer Gastfamilie, in der wir untergebracht waren, führten wir interessante Gespräche über die Kirche in Brasilien und in Deutschland. Wir wohnten bei einer jungen Familie mit zwei kleinen Kindern, die noch weitere Gäste bei sich beherbergte. Das Interesse an uns und einem Austausch war groß, nachdem die erste Zurückhaltung überwunden war.
Auf der „Feira vocacional“, dem Berufungsmarkt, wo wir unseren Stand hatten, gab es viel Gelegenheit zum Austausch. Wir hatten auch bald Bekannte, die am ersten Tag mitbekommen hatten, welche Schwierigkeiten wir beim Finden unseres Stellplatzes hatten, und die sich jedes Mal erkundigten, wie es uns denn jetzt ginge.
Ich selbst ging auch gerne an den Ständen vorbei und ließ mir erklären, woher die Ordensgemeinschaften und anderen Vereinigungen kamen und welche Ziele sie hatten. So gab es immer wieder Begegnungen der unterschiedlichsten Art.
+ Haben sich die Menschen für die Ordensgemeinschaft interessiert?
Am ersten Tag war der Ansturm der Menschen auf der Feira vocacional so groß, dass kaum Zeit war für Gespräche. Die anderen Tage waren spürbar anders. Trotz des Dauerregens kamen viele Interessierte, und es gab Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen, Fragen zu stellen und zu beantworten. Wir waren erstaunt über die Zielstrebigkeit mancher Besucher unseres Stands. „Was ist Ihr Charisma?“, wollten sie wissen. Und: „Wo sind Sie, was tun Sie? Ach, Sie sind nicht in Rio/in Peru/Argentinien/Venezuela, Cuba…? Wie schade.“
Für viele war die kleine Figur Maria Magdalenas mit den beiden Kindern anziehend. Sie wollten sie streicheln oder sich mit ihr fotografieren lassen. Manche wollten auch mehr Information über die Gründerin. Als die Bücher verteilt waren, gingen die brasilianischen Schwestern dazu über, die Mailadressen auszugeben, damit die Interessierten die Bücher bei ihnen bestellen können.
Ein Priester aus der Slowakei war interessiert an unserer Gemeinschaft und fragte uns, ob wir nicht an der Uni, an der er arbeitet, unsere Gemeinschaft vorstellen könnten. Eine Frau aus den USA will unser Charisma auf ihrer Homepage vorstellen.
Es gibt wohl selten Gelegenheiten, bei denen so oft der Name unserer Gemeinschaft ausgesprochen wird und sich bekannt zu machen.
+ Welche Botschaft des Papstes nehmen Sie mit?
Die Predigten des Papstes waren, so weit wir sie mitbekommen haben, sehr einfach und klar und jeweils auf die Gruppe zugeschnitten, die er gerade ansprach.
Den Priestern und Ordensleuten sagte er: „Löscht Christus aus eurem Leben nicht aus“, und sinngemäß: Von ihm kommt die Fruchtbarkeit eures Dienstes. Bleibt in ihm, meditiert seine Botschaft, betet ihn an, aber isoliert euch nicht, sondern geht hinaus zu den Menschen, die euch brauchen. Auf dem Balkon sitzen zu bleiben, ist bequemer, aber ihr seid berufen, den Menschen die Botschaft zu bringen, dass Gott sie liebt. Ihr müsst den jungen Menschen helfen, die Freude am Glauben wieder zu entdecken. Ihr sollt nicht nur die Tür öffnen, sondern hinaus gehen zu den Menschen.
Zu allen sagte er immer wieder: Habt keine Angst. Habt den Mut, auch gegen den Strom zu schwimmen. Den Jugendlichen gab er die Botschaft auf den Weg: Jesus sendet euch, aber er begleitet euch auch, er lässt euch nicht allein. Die Kirche braucht euch, sie braucht eure Freude und Begeisterung. Und der Papst braucht euch auch! Seid großzügig, wenn Christus euch ruft und geht vor gegen Egoismus, Intoleranz und Gewalt. So könnt ihr mitbauen an einer neuen Welt. Die Kirche zählt auf euch, und der Papst tut es auch!
+ Welche Impulse bringt der Weltjugendtag der katholischen Kirche in Brasilien?
Das Extrablatt vom Sonntag titelt: „Die Rede des Papstes bringt die Katholiken zur Kirche zurück.“ Die Leute aus Rio sagen: Wie gut, dass der Weltjugendtag hier stattgefunden hat. Rio ist so verrufen wegen der Gewalt, die es überall gibt. In diesen Tagen war es anders. Ich bin angstfrei an den Orten gewesen, vor denen ich mich sonst fürchte. Die Atmosphäre war so friedlich. Wir hoffen, dass etwas davon bleibt.
In den Cafés an der Copacabana hat man die Toiletten für die Pilger geöffnet, etwas, was man während des Karnevals nie machen würde, weil dann alles beschädigt und zerstört wird. Jetzt war die Atmosphäre bei aller Begeisterung freundlich, wohlwollend und besonnen.
Ganz sicher bringt der Weltjugendtag einen neuen Aufbruch nicht nur für die brasilianische Kirche. Es ist zu hoffen, dass etwas davon in den Alltag hinüber gerettet werden kann.
Es gibt aber in Brasilien auch kritische Stimmen, die Angst haben, dass der Papst an der lieb gewordenen Tradition der Kirche etwas ändert und Grundfesten erschüttert, an denen man lieber festhalten würde.
So ist die Hoffnung der einen die Furcht der anderen. Der Aufruf des Papstes, auf den Geist zu hören und sich für ihn zu öffnen, kann auch sehr unbequem werden.
+ Was bedeuten diese Erfahrungen konkret für die Ordensgemeinschaft?
Für uns war es wichtig, dass wir als Schwestern gemeinsam etwas auf internationaler Ebene getan haben. Die Erfahrung der Internationalität hat uns gut getan und unseren Horizont über die Grenzen unserer eigenen Provinz hinaus erweitert. Für die Zukunft sollten im Blick behalten, dass wir mehr die Gesamtgemeinschaft sehen.
Uns ist deutlich geworden, wie wichtig die Berufungspastoral ist. Das entspricht der Aufforderung des Papstes, hinauszugehen zu den Menschen und nicht auf dem Balkon sitzen zu bleiben, weil es bequemer ist. Wir dürfen nicht warten, bis die Jugendlichen zu uns kommen, sondern müssen Wege suchen, ihnen zu begegnen, auf sie zuzugehen.
Es gibt Berufungen, an uns ist es, zu helfen, sie zu entdecken und wachsen zu lassen. Dabei ist es wichtig, dass wir jeden Einzelnen in seinem So-Sein annehmen und nicht so formen wollen, wie wir sind oder wie wir meinen, dass es gut sei. Gott schickt uns die Menschen, wir suchen sie uns nicht aus.
Die Begeisterung, die von diesem Event ausgeht, sollte ein Impuls sein, zu Hause etwas zu tun und etwas Neues in der Kirche und der Gemeinschaft anzustoßen. Bei der Umsetzung in den Alltag müssen wir kreativ sein. Die Ernsthaftigkeit mancher Jugendlicher im Gebet ist auch eine Anfrage an uns.
Bei uns ist das Bewusstsein gewachsen, dass wir zusammen gehören, und gemeinsam die Gemeinschaft und die Kirche bilden, auch wenn wir gegen den Strom der Zeit schwimmen. Wir haben Hoffnung auf Zukunft für die Kirche und für unsere Gemeinschaft.