Missionare auf Zeit tauschen in Cochabamba ihre bisherigen Erfahrungen aus
„Eine Umarmung bedeutet hier mehr als jedes Wort“, sagt Anne Schmeing. Seit fünf Monaten arbeitet die 24-Jährige als Missionarin auf Zeit in dem Kinderdorf Aldea de Ninos Cristo Rey in Cochabamba. Als fertig ausgebildete Grundschullehrerin hatte sie konkrete Vorstellungen, welche Projekte sie hier umsetzen könnte. Aber sie hat schnell gemerkt, dass die Kinder, deren Eltern größtenteils im Gefängnis sind, einen ganz anderen Zugang brauchen.
Mit ihr sind auch Maria Reller und Kira Vey als Missionare auf Zeit – kurz MaZ – in der Aldea. Und gemeinsam mit den zehn anderen derzeit in Bolivien eingesetzten MaZ nahmen sie jetzt am Zwischenseminar in Cochabamba teil. Dazu waren Generalsekretärin Schwester Theresia Lehmeier aus Heiligenstadt und Birgit Bagaric vom Jugendbüro des Bergklosters Bestwig nach Bolivien gereist. Sie reflektierten mit den 13 Freiwilligen den bisherigen Einsatz.
„Spannend zu erfahren, welche Erfahrungen die anderen machen“
„Das hat viel gebracht. Es war spannend zu erfahren, welche Erfahrungen die anderen bisher gemacht haben. Manche haben wir seit unserer Ankunft in Bolivien nicht mehr gesehen“, sagt Maria Reller. Außerdem gebe es Ereignisse, die man schnell verdrängt, ohne sie verarbeitet zu haben. Damit meint sie vor allem den Tod der kleinen Edith in der Aldea. Das Mädchen war an Leukämie erkrankt und nicht mehr zu retten. „Da hatten wir alle ein Tief. Das ganze Kinderdorf trauerte. Aber der Alltag hatte uns schnell wieder eingeholt. Es tat gut, sich damit in dieser Woche noch einmal auseinander zu setzen. Denn mit dem Tod waren wir in unserem direkten Umfeld alle noch nicht konfrontiert“, erklärt die 20-Jährige.
Auch von den Herausforderungen in der Anfangszeit wussten die MaZ zu berichten. „Die Kinder sind hier sehr temperamentvoll. Gerade in den ersten Wochen war es nicht einfach, wenn wir mal mit einer Gruppe alleine waren“, erinnert sich Kira. Zu den Aufgaben der jungen Missionarinnen in der Aldea gehören nämlich die Mitarbeit im Kindergarten, die Unterstützung der Lehrer in der Schule und die Hausaufgabenbetreuung am Nachmittag. Außerdem bereiten sie eigene Spiele und Freizeitangebote vor. Das war die Hauptaufgabe während der gerade zu Ende gegangenen bolivianischen Sommerferien.
14 Kreuzwegstationen mit den Kindern gestaltet
Und Anne Schmeing merkte schnell, dass sie die Kinder zum praktischen Mitarbeiten bringen muss. Ihre Stelle wird vom Bistum Münster bezuschusst und ist mit einem Auftrag verbunden: Sie soll sich vor allem um pastorale Angebote kümmern. „Die gemeinsam mit den Kindern vorbereiteten Adventsmeditationen waren beispielsweise ein großer Erfolg. Und die 14 Kreuzwegstationen, die wir gemalt haben, halfen den Tod von Edith aufzuarbeiten“, berichtet die Grundschullehrerin, die im Sommer ihr Referendariat antreten wird.
14 Stationen für 14 Häuser, in denen die 190 Kinder der Aldea leben. „In der Fastenzeit soll jedes Haus für jeweils eine Station eine Meditation vorbereiten“, erklärt Anne Schmeing.
Kira Vey hatte am Anfang Schwierigkeiten, sich mit der verschulten Pädagogik anzufreunden: „Schon im Kindergarten wird in Bolivien unterrichtet. Ich habe aber meine Zweifel, ob die Erzieherinnen dafür richtig ausgebildet sind. Jedenfalls wirken die Kinder schnell überfordert.“ Inzwischen hat sie ihre Bedenken hinten angestellt. Die Arbeit mit den Kindern macht ihr großen Spaß. Auch wenn sich an ihrem Berufswunsch, Pharmazie zu studieren, noch nichts geändert hat.
Neu über die spätere Berufswahl nachdenken
Maria Reller kommt schon eher ins Grübeln. Sie wollte nach ihrem Abitur erst einmal ein Jahr ganz etwas anderes machen und beschäftigt sich nun doch mit der Frage, ob ein pädagogischer Beruf für sie infrage kommt. Ihr Einsatz wird vom Erzbistum Paderborn finanziert. Deshalb interessierten sich Weihbischof Matthias König und Ulrich Klauke von der Hauptabteilung Pastorale Dienste aus dem Erzbistum Paderborn bei ihrem Gespräch mit den MaZ im Rahmen des Zwischenseminars vor allem für ihre Erfahrungen. Zwei Wochen lang war die vierköpfige Delegation aus dem Erzbistum in Südamerika unterwegs, um verschiedene Projekte zu besuchen. So ergab sich auch das Gespräch mit den jungen Missionaren in Cochabamba. Dass Maria Reller die Arbeit inzwischen so gut gefällt, dass sie an die Rückkehr noch gar nicht denken mag, hörten sie gern.
Aber auch darauf bereitete das Zwischenseminar die jungen MaZ vor. „Denn in Deutschland wird es ihnen schwerfallen, sich wieder in die früher gewohnten Strukturen einzufinden“, so Birgit Bagaric. Kira Vey wird das allmählich bewusst: „Das fängt schon damit an, dass ich von manchen Freunden, die keinen Kontakt mit mir halten, enttäuscht bin. Andere wiederum überraschen mich, indem sie immer wieder an mich denken.“ Und ob sie wieder bei ihren Eltern wohnen will, weiß sie auch nicht: „Die freuen sich ja, wenn ich wieder zurückkomme. Aber wenn man ein Jahr lang auf eigenen Füßen gestanden hat, ist die Situation eine andere…“
Noch scheint das aber ganz weit weg: Erst im Juni treten die meisten der im Sommer 2011 ausgesandten Missionare auf Zeit ihre Rückreise nach Deutschland an.