Die Manege in Berlin Marzahn gibt Jugendlichen selbst bei der Konfrontation mit dem Tod wieder Hoffnung
Benni ist tot. Der 24-Jährige starb am 25. März an Leukämie. Ohne die „Manege“ im Don-Bosco-Zentrum in Berlin-Marzahn würde er in diesen Tagen anonym bestattet. Kaum einer hätte es mitbekommen. Jetzt trauern 230 Altersgenossen um ihn. Und im Garten des Jugendzentrums, der jeden Tag von jungen Menschen durchzogen wird, wird er einen Grabstein mit seinem Namen erhalten. „Wir sind hier keine übliche Maßnahme. Wir sind für unsere Jugendlichen ein Ort voller Leben und für viele ein Zuhause“, sagt Schwester Margareta Kühn. Und wenn zuhause jemand stirbt, wird getrauert.
„Wir wollen seinen Tod gemeinsam tragen, verarbeiten und etwas Positives für uns selbst daraus ziehen“, erklärt die Ordensfrau, die das Zentrum gemeinsam mit den Salesianern Don Boscos und Sr. Maria Raphaela Benkhoff, die vor vier Jahren dazu kam, aufgebaut hat. Für 230 Jugendliche ist die Manege inzwischen ein fester Anlaufpunkt. 100 sind täglich in verschiedenen Arbeitsbereichen und in der offenen Aktivierung tätig. 17 machen sogar eine Ausbildung in der Küche, in der Hauswirtschaft oder als Maler. Bis zu 80 sind monatlich Besucher des Beratungsbusses, der zu allen Sprechzeiten direkt vor dem Job Center steht. Und ca. 30 gehören zum sogenannten offenen Bereich: Diesen Jugendlichen kann das Don-Bosco-Zentrum noch keine feste Aufgabe bieten. „Aber wir geben ihnen eine Gelegenheit, mit uns den Tag zu verbringen und Ansprechpartner zu finden, wenn die Schuhe drücken. So brauchen wir keine klassischen Wartelisten, denn das wäre viel zu passiv“, erläutert Schwester Margareta.
Auf die Straße des Lebens kommen
Das Wichtigste sei, dass die Jugendlichen „mit und durch uns auf die Straße des Lebens kommen, weg von den Trampelpfaden im sozialen Aus.“ Dafür steht die Einrichtung an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden offen. 25 Mitarbeiter versuchen dem Andrang der Jugendlichen zu begegnen. Dieses „Für andere da sein“ ist für die 47-Jährige Missionsarbeit und Pastoral im modernsten Sinn: „Dass Kirche auch da ihr Gesicht zeigt, wo niemand einen Begriff von ihr hat.“
Berlin-Marzahn: Das bedeutet Diaspora-Arbeit im religiösen Niemandsland. Gerade einmal drei Prozent gehören in dem Stadtbezirk mit über 200 000 Einwohnern einer Kirche an. Der größte Teil kommt mit ihr nie in Berührung. Die Jugendlichen in der Manege schon, weil für Sie in jeder Minute erfahrbar wird, dass sie – so wie sie sind – gesehen, willkommen und unverwechselbar sind, dass sie vermisst werden, wenn sie nicht da sind und gesucht, wenn nicht klar ist, was los ist.
Vortrag vor den Bischöfen
Bennis Schicksal beschäftigte sogar die deutsche Bischofskonferenz. Bei der Zusammenkunft im Erzbistum Paderborn vom 14. bis zum 17. März durfte Schwester Margareta das Projekt beim Abschlussabend vorstellen. Die „Manege“ wird unter anderem vom Bonifatiuswerk aus Paderborn unterstützt. So kam ihr Vortrag vor dieser Versammlung zustande. Und da berichtete sie auch von dem todkranken Benni. „Denn was will man in einer kurzen Redezeit sagen? Am besten doch das, was oben auf liegt – und Benni lag und liegt derzeit in seiner besonderen Situation oben auf“, sagt die Schwester. Sie berichtete von den Jugendlichen, die ihm beistanden. Und auch von dem Mitarbeiter, der oft im Krankenhaus Geige spielte, weil Benni dann besser einschlafen konnte: „Darauf war er super stolz, denn das Spiel galt ihm.“
Schwester Margareta erklärt: „Die Bischöfe wissen um die Bedeutung einer solchen Begleitung und es wird deutlich, dass wir als Kirche – auch Dank der Bistumsspenden aus Erstkommunion- und Firmkollekten – hier mitten unter den Menschen sein können. Als Boten, als Mittler, als Menschen, die aus ihrem reichen Hoffnungsschatz viel abgeben können, ohne gleich oder überhaupt als Reaktion mit einem Taufwunsch zu rechnen.“
Weihnachten und Ostern in Alltagsliturgie verwandeln
Und auf die Frage, welchen Nutzen die Kirche aus dieser Form missionarisch-pastoraler Arbeit ziehen könne, hatte sie ebenfalls eine Antwort parat: „Wenn wir als Christen einstehen für die Würde jedes Einzelnen und durch und mit uns das Leben spürbar heller wird – dann sind Weihnachten und Ostern in Alltagsliturgie verwandelt.“ In einem solchen Bezirk, wo die kirchliche Bindung schon seit zwei Generationen nicht mehr vorhanden sei, könne Gott so erfahrbar werden: „Das hilft nicht zuletzt auch uns selbst, denn die Konturen des Evangeliums kommen klarer heraus“.
So arbeitet sie mit den Jugendlichen in diesen Wochen auch den Tod von Benni auf. „Der Tod, das ist für die meisten seiner Freunde eine schwarze Wand. Dahinter gibt es nichts mehr. „Wir dürfen die Trauerfeier hier im Haus miteinander gestalten. Die Urne, die vorher von einigen Jugendlichen bemalt wird, wird dann vom Don-Bosco-Zentrum aus auf den nahen Friedhof gebracht und alle finden sich im Anschluss hier wieder zusammen. Da schwingt Hoffnung mit, da bleibt keiner allein.“
Ein gegenseitiges Geben und Nehmen
Schwester Margareta sagt: „Was wir hier tun, ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen.“ Beispielsweise gebe es Firmgruppen, die für diese Einrichtung spenden und die Einrichtung dann auch einmal besuchen. Zimmer sind im angeschlossenen Jugendgästebereich ausreichend vorhanden. „Dann begegnen sich hier auf einmal zwei Lebenswelten und davon profitieren immer beide Seiten“, betonte die Ordensschwester auch vor den Bischöfen.
Bis gegen Mitternacht habe die Diskussion mit den 100 Teilnehmern gedauert. Darunter nicht nur Bischöfe, sondern auch Gäste aus dem Erzbistum. Und zuversichtlich bilanziert die Mitbegründerin der Manege: „Das war ein wunderbarer Ausgangspunkt für alles, was wir auf diesem gemeinsamen Weg als Kirche in unserer Zeit noch vor uns haben und ganz sicher auch miteinander weitertragen können.“