Engagierte Diskussion über die Strukturen der Gemeinden in Deutschland und Brasilien
Um die Lebendigkeit der Kirche in Deutschland zu bewahren, müssen Laien nicht nur stärker einbezogen, sondern auch besser ausgebildet werden. Das war die Kernforderung des ersten Missionarischen Forums am Freitagabend im Bergkloster Bestwig. Die engagierte Sozialarbeiterin Ana Maria de Freitas aus Brasilen berichtete von ihrer Basisgemeinde in Fortaleza, wo Laien die gesamte Gemeindestruktur organisieren. Und Ansgar Kaufmann, Leiter der Diözesankomitees im Erzbistum Paderborn, unterstrich, dass diese Basisgemeinden auch ein Modell für die katholische Kirche in Europa wären. „Doch gibt es hier noch Widerstände. Nicht nur bei den Priestern – auch in den jetzigen Gemeinden.“
40 Besucher verfolgten die lebhafte Diskussion. Zahlreiche angemeldete Gäste hatten ihr Kommen aufgrund der schwierigen Straßenverhältnisse kurzfristig wieder absagen müssen. „Doch uns war wichtig, neue Impulse für die Diskussionen innerhalb der Kirche zu setzen. Das ist uns gelungen“, freut sich Schwester Klara Maria Breuer. Sie leitet die Missionszentrale der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel im Bergkloster Bestwig. Zusammen mit ihrem Referenten Winfried Meilwes, der Aktion Adveniat und dem Diözesankomitee hatte sie zu dem vierstündigen Forum eingeladen. Das stand unter der Überschrift: „Eine neue Art Kirche – was wir von den Laien in Südamerika lernen können.“
Situation in Deutschland: Viele engagierte Laien wurden verletzt
In seinem Eingangsstatement analysierte Winfried Meilwes die derzeitige Situation der katholischen Kirche in Deutschland: „Viele motivierte Laien sind in den letzten Jahren von ihrer Kirche verletzt worden und haben ihr den Rücken gekehrt.“ Das liege zum einen an fehlender Wertschätzung, zum anderen an fehlender Mitbestimmungsmöglichkeit. Die zunehmende Unvereinbarkeit von Beruf und Ehrenamt spiele eine weitere Rolle. Ansgar Kaufmann fügte in der abschließenden Diskussionsrunde hinzu: „Einen Großteil derjenigen, die wir dadurch verloren haben, könnten wir heute gut gebrauchen.“ Inzwischen nehme er ein Umdenken im Bistum Paderborn wahr: „Das Bewusstsein dafür, dass wir Menschen brauchen, die Verantwortung in der Gemeinde übernehmen, auch wenn sie dabei ihre eigenen Ideen einbringen wollen, wächst.“
Winfried Meilwes wies darauf hin, dass es immer schlechter gelinge, Jugendliche nach Kommunion und Firmung weiter für die Kirche zu begeistern: „Die Firmung ist zu einer Abschiedsveranstaltung aus der Kirche geworden.“ Genau das erlebt Ana Maria de Freitas in Brasilien ganz anders. Als sie ihre Arbeit in Brasilien vorstellte, erklärte sie: „Für mich war die Firmung die Eingangspforte in die Kirchengemeinde. Und das erlebe ich heute noch so. Wir sprechen Jugendliche nach der Vorbereitungsphase auf dieses Sakrament darauf an, ob sie Aufgaben übernehmen wollen. Und viele sind stolz darauf, Verantwortung tragen zu dürfen.“ Zunächst besuchten die Jugendlichen die Firmlinge des vergangenen Jahres, um von ihnen zu lernen. „Das trägt zum Zusammenhalt bei.“ Und bald darauf würden ihnen erste Aufgaben im erzieherischen Bereich mit Kindern anvertraut.
Projekt in Fortaleza: Aus Müllsammlern Umweltagenten gemacht
Ana Maria de Freitas engagiert sich in einer Pfarrei, die einen Priester hat und aus 16 von Laien geleiteten Basisgemeinden besteht. Nur einmal monatlich kämen Vertreter aus allen 16 Orten zusammen. Dazwischen gebe es die Gottesdienste in den kleinen Gemeinden: „Die sind immer sehr gut besucht, lebendig und emotional gestaltet.“ Innerhalb der Woche träfen sich noch kleinere Kerngruppen. So wie die Initiative zum Müllrecycling in Fortaleza, die Ana Maria de Freitas aufgebaut hat: „Frauen, die früher unter armseligen Bedingungen einzeln Müll sammelten und zwischen spielenden Kindern sortierten, haben ihre Dienste jetzt organisiert und nennen sich selbstbewusst Umweltagenten.“ Durch Spendengelder wurden Handkarren angeschafft. Der Pfarrer hat eine Lagerhalle zur Verfügung gestellt. Dankbar zeigt sich die Sozialarbeiterin darüber, dass Ordensgemeinschaften und Hilfswerke aus Europa solche Initiativen unterstützen. Auch im Bereich der Katechese. Allerdings räumte sie ein, dass es da auch in Brasilien Pfarrer gebe, die die Eigeninitiative und Verantwortung der Laien einschränken wollten.
Insgesamt fühlten sich die Laien durch die Amtskirche allerdings gut unterstützt: „Wenn sich unsere nationale Konferenz der Laiengruppierungen trifft, sind die Bischöfe dabei“, erläuterte Ana Maria de Freitas. Und mehr noch: „Die Bischöfe bezeichnen die Basisgemeinden als Zellen des religiösen Lebens.“ Hier sei Brasilien viel weiter, stellte Ansgar Kaufmann in der Diskussion mit der Referentin fest: „Das würde ich mir als Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, unserer Laienvertretung, mal wünschen: Dass alle Bischöfe zu uns kommen!“
Normalität in Brasilien: Kommunionfeier ohne Priester
Auch was die Organisation der Gottesdienste durch Laien angeht, gebe es in Südamerika längst keine Widerstände mehr, erklärt die Brasilianerin. „Denn bei uns sind die Gemeinden viel größer. Und da bleibt den Priestern einfach nichts anderes übrig. Also fänden viele Gottesdienste ohne sie statt. Ohne Wandlung, aber mit Austeilung der Kommunion. Die „Minister der Eucharistie“, die diese Kommunionfeiern leiten, würden in einjährigen Seminaren ausgebildet.
Ansgar Kaufmann bestätigte, dass die Überlegungen auch hier in diese Richtung gehen. Schon jetzt sei absehbar, dass in vielen Kirchen bald kein Priester mehr für einen Sonntagsgottesdienst zur Verfügung stünde: „Dort soll es dann Wortgottesdienste geben und Eucharistiefeiern nur noch an zentralen Orten. Aber dagegen wehren sich auch die Gemeinden.“ Schwester Maria Andrea Stratmann, die am Bergkloster Exerzitien leitet, stellte fest: „Wir haben uns noch nicht daran gewöhnt, das Wort Gottes auch in anderer Form anzunehmen. Wir wollen immer die Höchstform: Eine Eucharistiefeier, die von einem Priester geleitet wird.“
Schwester Maria Ignatia Langela wünscht sich deshalb auch für Deutschland Laien als Gemeindeleiter. In der Schweiz sei das schon üblich. Ansgar Kaufmann bestätigte allerdings, dass es da noch deutliche Vorbehalte der deutschen Bischofskonferenz gebe. Diese Verantwortung Laien zu übertragen, ginge ihnen offenbar noch zu weit.
Gemeinsames Ziel: Den Kern der Kirche durch neue Formen retten
Ana Maria de Freitags weiß, dass es im Nordosten Brasiliens längst Regionen gibt, in denen nur noch zu Ostern und zu Weihnachten ein Priester in die Gemeinden kommt. Den Rest des Jahres müssten sie mit einem Vorrat konsekrierter Hostien auskommen. „Und trotzdem ist die Anwesenheit des Priesters ein feierliches Ereignis. Noch kommen sie ohne ihn nicht aus.“ Aber wann könnte das soweit sein?
Daraus folge, dass sich das Gemeindeleben in Brasilien viel weniger über die Gottesdienstfeiern als über das soziale Zusammenleben definiere. Ana Maria de Freitas hielt fest: „Das entspricht dem Wesen der Kirche. Insofern sind wir auch keine neue Kirche, sondern nur eine andere Art. Wir wollen Althergebrachtes durch neue Formen retten. Darin sehen wir unsere Aufgabe.“ Ansgar Kaufmann hat dieselbe Vision: „Die neue Kirche ist eigentlich die ganz alte. Es gibt immer noch zahlreiche Christen, die sich in den traditionellen und ursprünglichen Tätigkeitsfeldern wie der Hospizarbeit oder der Caritas engagieren. Sie gilt es anzusprechen. Hier nutzen wir unsere Chancen nicht.“
Diese Gruppen müsse man in kleinen Kernen unabhängig von der Großgemeinde erhalten. „Auch Einrichtungen und Dienste in christlicher Trägerschaft müssen wir neu als pastorale Orte entdecken. Hier findet Gemeindeleben statt.“ Vor diesem Hintergrund gelte es die Pastoral der Berufung nicht nur für Priester, sondern auch für Laien neu zu organisieren, ihnen mehr Vertrauen und Anerkennung zu schenken. Dazu sieht er im Erzbistum Paderborn gute Chancen – „und da kann man sicher viel von Südamerika lernen.“