Im Reginenhaus arbeiten 150 ehrenamtliche Helfer
Die hauptamtlichen Mitarbeiter sind in der Minderheit beim Koordinatoren-Treffen im Seniorenheim Reginenhaus. Heimleiter Johannes Kochanek und zwei Mitarbeiterinnen seines Hauses planen gemeinsam mit sechs ehrenamtlichen Helferinnen des Vereins Alternative Hamm e.V. den Ehrenamtstag am 29. Oktober, mit dem weitere ehrenamtliche Helfer gewonnen werden sollen.
Sitztanz könnte im Angebot sein und Rollstuhltraining. Jakkolo ist bei den Hausbewohnern sehr beliebt. Vielleicht sollte man einen Wettbewerb anbieten. Man muss noch mit dem Pflegedienst klären, ob der Beginn des Programms wegen der Mittagsruhe der Hausbewohner vielleicht zu früh ist. Wann soll der Chor singen, soll auch der Kindergarten eingeladen werden, wie wäre es mit Zwiebelkuchen am Abend? Die Ideen sprudeln – auch durcheinander.
Ordnende Kraft ist hier Monika Wacker. Die diplomierte Pädagogin und Theologin ist bei der Alternative Hamm für ein Jahr als Koordinatorin eingestellt. Ihre Stelle wird mit Mitteln des Kuratoriums Deutsche Altershilfe gefördert. Wackers Aufgabe besteht nicht nur darin, die Ideen zu ordnen, Einladungen zu erstellen und die Lokalpresse zu informieren. Ihre Hauptaufgabe ist die Moderation, das Vermitteln zwischen den hauptberuflichen Altenpflegern und den ehrenamtlichen Helfern. „Es gibt immer mal Reibungspunkte, wenn Ehrenamtliche ihre Kompetenz überschreiten“, weiß Ingrid Kötter, erste Vorsitzende des Vereins. Bei 150 ehrenamtlichen Helfern, die sich um die Bewohner des Reginenhauses bemühen, ist die Gefahr, dem Pflegedienst zusätzliche Arbeit zu bescheren, schon rein statistisch nicht gering.
Die gute Absicht reicht nicht aus
Es gab ehrenamtliche Helfer in der Cafeteria, die meinten, die Hygiene-Standards, die sie aus der eigenen Küche daheim kennen, seien ausreichend. Auch kam es vor, dass Helfer die Malstunden in einem Altenheim als Akademie-Kurs ansahen und die eigenen ästhetischen Vorstellungen bei den Bewohnern durchsetzen wollten. Auch mit Helfern, die glaubten, mehr über Altenpflege zu wissen als die ausgebildeten Fachkräfte, hat es in der Vergangenheit Konflikte gegeben, gibt Kötter zu. „Aber inzwischen sind wir hier ganz gut akzeptiert.“ Anfangs fühlten sich die hauptberuflichen Mitarbeiter zurückgesetzt und unter erhöhtem Druck“, sagt Christiane Mitlewski. Sie hat selbst als Altenpflegerin gearbeitet und koordiniert nun den Besuchsdienst, mit dem im Reginenhaus alles angefangen hat.
Seit dreißig Jahren gibt es diesen ehrenamtlichen Besuchsdienst. Jeder Bewohner, jede Bewohnerin hat einen so genannten Besuchspaten, der regelmäßig kommt. Vorlesen, Zuhören, Reden, Begleiten, einfach da sein, das machen die Besuchspaten immer dann, wenn die Angehörigen nicht da sind. Seit 1995 sind weitere ehrenamtliche Dienste hinzugekommen: Die „aktive und kreative Seniorenbegleitung“ übernimmt Gymnastik- und Spielstunden, gemeinsames Backen und Musizieren. Das „Dementia Care Mapping“ sorgt im Tandem-Verfahren mit ehren- und hauptamtlichen Kräften für die Qualitätssicherung und –verbesserung bei der Pflege dementer Bewohner. Es gibt eine ehrenamtliche Sterbebegleitung, in der Cafeteria arbeiten ehrenamtliche Helfer, die allesamt eine Hygieneschulung hatten, und der Bereich „Serviceleistungen“ übernimmt Einkäufe und Botengänge für die Heimbewohner, betreibt den Kiosk des Reginenhauses und produziert die Heimzeitung.
Nachdem die Ehrenamtlichen ein Beratungsstipendium von start social gewonnen hatten, kam noch der Bereich Fundraising hinzu. Dafür wurde 2007 der Verein gegründet. Der hat nur fünf zahlende, aber 150 beitragsfreie Mitglieder. Wer seine Arbeitskraft für die Bewohner des Reginenhauses einsetzt, zahlt keine Vereinsbeiträge.
Die Ehrenamtlichen haben ein eigenes Büro im Reginenhaus (geöffnet immer montags von 10 bis 12 Uhr) und – auch das ist eine Besonderheit dieses Seniorenheims – außer dem Pflegedienst gibt es noch einen Sozialen Dienst, der unter der Leitung von Regina Behr für jede Art von Betreuung sorgt, die nicht medizinisch ist. Außerdem sorgt der Soziale Dienst dafür, dass sich die 150 Ehrenamtler im Haus nicht auf die Füße treten.
Professionelle Arbeit ohne Bezahlung
„In den meisten Seniorenheimen sind die Angehörigen die größte Gruppe der ehrenamtlichen Helfer“, weiß Monika Wacker. „Als Angehöriger kann man aber nicht beides, da ist man schon genug belastet“, wirft Eleonore Arens ein, die sich um die Heimzeitung „Blickpunkt“ kümmert. Besonders wenn die Demenz die Menschen immer mehr verändere, finde auch die Familie oft keinen Zugang mehr zu ihnen, weiß Heimleiter Kochanek.
Hauptberufliche Altenpfleger lernen in ihrer Ausbildung welche An- und Zusprache Menschen im Alter brauchen. Im Reginenhaus nehmen auch die Ehrenamtlichen an Schulungen und Fortbildungen teil. „Etliche Ehrenamtler sind sehr hoch qualifiziert“, sagt Kochanek, „einige haben sogar eine Ausbildung in integrativer Validation.“
Seitdem die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter gemeinsam an Schulungen und Fortbildungen teilnehmen, ist auch das Misstrauen der Profis gewichen. Angebote der Ehrenamtler werden meist durch die hauptberuflichen Pflegekräfte angeregt. Man arbeitet zusammen, ohne die eigenen Kompetenzen zu überschreiten. Henny Heinekamp, die im Bereich Sterbebegleitung arbeitet, betont: „Ich kann einem Patienten den Mund abwischen, aber ich kann und darf ihn nicht umbetten.“
„Wir unterstützen die Hauptamtler gerne und überall“, sagt Ingrid Kötter, „aber wir übernehmen nicht ihre Arbeit. Wir sind keine Lückenfüller für gestrichene Stellen!“
Lücken gibt es aber auch in den Reihen der Ehrenamtler. Die meisten sind Rentner mit einer ganz praktischen Einstellung zur Frage einer sinnvollen Beschäftigung und zur tätigen Nächstenliebe. „Viele, die hier helfen“, ist Ingrid Kötter überzeugt, „finden auch mehr Zufriedenheit im eigenen Altern.“ Doch irgendwann sind auch sie zu alt für die Arbeit im Seniorenheim. Jugendliche zu binden ist schwierig, denn die sind in der Regel mit Beginn der Berufsausbildung oder des Studiums weg.
Beim Ehrenamtstag am 29. Oktober will man für sich und den Dienst am Nächsten werben. Es wird viele Informationen zu den Arbeitsbereichen und Einsatzgebieten geben. Außerdem gibt es Musik, Sitztanz, einen Jakkolo-Wettbewerb, Raum für viele Gespräche und abends gibt es frischen Zwiebelkuchen.