Schwester Judith Beule legt im Bergkloster Bestwig ihre Ewige Profess ab
Mit den Worten „Ich bin bereit“ trat Schwester Judith Beule am Samstagmorgen in der Dreifaltigkeitskirche des Bergklosters Bestwig vor den Altar, um ihre Ewige Profess abzulegen. Damit bindet sich die 31-Jährige auf Lebenszeit an die Gemeinschaft der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel.
„Du hast erfahren, dass es im Leben nicht immer einfach ist, dass es oft an Unterstützung fehlt. Aber Du hast auch gespürt, was das Getragen-Sein durch Menschen ausmacht, die Dich gernhaben“, erklärte Pater Guido Hügen in seiner Predigt. Der Benediktiner aus der Abtei Königsmünster hatte 2018 schon die Messfeier zur Zeitlichen Profess von Schwester Judith geleitet und kennt sie seit vielen Jahren.
Schwester Judith ist gehörlos und sehbehindert. Daher setzt sie sich sehr stark für die Belange taubblinder Menschen ein. Seit 2022 arbeitet sie im Erzbistum Paderborn mit einer halben Stelle als Seelsorge-Koordinatorin für Menschen mit Hör-, Sprach- und Sehbehinderungen. In der Community tauber und taubblinder Menschen ist sie gut vernetzt.
So verwunderte es nicht, dass fast 200 Gäste die Kirche am Samstagmorgen füllten, die Provinzoberin Schwester Johanna Guthoff vor dem Beginn der Profess-Feier herzlich begrüßte. Darunter befanden sich zahlreiche Mitschwestern, Verwandte und Freunde – und unter den Freunden viele hör- und sehbeeinträchtigte Menschen. Dazu gehörten die beiden Diakone, die Pater Guido am Altar assistierten: Peter Hepp ist Taub-Blinden-Seelsorger in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Ihm assistierte seine Frau am Altar. „Er ist wie ich an dem Usher-Syndrom erkrankt und er hat mich in den vergangenen Jahren sehr unterstützt“, erzählt Schwester Judith. Der zweite Diakon war Josef Rothkopf, Gehörlosenseelsorger in der Diözese Aachen. Ihn hat Schwester Judith ebenfalls durch ihre verschiedenen Aufgaben Bereiche in der Gehörlosenseelsorge kennengelernt.
Ordensleben und Studium haben Erfüllung gebracht
Mit der Gehörlosen-Kultur und Gebärdensprache hat sich Schwester Judith auch während ihres Studiums an der Humboldt-Universität in Berlin auseinandergesetzt. Dort studierte sie das Fach Deaf Studies. „Dein Ordensleben und Dein Studium haben Dir Erfüllung gebracht“, freute sich Pater Guido. „Allein die Feier heute zeigt, wie Du die befreiende Botschaft Jesu an Menschen weitergibst, die sie nicht hören können – und sie sind wahrscheinlich besonders empfänglich dafür.“
Der Gottesdienst wurde von Gebärdendolmetschern für alle Nicht-Hörenden übersetzt. Die Gesänge transformierte der Berliner Gebärdenchor in ausdrucksstarke Gesten. In Gesten sprach Schwester Judith ebenfalls einen Teil ihrer Texte.
Schließlich legte sie ihre Gelübde ab: „Von Dir, Gott, gerufen und Deiner Treue gewiss, gelobe ich, Schwester Judith Beule, Dir vor Deiner Gemeinde in die Hände der Generaloberin Schwester Maria Thoma Dikow gottgeweihe Keuschheit, Armut und Gehorsam nach dem Evangelium für immer gemäß der Lebensordnung der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel. In dieser Gemeinschaft will ich vorbehaltlos mein Leben einsetzen im Dienst der Kirche, um der Welt die frohe Botschaft Deiner Liebe zu bezeugen zum Preise Deiner Herrlichkeit.“
Schwester Maria Thoma nahm die Profess an und überreichte Schwester Judith dafür als äußeres Zeichen den Ring als Zeichen der Treue Gottes. Anschließend gab es großen Applaus.
Langer Weg des Vertraut-Werdens
Mit dieser Profess führt ein langer Weg des Kennenlernens und Vertraut-Werdens mit der Gemeinschaft zur endgültigen Gewissheit: Die Schmallenbergerin, sie sich schon in ihrer Jugendzeit in der katholischen Jugendarbeit engagierte und Ministrantin war, absolvierte nach ihrer Fachoberschulreife am Berufskolleg Bergkloster Bestwig eine Ausbildung zur Kinderpflegerin und Erzieherin. Aufgrund der Entfernung wohnte sie schon in dieser Zeit während der Woche auf dem Klostergelände. Erste Kontakte zur Gemeinschaft erfuhr sie durch den Besuch der Gebetszeiten in der Klosterkirche.
Nach der Erzieherinnen-Ausbildung legte sie das Montessori-Diplom ab. Bereits im Kindergarten begann sie, Montessori-Materialien für taube Menschen zu entwickeln. 2016 trat sie in die Ordensgemeinschaft ein. Nach ihrem Noviziat studierte sie an der Humboldt-Universität in Berlin „Deaf-Studies“. Dieses Studium vermittelt fundierte Kompetenzen für pädagogische, therapeutische, beratende und sprachpraktische Tätigkeiten mit hörbehinderten Menschen. Währenddessen arbeitete sie mit einer Viertelstelle als Gehörlosenseelsorgerin im Erzbistum Berlin. Und seit Oktober 2022 ist Schwester Judith mit einer halben Stelle Gehörlosen-Seelsorgerin im Erzbistum Paderborn.
Für Gehörlose sieht sie fast überall Nachholbedarf. „Im Sinne von Barrierefreiheit wird zwar schnell an Rollstuhlfahrer und Rollator-Nutzer, auch an Sehbehinderte gedacht, aber selten an taube Menschen“, erklärt Schwester Judith. Tatsächlich ist die Gebärdensprache in Deutschland erst seit 2002 anerkannt. Bis dahin sollten Gehörlose vor allem lernen, von den Lippen zu lesen. Nicht erst in der Corona-Pandemie – als alle Menschen Masken trugen – stieß diese Kommunikationsform an ihre Grenzen.
An Barrierefreiheit für Taube wird meist nicht gedacht
Zunehmend erkennt die katholische Kirche, wie wichtig es ist, die besonderen Bedürfnisse dieser Menschen zu berücksichtigen. Daher versteht Schwester Judith ihre Arbeit als Koordinatorin für Menschen mit Hör-, Sprach- und Sehbehinderungen auch so, Hörende für die Bedürfnisse dieser Menschen zu sensibilisieren und zu schulen. In diesem Monat hat sie mit einer Fortbildung zum Thema „Dienende Seelsorge in Gebärdensprache. Basisqualifizierung für taube Menschen“ begonnen, die sie selbst mitkonzipiert und entwickelt hat.
Zu ihrer Arbeit gehören spirituelle Impulse und Übersetzungen in Gebärdensprache. Dafür nimmt sie in einem Nebenraum ihres Büros im Bergkloster Bestwig regelmäßig Videosequenzen auf. Darüber hinaus unterrichtet sie Gebärdensprache an der Volkshochschule in Meschede.
In der Coronazeit begannen die ersten Schwestern im Bergkloster Gebärdensprache zu lernen. Und im Sommer gab Schwester Judith an der Humboldt-Universität ein Präsenz-Seminar zum Thema „taktile Kommunikation“.
In der Aufgabe, Barrieren abzubauen und Hörende und Sehende für die Belange tauber, blinder und taubblinder Menschen zu sensibilisieren, sieht sie einen wichtigen Teil ihrer Berufung. Dem geht sie nun in der Ordensgemeinschaft nach.
„Mit der Ewigen Profess stellst Du Dich ganz in den Dienst Gottes, um ganz für die Menschen da zu sein“, fasste Pater Guido zusammen. Das entspreche dem Leitsatz der Ordensgründerin Maria Magdalena Postel: „Die Jugend fördern, die Armen unterstützen und nach Kräften Not lindern.“ Und zudem spiegele sich im Leben von Schwester Judith wider, dass sich neue Wege eröffnen, wenn andere blockiert scheinen: „Denn Du vertraust ganz auf Jesu Wort: ‚Ich bin der Weg‘.“