Schwester Theresita Maria Müller beschreibt in ihrem Buch, wie Menschen mit ihrer Trauer um einen geliebten Menschen umgehen
Der Karfreitag ist für die Christen ein Tag zum Innehalten. Jesus war am Kreuz gestorben. Doch hatte der Tod nicht das letzte Wort. Darauf ruhen die Hoffnung und der Trost vieler Menschen bis heute, wenn sie Abschied nehmen müssen von einem geliebten Menschen. In ihrem neuen Buch „Wenn alles stillsteht… Wege aus Schmerz und Trauer“ lässt Schwester Theresita Maria Müller Frauen und Männer über ihre Wege mit und aus der Trauer berichten.
Nachdem sie sich 2018 im Rahmen der Buchreihe „Das Leben fragt, Christen antworten“, mit den verschiedenen Facetten und der Bewältigungsstrategien von Trauer befasste, ließ sie dieses Thema nicht mehr los. Die Autorin weiß: „Es ist wichtig diese Erfahrungen zu teilen und weiterzugeben.“ Und das haben auch viele ihrer Interviewpartnerinnen und -partner gespürt. Sie hat sie nicht lange suchen müssen: „In meiner eigenen Familie und meinem Bekanntenkreis gibt es schon eine Reihe Menschen, die lernen mussten, mit Trauer umzugehen.“
Während ihres Einsatzes als Friedensbotschafterin in St. Mère Eglise in Frankreich hatte die ausgebildete Religions- und Musiklehrerin und frühere Schulleiterin mit dem Gemeindepfarrer ihren dortigen besten Freund verloren. Er hatte sich das Leben genommen. Auch ihre Eltern sind vor einigen Jahren gestorben. Und im vergangenen Jahr begleitete sie ihre Schwägerin, deren Sohn mit 20 Jahren starb. Auf weitere Gesprächspartner stieß sie im Gespräch mit einer Bekannten und mit Mitschwestern, die in der Hospizarbeit tätig sind.
Im Kloster ist der Tod „normaler“
Der Tod spielt überall eine Rolle. „Wir müssen lernen, den Tod wieder in unser Leben zurückzuholen“ hatte ihr eine Mitarbeiterin des Beerdigungsinstituts Pütz-Roth aus Bergisch Gladbach schon bei ihrer ersten Recherche vor fünf Jahren gesagt. „Denn heute werden viele Menschen auf der letzten Wegstrecke ihres Lebens nicht mehr zu Hause begleitet, sondern im Krankenhaus und im Seniorenheim“, weiß Schwester Theresita Maria.
Ganz anders ist es im Bergkloster Bestwig. Hier verbringen die meisten Schwestern ihren Lebensabend. Liegt eine von ihnen im Sterben, halten die Mitschwestern Wache. Niemand soll den letzten Weg alleine gehen. Und ist sie gestorben, versammeln sich alle zum Totengebet und zur Beerdigung in der Dreifaltigkeitskirche. Beigesetzt wird die Schwester dann auf dem Klosterfriedhof. „Und an 365 Tagen im Jahr rufen wir die Toten in Erinnerung, indem wir die Namen der Schwestern, deren Todestag sich jährt, im Gebet der Vesper nennen“, erläutert Schwester Theresita. Sie stellt fest: „Das macht den Tod normaler.“
In einer zunehmend säkularen Gesellschaft aber rücke er immer mehr aus dem Blick. Auch der Glaube an ein Ewiges Leben oder traditionelle, oft christliche Rituale, gerieten zunehmend in Vergessenheit. Umso unbeholfener sei häufig der Umgang mit Trauer. Und umso wichtiger sei es, positive Erfahrungen zu teilen, wie sie Schwester Theresita Maria in ihrem Buch zusammenführt.
Charta für Trauernde
Das Grundgerüst dafür bietet die Charta für Trauernde, die die studierte Religions- und Musiklehrerin während ihrer Zeit als Redakteurin im Bonifatiuswerk bis zu ihrer Verrentung 2020 erstellt hat. Zehn Rechte, die dem Trauernden Orientierung nach dem Abschied eines geliebten Menschen geben: was er sich zugestehen darf, worauf er achten soll, wonach er suchen darf. „Es geht darum, wie und wie lange man trauert, welche Arten von Trauer es gibt, wann Trauer pathologisch wird, wie ich das vermeide und wie man aus der Trauer wieder herauskommt“, fasst Schwester Theresita Maria zusammen.
Dafür gibt es in ihrem Buch viele ermutigende Beispiele. Etwa die Erfahrungen der bekannten Schauspielerin und Sängerin Véronique Elling, deren Sohn mit 16 Jahren aus bislang unbekannten Gründen am Ufer der Alster in Hamburg ermordet wurde. Eine solche Erfahrung löst Wut und Hilflosigkeit aus. Schwester Theresita Maria bat sie um ein Interview. Die Sängerin lud die Autorin daraufhin zu einem Gespräch ein. Das konnte wegen der Pandemie allerdings nur über den Bildschirm stattfinden. Dabei erzählte Véronique Elling, wie sie es geschafft habe, keinen Hass auf die Täter zu empfinden, „denn ich möchte das Liebesband zu meinem Sohn nicht mit meiner Wut beschmutzen.“ Ihre Schauspielausbildung habe geholfen, die Emotionen zu steuern: „Wenn der Schmerz so stark war, dass er mich zu überrollen drohte, habe ich mich daran erinnert, dass es die Liebe ist, die den Schmerz so groß sein lässt.“
Schwester Theresita Maria lässt ihre Gesprächspartnerinnen und -partner erzählen, wie sie Hoffnung fühlen, wie sie lernen zu begreifen, dass der Verstorbene nicht mehr da ist und trotzdem Formen finden, mit dem Toten weiterzuleben.
Unterschiedliche Strategien
Eva, deren Mann nach schwerer Krankheit mit 64 Jahren starb, berichtet, wie sie sich „nachdenkliche Filme“ angesehen habe, die ihr zeigten, dass auch andere Menschen Schicksalsschläge hinnehmen müssten. Das kann trösten. Für Margret ist der Friedhofsbesuch ein therapeutisches Element: „Ich gehe auch jetzt noch, nach mehr als 30 Jahren, regelmäßig zu Evelyns Grab und bepflanze es schön (…). Ich weiß, dass Evelyn nichts davon hat, aber mir und meinem Mann tut es gut.“ Wieder andere richten sich einen Trauerbereich in ihrer Wohnung ein, sprechen dort mit ihrer geliebten Frau oder dem verstorbenen Sohn. Andere tauschen sich über Social-Media-Kanäle aus. Und nicht wenige erfahren einen guten Beistand durch professionelle Begleitung.
Als ein wichtiges Element in der Trauerbewältigung nennt Schwester Theresita Maria auch die Musik. Sie hat 2022 selbst erst eine Weiterbildung an der Therapieharfe abgeschlossen und ist mit diesem Instrument in Seniorenheimen und Hospizen unterwegs. Darüber hinaus weiß die 67-Jährige um die Bedeutung guter Texte. Ihr war es daher ein Anliegen, den zehn Kapiteln zu der Charta für Trauernde ein elftes hinzuzufügen: „Heilsame Worte, Gedanken und Gebete.“
Insgesamt hat sie sich mit 22 Menschen unterhalten, die in unterschiedlichen Lebensphasen sehr unterschiedliche Verluste erlitten haben. „Das Buch richtet sich nicht nur an gläubige Christen, sondern an alle, die trauern, die Trauenden beistehen wollen oder die wissen, dass Trauer irgendwann einmal auf sie zukommt“, erklärt Schwester Theresita Maria.
Für 16 Euro erhältlich
„Wenn alles stillsteht… Wege aus Schmerz und Trauer“ ist im Herbst 2022 beim Bonifatius-Buchverlag in Paderborn erschienen (ISBN-13: 9783897109353). Es hat 144 Seiten und kostet 16 Euro. Erhältlich ist es unter anderem im Klosterladen des Bergklosters in Bestwig.