Schwester Maria Ignatia Langela hat 50 ihrer Bilder für ein Buch ausgewählt und ergänzt sie mit inspirierenden Texten
„Warum nicht?“ Diese Frage hat Schwester Maria Ignatia ein Leben lang begleitet. Darum wurde sie Ordensschwester. Darum begann sie zu malen. Darum veröffentlicht sie jetzt ein Buch. Darin versammeln sich 50 ihrer Werke. Und zu jedem gehört ein Text, der die Leser zum Nachdenken über das eigene Leben bringt. Manchmal hat sie ein Psalm oder ein Zitat zu dem Bild inspiriert. Manchmal war es umgekehrt – und das Bild erinnerte sie an ein passendes Buch oder ein entsprechendes Gedicht. Manchmal schreibt sie ihre Gedanken aber auch selbst. Gedanken, die wie ihre Bilder hinausführen in eine Weite, staunen lassen und Hoffnung geben.
Mit dem Malen begann die studierte Mathematik- und Physiklehrerin 2006. Damals übernahm sie die Schulleitung eines Gymnasiums in Halle an der Saale. Wo es nur knapp zehn Prozent Christen gibt. Zuvor hatte sie 16 Jahre lang das Engelsburg-Gymnasium in Kassel geleitet, an dem sie bereits seit 1972 unterrichtete. Man sah sie dort bis zum Ruhestand. Doch als sie von der Vakanz in Halle erfuhr, löste das eine Resonanz in ihr aus. Also fragte sie sich erneut: Warum nicht?
Diese Frage gibt sie den Leserinnen und Lesern des Buches „Umarmt vom unendlichen Leben“ mit auf den Weg. Sie möchte sie ermutigen, mit Vertrauen eigene Vorhaben anzugehen, auf die innere Stimme zu hören. Beispielsweise, um zu Pinsel und Farbe zu greifen. Im Vorwort ihres Buches schreibt sie: „Sie werden merken, welch magische Anziehungskraft von einer makellos weißen Leinwand ausgeht, und erstaunt sein, welcher Genuss nach vollbrachter Tat auf Sie wartet.“
„Dann musst Du eben selbst etwas malen“
Das spürte sie 2006, als sie in Halle an der Saale ihre neue Wohnung bezog. Für die große weiße Wand ihres Wohnzimmers fehlte ihr ein Bild. „‘Dann musst Du eben selbst eins malen‘, hörte ich. Gibt es einen guten Grund dagegen? Nein.“ Ihre Nichte brachte ihr dort das Malen mit Acrylfarben bei.
Vier Jahre später wurde sie pensioniert und übernahm die Verantwortung für den Gästebereich im Bergkloster Bestwig. Auch dies eine Aufgabe, nach der sie nicht gesucht hatte, sondern die sich ergab: „Das Wort des heiligen Ignatius ‚Nichts suchen und nichts verweigern‘ ist für mich in den fast 60 Jahren meines Ordenslebens der Kern des Gehorsamsgelübdes.“ Das Studium der Mathematik und Physik hätte sie nicht selbst gewählt. Die Schulleitung am Engelsburg-Gymnasium auch nicht. „Doch bin ich für diese Erfahrungen zutiefst dankbar. Sie haben mich in eine Weite geführt, die ich nie gefunden hätte, hätte ich sie gesucht.“
So erlebte und erlebt sie den Gehorsam als Freiheit. Und diese Offenheit, diese Dankbarkeit, dieser Mut spricht aus ihren Bildern. Das sagen schon die Titel wie „Trotzdem“, „Offen für das, was kommt“, „Geknickt und aufgerichtet“, „Einmalig im ganzen Kosmos“, „Nur Mut!“, „Aus der Enge in die Weite“ „Das Irdische hinauflieben“ oder „Durch Liebe und Leid zur Vollendung.“
„Die Bilder entstehen nie zufällig“
Das auf der letzten Seite ihres Buches abgedruckte Bild hat sie gerade wieder neu gemalt: „Trau der Kraft deines Herzens“. Mit dieser Zuversicht beginnt sie jedes ihrer Werke, für das sie anfangs immer eine Idee hat. „Die Bilder sind nie zufällig entstanden“, betont die Ordensfrau. Sie seien die Projektion dessen, was in ihr lebt. Doch könne im Schaffensprozess etwas Unerwartetes passieren. „Hier verschwindet etwas. Da entsteht etwas Neues. Dann muss man den Mut haben, mit dem, was einem entgegenkommt, weiterzuarbeiten und nicht durchzusetzen, was man ursprünglich wollte“, erklärt die inzwischen 77-Jährige, noch immer voller Tatendrang.
Die mathematische Logik und stringente Linie, die sie auch von ihrem Vater geerbt zu haben glaubt, lässt sie dann hinter sich. „Stattdessen entdecke ich jetzt die musische, die kreative Seite meiner Mutter in mir.“ Beides steckt in ihren Bildern.
Bereits am ersten Tag nach ihrer Pensionierung besuchte sie einen Steinmetzkurs, etwas später arbeitete sie in einer Sommerakademie unter anderem mit Sägemehl und Sand. „Dort hatte mich der Kursleiter ermutigt, der Entstehung eines Werkes Raum zu geben, Dinge einfach stehen zu lassen und nicht alles harmonisieren zu müssen“, erzählt Schwester Maria Ignatia.
Im Bergkloster Bestwig löste der neu gestaltete Felsensaal wieder einen Impuls in ihr aus. Die weiße Kopfwand schien nach Farbe zu verlangen. „Ich verdanke unserer damaligen Provinzoberin Schwester Pia Elisabeth Hellrung, dass ich hier mit dem Malen weitermachte. Sie gab mir die Freiheit, für den Saal ein Bild zu schaffen und bat mich obendrein: ‚Dann denke auch an den Flur‘.“
„Gott hat uns als Creator geschaffen“
So entstand für den Felsensaal das 1,20 Meter hohe und 2,20 Meter breite Triptichon mit dem Titel „Überdies hat er die Ewigkeit in alles hineingelegt“ nach Kohelet 3,11. Darauf zu sehen ein Kreis als Abbild des Kosmos und der Ewigkeit. Eine Kornähre für die Verheißung des Säens, dass Mutter Erde Frucht bringen möge. Und eine stilisierte Blume, faszinierend schön, zerbrechlich, vergänglich, blutrot, absichtsfrei geschaffen und Symbol für Gottes Lust an der Schöpfung.
Geometrische Symbole kommen in vielen von Schwester Maria Ignatias Bildern vor. Gemeinsam mit konkreten Gegenständen dominieren diese Elemente oft vor einem abstrakten Hintergrund. So ist es auch mit den vielen Facetten des Lebens, in dem immer nur ein paar Themen, Ziele oder Fragen im Vordergrund stehen.
Mittlerweile hat Schwester Maria Ignatia rund 100 Kunstwerke geschaffen. Bilder und Plastiken. Und diese Leidenschaft will sie teilen. „Als ich nach Bestwig kam, habe ich mich gefragt, was die Menschen suchen. Es gibt sehr viele Angebote über Worte, aber weniger Kreatives. Dabei sind wir doch selbst von einem großen Creator geschaffen worden. Und wenn wir dessen Ebenbild sind, heißt das doch ganz offensichtlich, dass diese Begabung auch in jedem von uns steckt.“ Also lud Schwester Maria Ignatia zu Kursen ein wie „Aus Asche wird ein Hoffnungsbild.“ Und schnell erfuhr sie, wie gut es vielen Menschen tut, sich nicht über Worte mitteilen zu müssen, sondern sich über Formen und Farbe ausdrücken zu können.
„Künstlerisches Schaffen kann versöhnen“
„Ich erinnere mich gerne an eine Teilnehmerin, deren Mann verstorben war und die für das Wochenende, an dem sie mit ihm gerne Goldene Hochzeit gefeiert hätte, eine kreative Beschäftigung suchte. Sie war von einem Holzstück fasziniert, zu dem zwei sich umarmende Figuren passten. Die gestaltete sie dann in Bronzeoptik und setzte sie darauf. Daraus wurde für sie eine faszinierende Begegnung zwischen Leben und Tod.“ Hinterher schrieb sie ihrer Kursleiterin: „Das hätte ich nicht gedacht. Ich bin sooo glücklich.“ Für Schwester Maria Ignatia sind das Sternstunden: „Versöhnt zu werden und neue Freude zu finden. Das kann künstlerisches Schaffen tun.“
Die Bilder von Schwester Maria Ignatia hängen inzwischen an mehr als 39 verschiedenen Orten. Dazu gehören auch ein Krankenhaus und eine Praxis für Psychotherapie. „Das ist schon interessant“, staunt Schwester Maria Ignatia selbst – „offenbar haben diese Werke für viele eine heilsame Wirkung.“
Die ausgewählten und geschriebenen Texte vertiefen die Gedanken, die den Titeln ihrer Bilder zugrunde liegen. Dies sind Bibelstellen, aber auch Zitate von Karl Rahner, Dietrich Bonhoeffer oder Lorenz Marti, Gedichte von Albrecht Dürer, Hilde Domin oder Erich Fried. Zu einigen Texten ließ sich Schwester Maria Ignatia selbst inspirieren. Etwa zu dem Bild Verwandlung:
„Man gebe zu einer Radkappe einen Titanspritzer, und es entsteht ein Kunstwerk. Man gebe zu einem Alltagsquerwort einen Spritzer Humor, und es entsteht eine unverkrampfte Atmosphäre. Man gebe bei einem Treffen ein Stück von sich selbst, und es mutiert zu einer Begegnung.“
Warum nicht?
Für 22 Euro erhältlich
Das Buch „Umarmt vom unendlichen Leben“ erscheint am 8. Februar im Verlag Butzon und Bercker (ISBN-13: 9783766635600) und ist bereits im Klosterladen des Bergklosters Bestwig erhältlich. Es hat 142 Seiten und kostet 22 Euro.