Carina Schröer übernimmt zum 1. März die Leitung des Julie-Postel-Hauses
Die Arbeit mit jungen Müttern und deren Kindern war in ihrem Berufsleben schon immer ein Schwerpunkt. Umso mehr freut sich Carina Schröer, jetzt die Leitung einer Einrichtung übernehmen zu können, in der sie schon als Studentin ein Praktikum absolviert hat: dem Julie-Postel-Haus am Bergkloster Bestwig.
Das Julie-Postel-Haus bietet derzeit 30 jungen und manchmal auch noch werdenden Eltern Wohnplätze mit intensiver pädagogischer Begleitung an. Ein fast genauso großes Team von Fachkräften kümmert sich um die jungen Menschen. Meistens sind es junge Mütter, von denen viele noch nicht einmal volljährig sind. Mit der Situation, jetzt Verantwortung für ein Kind oder sogar mehrere Kinder zu übernehmen, müssen sie erst noch vertraut werden.
„Häufig ist die Unterbringung in einer Einrichtung wie dem Julie-Postel-Haus die einzige Möglichkeit, Eltern und ihren Kindern einen gemeinsamen Lebensort zu geben“, weiß Carina Schröer. Die intensive Begleitung und Anleitung durch pädagogische Fachkräfte ermöglicht ein geschütztes Lernfeld, in dem Eltern in ihre Rolle als Mutter oder Vater hineinwachsen können.
„Oft haben diese jungen Menschen schon einiges erlebt. Viele kommen aus einem schwierigen familiären Umfeld, indem sie nur wenig Unterstützung erfahren haben. Eigene Gewalterfahrungen sind keine Seltenheit. Traumatische Erlebnisse haben häufig zu Suchterkrankungen und Obdachlosigkeit geführt“, führt die neue Einrichtungsleiterin aus. Wichtig sei es dann für diese jungen Eltern, die bisherige Lebensleistung wertfrei anzuerkennen und die Entscheidung, in das Julie-Postel-Haus zu ziehen, als ersten Schritt in ihrer Verantwortung in der Elternrolle zu sehen. „Die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie ist neben dem Erlernen von Erziehungskompetenzen ein wesentlicher Bestandteil in der Arbeit mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Dies kann in einer Einrichtung wie unserem Julie-Postel-Haus gut gelingen“, weiß die 30-Jährige aus Erfahrung.
Jeden Tag neue Herausforderungen
Carina Schröer stammt aus Arnsberg, ist im Ortsteil Uentrop – wie sie selbst sagt – behütet aufgewachsen. Vereinsleben und ehrenamtliches Engagement begleitet sie seit ihrer Kindheit. So engagierte sich in ihrer Jugend unter anderem als Ministrantin und Messdienerleiterin in der Pfarrgemeinde. Im Schützenverein und im Karnevalsverein ist sie seit vielen Jahren aktives Mitglied und trainiert seit mehr als 15 Jahren die Tanzgarden.
Sie ist gerne in der Natur und liest sehr viel. „Abwechslungsreiche, aber keine allzu aufregenden Hobbys“, meint sie – und ergänzt: „Abenteuer habe ich schon im Berufsalltag genug.“
Das erlebt sie jetzt im Julie-Postel-Haus genauso wie in ihren vorherigen Einrichtungen: „Jede Familie bringt ihre eigenen Themen mit. Immer mit dem Ziel, irgendwann mit dem Kind in einer eigenen Wohnung leben zu können. Der Weg dorthin ist häufig von Krisen und phasenweise auch Rückschritten geprägt“, beschreibt Carina Schröer die Aufgabe. Manchmal werde dieses Ziel nicht erreicht und die Erarbeitung einer anderen Lebensperspektive wie die Trennung von Mutter bzw. Vater und Kind rückt in den Vordergrund: „Elternschaft kann dann auch bedeuten, dass das eigene Kind nicht im elterlichen Haushalt lebt und in einem anderen Setting groß wird. Welche Rolle die leiblichen Eltern dann spielen können, muss gemeinsam erarbeitet werden.“
Die Frage, der sich die neue Leiterin mit ihrem Team gegenübersteht, lautet immer wieder: „Wie können tragfähige und verlässliche Beziehungen entstehen, wenn Eltern es selbst nie anders erfahren haben?“ Der Arbeitsalltag des pädagogischen Teams bringt in dieser Hinsicht jeden Tag neue Herausforderungen mit sich.
Carina Schröer studierte Sozialpädagogik und soziale Arbeit in Paderborn, schloss beide Fächer mit dem Bachelor-Examen ab. Stetige Fort und Weiterbildungen sowohl im Bereich von Management und Führung als auch fachspezifisch zu Themen wie Traumapädagogik, psychischen Erkrankungen oder Sucht begleiteten seither ihren beruflichen Alltag.
Schon im Rahmen des Studiums lernte sie das Julie-Postel-Haus kennen, wo sie ihren späteren Berufsschwerpunkt fand. Nach dem Studium arbeitete sie zwei Jahre in einer Mutter-Kind-Einrichtung in Hemer und wechselte im Anschluss in eine heilpädagogische Tagesgruppe nach Hamm. Dort lag ihre Hauptaufgabe in der Begleitung und Beratung von Eltern. Neben ihrer Tätigkeit in der Tagesgruppe begleitete sie bei demselben Träger ambulant junge Mütter während der Schwangerschaft und nach der Geburt.
Als es um die stationäre Unterbringung eines Tagesgruppenkindes in einer Einrichtung des Caritasverbandes Hamm e.V. ging, erhielt Carina Schröer 2015 das Angebot, die Einrichtungsleitung für die stationären und teilstationären Hilfen in diesem Verband zu übernehmen. „Ich hatte mich schon gefragt, ob eine Stelle mit dieser hohen Verantwortung mit Anfang 20 nicht zu früh sei. Doch mit einem guten Team an seiner Seite und der Unterstützung des Trägers sollte das gehen“, erinnert sie sich. Dort arbeitete sie bis Ende 2021.
Für Beziehungsarbeit ideale Voraussetzungen
„In dieser Zeit haben wir die intensiv-pädagogische Arbeit weiterentwickelt, uns auch mit sehr komplexen Störungsbildern junger Menschen beschäftigt“, blickt die 30-Jährige zurück. Dabei ging es vorwiegend um junge Menschen, die in ihrer eigenen Familie aufgrund von Gewalt-, Missbrauchs- oder Drogenerfahrungen keinen Halt finden konnten. Aber auch eine Wohngruppe für Mütter und Väter mit ihren Kindern – also ein ähnliches Angebot wie das Julie-Postel-Haus – war Teil der Einrichtung.
„Zum 1. Januar 2020 schlossen wir uns dann mit einem größeren und sehr erfahrenen Träger der Jugendhilfe zusammen. Ich habe diesen Übergang mitgestaltet. Die Einrichtungen ergänzten sich sehr gut und wir konnten von den jeweiligen Erfahrungen stark profitieren. Aber das brachte mich von meiner ursprünglichen pädagogischen Arbeit, also von meinen Wurzeln wieder weiter weg“, erklärt sie. Die Mutter/Vater-Kind-Arbeit sei schon immer ihr persönlicher Schwerpunkt gewesen, war aber in der umstrukturierten Einrichtung nunmehr der vergleichsweise kleinste Bereich.
Deshalb habe sie sich im Herbst 2021 auf die ausgeschriebene Leitungsstelle im Julie-Postel-Haus beworben. „Dieses Haus bietet ideale Voraussetzungen: Es liegt abseits hektischer Innenstädte, dennoch in der Nähe aller Einkaufsmöglichkeiten und ist auch verkehrstechnisch durch Bus und Bahn gut angebunden. Zugleich ist man schnell in der Natur. Und unsere Bewohnerinnen und Bewohner haben ein geschütztes, ruhiges Umfeld – eigentlich genau das, was sie brauchen“, sagt die Sozialpädagogin.
Angebote weiterentwickeln und Netzwerkarbeit intensivieren
Eine wichtige Aufgabe für die Zukunft sieht sie deshalb darin, auf Basis der guten Kontakte, die ihre Vorgängerin Ursula Jenke aufgebaut hat, die Netzwerkarbeit zu verstärken. „Wir müssen versuchen, an den entscheidenden Stellen wie den Jugendämtern, die uns die jungen Mütter zuweisen oder Anfragen an uns weiterleiten, noch bekannter zu werden.“ Da wiederum habe es das Julie-Postel-Haus im Sauerland vielleicht nicht so einfach wie eine vergleichbare Einrichtung in einem Ballungsraum: „Dort ist die Nachfrage nach vergleichbaren Einrichtungen durchaus höher.“ Umso wichtiger sei daher die Öffentlichkeitsarbeit.
„Vielleicht ist es sinnvoll, bestimmte Angebote – etwa in der Anschlussbetreuung – weiter auszubauen, oder das Clearing – die ressourcenorientierte Bedarfsfeststellung für junge Eltern – zu intensivieren“, überlegt die neue Leiterin. Hier sei im vergangenen Jahrzehnt unter der Leitung von Ursula Jenke schon sehr viel passiert. „Aber wir werden uns stetig weiterentwickeln und immer wieder neu aufstellen müssen, damit wir den Bedarfen der uns anvertrauten Familien gerecht werden können.“
Frank Pfeffer, zuständiger Geschäftsführer für das Julie-Postel-Haus, freut sich, mit Carina Schröer eine junge und gut qualifizierte Leiterin für die Einrichtung gefunden zu haben: „Vor allem bringt sie schon umfangreiche Erfahrungen aus dem Bereich der Eltern-Kind-Arbeit mit. Wir sind zuversichtlich, dass diese anspruchsvolle Leitungsarbeit bei ihr in guten Händen liegt“.
Der bisherigen Leiterin Ursula Jenke, die die Leitung auf eigenen Wunsch abgibt und sich wieder stärker der pädagogischen und therapeutischen Arbeit mit den jungen Eltern und deren Kindern widmen will, dankt Frank Pfeffer für die bereits erfolgten Umstrukturierungen in den vergangenen Jahren: „Unter ihrer Führung hat sich das Haus als reine Eltern-Kind-Einrichtung spezialisiert. In diesem Rahmen sind größere Umbaumaßnahmen erfolgt. Und auch der hauseigene Kinderhort kam als Angebot dazu. Dadurch sind wir für die Zukunft gut aufgestellt.“
Carina Schröer, die bereits seit Januar im Julie-Postel-Haus tätig ist, übernimmt die Leitung der Einrichtung offiziell am 1. März.