Forum Weltkirche fragt vor dem Hintergrund der Klimakatsatrophe nach den erforderlichen Konsequenzen für das eigene Leben
Eine „zufriedene Genügsamkeit“, bei der weniger mehr ist, würde helfen, die Welt zu retten. „Aber das ist in unserer konsumorientierten Welt eine große Herausforderung“, erklärte Dr. Sandra Lassak beim Forum Weltkirche am Donnerstagabend im Bergkloster Bestwig. Die Corona-Phase habe die Krisen dieser Welt unter einem Brennglas hervortreten lassen. Und trotzdem sei alles dafür getan worden, möglichst schnell wieder dorthin zurückzukommen, wo man vorher war. Wie findet die Menschheit aus diesem Dilemma heraus?
Über 60 Besucherinnen und Besucher nahmen an der Veranstaltung teil. Unter dem Thema „Sorge um unser gemeinsames Haus – sei Du die Veränderung, die es braucht für die Welt“ ging es den Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel vor allem um die Frage, was wir selbst tun können, um den Entscheidungen der Politik und dem Vorgehen der Weltkonzerne nicht ohnmächtig gegenüberzustehen.
Dr. Sandra Lassak, Grundsatzreferentin beim Bischöflichen Hilfswerk Misereor, machte in ihrem Einstiegsreferat klar: „Die Regierungen der Welt haben auf der Weltklimakonferenz 2019 eindrücklich bewiesen, dass sie die Treibhausemissionen nur so weit senken wollen wie dies die Wettbewerbsfähigkeit der großen Konzerne nicht schmälert.“ Sie bezweifelt, dass es jetzt in Glasgow zu einem grundsätzlichen Umdenken kommt – und auch die Visionen der zukünftigen Regierungsparteien in Deutschland gäben wenig Hoffnungen auf zukunftsweisende Veränderungen: „Selbst ein Tempolimit scheint nicht möglich.“
Industriestaaten brauchen Tempolimit
Ein Tempolimit im Produktionswettlauf müssten sich die führenden Industriestaaten aber insgesamt verordnen, wenn das wachstumsorientierte Wohlstandsmodell des globalen Nordens nicht immer größere Ungleichheit und Krisen produzieren soll: „Wenn sie wollten, könnten die G20-Staaten die Klimakrise alleine lösen. Aber von ihnen kommt einfach viel zu wenig. Dabei ist klar, dass keine Zeit mehr bliebt.“
Der Klimawandel sei als Bedrohung immer noch zu abstrakt, wohingegen es ein kleines Virus geschafft habe, uns eineinhalb Jahre in den Alarmzustand zu versetzen. Denn die Corona-Krise habe gezeigt, wie labil die globalisierte Gesellschaft sei. „Und sie hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, die Zusammenhänge zu kennen“ – vom Ausbruch des Virus bis zu den völlig unterschiedlichen Folgen in reichen und armen Ländern. So sei es auch in der Ökologie: „Ohne eine Wolke kann es nicht regnen. Ohne Regen wächst kein Baum. Ohne Bäume gibt es kein Papier.“
Was also kann jeder Einzelne tun? Diese Frage diskutierte Moderatorin Beatrix Gramlich, Chefredakteurin des Missionsmagazins Kontinente, nach dem Vortrag auch mit zwei weiteren interessanten Gästen: Hildegard Hansmann-Machula, Vorsitzende des Waldbesitzerinnen NRW e.V., und Heinrich Lammers, Leiter des Jugendbauernhofes Hardehausen in Trägerschaft des Erzbistums Paderborn.
Lammers machte deutlich: „Wenn die Kinder eine Woche bei uns waren und auf dem Hof mitgearbeitet haben, strahlen mich 26 von 28 Gesichtern förmlich an.“ Sie lernten den Respekt gegenüber den Tieren und den Pflanzen, würden erfahren, woher ein Ei kommt und wie man daraus einen Teig macht. Dann sei es mit dem Huhn und dem Pfannkuchen genauso wie mit der Wolke und dem Blatt Papier.
Zufriedene Genügsamkeit auf dem Jugendbauernhof
„Das übliche Freizeit- und Konsumverhalten tritt in einer solchen Woche in den Hintergrund“, machte der Mitbegründer des Jugendbauernhofes deutlich. Und doch erfülle die Kinder ein Gefühl der Zufriedenheit, „weil sie abends immer wissen, was sie tagsüber geschafft haben.“ Hier würde das Prinzip der zufriedenen Genügsamkeit also gut funktionieren.
Und Waldbesitzerin Hildegard Hansmann-Machula entwickelte 2007 nach dem Sturm Kyrill ein ganz neues Verhältnis zur Natur: „Bis dahin war der Wald einfach da. Seit Generationen. Er war selbstverständlich. Und in dieser Nacht war er auf einmal weg. 11 Hektar Fichten. Von diesem Augenblick an war gar nichts mehr selbstverständlich.“
Es sei wichtig gewesen, in den Nachkriegsjahren Fichten anzupflanzen, um möglichst schnell möglichst viel Bauholz ernten zu können. Aber ebenso wichtig sei es jetzt, umzudenken, um den Wald wieder nachhaltiger zu bewirtschaften. „Die Holzindustrie wird lernen müssen, nicht nur auf die Fichte zu setzen, sondern viele Hölzer zu verwenden. Entscheidend ist, dass das Holz in Deutschland bleibt und hier verbaut wird: Denn auch dann bindet es weiter CO2.“
Mehr Wertschätzung für schöpferisch-weibliches Prinzip
Können Frauen den Wald besser nachhaltig bewirtschaften als Männer? Diese Frage von Beatrix Gramlich brachte Hildegard Hansmann-Machula zum Schmunzeln. Sie räumte ein: „Frauen sind emotionaler. Und wahrscheinlich haben sie auch eine größere Verbindung zum Leben.“
Sandra Lassak ermunterte dazu, diesem schöpferisch-weiblichen Prinzip mehr Wertschätzung entgegenzubringen. „Es ist ja auffällig, dass im Umweltaktivismus vor allem Frauen auftreten. Ihnen ist das Bewusstsein für den Lebenserhalt offenbar viel präsenter.“
Wie wichtig es sei, Nachhaltigkeit, Ökologie und Gerechtigkeit zusammenzudenken, zeigten auch die beiden Enzykliken Laudato Si und Fratelli Tutti von Papst Franziskus. Schon in ihrem Einführungsvortrag hatte die theologische Grundsatzreferentin von Misereor deutlich gemacht, dass man beide Schriften gemeinsam sehen muss:
In Laudato Si werbe der Papst für eine ‚ganzheitlich menschliche Ökologie‘: „Denn um eine nachhaltige Veränderung zu bewirken, sei ein grundlegend anderer Lebensstil erforderlich.“ In dieser Schrift formt der Papst den Begriff der „zufriedenen Genügsamkeit“.
Und in Fratelli Tutti gehe es um die soziale Frage und darum, wie Lösungen der sozial-ökologischen Fragen im Dialog beantwortet werden können. „Diese Enzyklika macht deutlich, dass es jenseits von konfessionellen und/oder kulturellen Unterschieden eine neue Ordnung braucht.“ Der interreligiöse Dialog könne dafür Lernprozesse anstoßen.
Und was leistet die Kirche?
Eine Kernfrage, die Sandra Lassak vor diesem Hintergrund in ihrem Vortrag aufwarf und sich in der Diskussion mehrfach stellte, lautet, welche Impulse die Kirche im Hinblick auf eine ‚ganzheitlich menschliche Ökologie‘ setzt: „Seit Laudato Si sind schließlich schon über fünf Jahre vergangen.“ Und da falle die Bilanz bisher ernüchternd aus.
Wenn der bekannte Neurobiologe Gerald Hüther erkläre, dass Wissen unter die Haut gehen muss“, so gehört es doch gerade zu unserem Glauben, sich von diesem Thema anrühren zu lassen. Wir müssen das moderne Paradiga, das uns von der Natur entfremdet hat, überwinden.“
Gerade in Deutschland hätten wir noch eine bürgerlich sehr in sich geschlossene Kirche. Dr. Sandra Lassak unterstrich: „Da müssen wir mutiger werden und auf die Straße gehen.“ Und sie stellte fest: „Die sozial-ökologische Krise ist also im Innersten auch eine zutiefst spirituelle Krise.“
Die Herausforderungen sind vielfältig. Zum einen durch die wachsende Weltbevölkerung. Zum anderen durch die knapper werdenden Ressourcen. Beatrix Gramlich verwies darauf, wieviel Kupfer für Windräder oder wieviel Lithium für Elektroautos benötigt werden, um die Energiewende zu realisieren: „Und diese Rohstoffe stammen oft aus den Ländern des globalen Südens, die wir ausbeuten.“
Genug Ressourcen für alle Menschen
Angesichts dieser Ängste sei das Argument, als Einzelner könne man sowieso nichts machen, aber eine billige Ausrede, so Sandra Lassak. Denn Studien, dass eine ökologische Wende möglich ist, gebe es genug. Ein Besucher aus dem Publikum hatte Zahlen parat: „Jedem Menschen stehen rechnerisch 2000 Quadratmeter Ackerland zu. Ein Veganer benötigt beispielsweise nur 800.“ Ähnlich verhalte es sich mit dem Wald, der eigentlich jedem Erdenbewohner genügend Festmeter fürs jährlich erforderliche Heizen und Bauen bereithalte.
Auch Heinrich Lammers erklärte, was er den Schülerinnen und Schülern auf dem Bauernhof immer wieder klarmachen will: „Natürlich darf man mal Fleisch essen. Aber eben nicht immer. Die Jugendlichen fragen mich, was mit den Schweinen und den Hühnern passiert. Und ich antworte, wir werden sie irgendwann schlachten. Aber bis dahin sollen sie zufrieden leben.“ Die konventionelle Landwirtschaft sei dagegen in die Massentierhaltung gedrängt worden, weil immer schneller und immer günstiger produziert werden muss. Lammers appellierte: „Wir haben das Maß verloren. Und das müssen wir wiederfinden.“
Ein wichtiger Schritt, selbst die Veränderung zu sein, die es für diese Welt braucht, wäre damit getan.