Heute beginnt das Provinzkapitel im Bergkloster Bestwig – Schwester Johanna Guthoff gibt einen Ausblick
Am heutigen Dienstag kommen 32 Ordensschwestern aus der Europäischen Provinz der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel im Bergkloster Bestwig zusammen. Eine Woche lang beraten sie bei ihrem alle sechs Jahre stattfindenden Provinzkapitel über ihre Positionierung innerhalb der Kirche, die Entwicklungen der Gemeinschaft und die Weitergabe des Gründungsauftrages in den eigenen Einrichtungen und Diensten. Am Samstag werden zudem die Provinzleitung und der Provinzrat gewählt.
„Die Frage, wo wir gerade in der Kirche stehen, wird sicher eine ganz zentrale sein“, sagt Provinzoberin Schwester Johanna Guthoff. Denn natürlich verfolgt ihre Gemeinschaft die aktuellen Diskussionen um die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs, die Segnung homosexueller Paare oder die Partizipation von Frauen im Machtapparat der katholischen Kirche mit Sorge. „Sie zeigen leider, wie weit die Kirche mittlerweile von den Menschen entfernt ist“, sagt Schwester Johanna. „Wir aber wollen ihnen möglichst persönlich begegnen. Wir wollen für alle da sein. Denn das Evangelium ist für alle da“, macht sie deutlich.
Und genau da liegt ihrer Meinung nach die Stärke der Ordensgemeinschaft. Denn viele Ordensschwestern arbeiten als Seelsorgerinnen, in der Pastoral oder als Sozialarbeiterinnen: wie Schwester Margareta Kühn in der Manege in Berlin-Marzahn, Schwester Maria Elisabeth Goldmann in der Sozialberatung der Caritas in Jena, Schwester Bernadette Blommel als Klinikseelsorgerin in Dorsten oder Schwester Hanna Merget in Wohngruppen für schwer erziehbare Jugendliche im hessischen Sinntal – „und diese Begegnungen mit Menschen schätzen und pflegen wir genauso bei unseren Gästen in den Bergklöstern. Hierher kommen viele, die Orientierung und Gespräche suchen. Oft solche, die von der Kirche enttäuscht sind oder nichts mit ihr zu tun haben.“
Je mehr die Kirche als Institution an Bedeutung verliert, je mehr müssten eine Ordensgemeinschaft oder ein Kloster deutlich machen, wofür sie stehen und wie sie sich innerhalb der Kirche positionieren, meint die Provinzoberin: „Unsere Stärke ist die Einzelseelsorge. Als geistliche Frauen ist das unsere Kernkompetenz.“
Die individuelle Begleitung und Betreuung von Kindern bis zu jungen Erwachsenen wird auch an den Erziehungs- und Bildungseinrichtungen der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel großgeschrieben: vom Bergkindergarten über die Gymnasien und die Realschule bis zu den Berufskollegs. Sie setzen sich vor dem Hintergrund ihres christlichen Profils ebenfalls mit Fragen der Seelsorge und dem Eingehen auf die Persönlichkeit jedes Einzelnen auseinander – wie in der letzten Schulwoche am Berufskolleg Bergkloster Bestwig. Und genauso wird in den Einrichtungen und Diensten der Seniorenhilfe SMMP auf die Fähigkeiten und die Würde jedes Einzelnen geachtet.
Das Charisma in den Einrichtungen lebendig halten
„Es ist eine weitere wichtige Frage, wie wir das Charisma unserer Gründerin und den Auftrag der Ordensgemeinschaft in unseren Einrichtungen lebendig halten und an deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weitergeben“, sagt Schwester Johanna. Dazu hatte das vergangene Kapitel bereits eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen und Ergebnisse erarbeitet. Eins davon ist der Einführungstag für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Einrichtungen der Ordensgemeinschaft im Bergkloster Bestwig.
Die Erhaltung dieses Charismas sei schon deshalb eine besondere Herausforderung, da die Zahl der Ordensschwestern abnimmt und die Konvente in den Einrichtungen schließen – so wie zuletzt der Schulkonvent in Menden.
Schwester Johanna erklärt: „Die Frauen, die heute in unsere Gemeinschaft eintreten, kommen oft schon mit einer abgeschlossenen Ausbildung. Und sie sind eher Sozialarbeiterinnen oder haben einen seelsorglichen Beruf. Für alle gilt es, einen passenden Einsatzort und eine passende Aufgabe zu suchen. Manchmal finden wir die in unseren Einrichtungen, oft aber auch in Pfarreien und bei anderen kirchlichen Trägern.“
Themen gibt es in den kommenden Tagen also genug. Und natürlich wird auch die Corona-Pandemie eine Rolle spielen. Wegen dieser Pandemie war das Kapitel bereits vom März auf Juli verschoben worden. Und während der Pandemie hat sich das Leben in den Klöstern verändert.
Neue liturgische Formen ausprobiert
„Zum Beispiel haben wir deutlich gemerkt, wie sehr uns die Gäste und die Gespräche mit ihnen fehlen“, sagt Schwester Johanna. „Aber zugleich waren wir mehr unter uns und mussten deshalb auf andere liturgische Formen ausweichen. Es gab mehr Wortgottesdienste und weniger Eucharistiefeiern. Jetzt bleibt zu klären: Welche Formen wollen wir beibehalten? In welcher Weise sprechen wir die Menschen am besten an? Denn“ – auch das macht Schwester Johanna deutlich – „wenn wir zu Gottesdiensten einladen, müssen wir uns bewusst sein, dass viele Menschen, die hierher kommen, die traditionellen Formen und Riten gar nicht mehr kennen.“ Letztlich ist also selbst dieses Thema eng mit den Fragen nach einer Positionierung innerhalb der Kirche und nach einer möglichst guten Ansprache der Menschen verbunden.
Vieles wird das Kapitel aufgreifen, aber nicht ausdiskutieren können. Ebenso wie die zahlreichen Eingaben. Denn jede Schwester hat das Recht, Fragen an das Kapitel stellen. „Wir werden sie alle berücksichtigen“, verspricht Schwester Johanna. Auch wenn einige an andere Gremien oder Arbeitsgruppen weitergegeben werden. Aber so habe jede Schwester die Möglichkeit, sich einzubringen. Nicht nur die 16 gewählten Delegierten.
Schon diese Form der Partizipation und die demokratische Wahl der Provinzleitung sind Vorgänge, die eine Ordensgemeinschaft deutlich von der Amtskirche unterscheiden.
Insgesamt nehmen 32 Ordensschwestern an dem Kapitel teil. Dies sind neben den Delegierten die acht gewählten Schwestern des Provinzrates, die Vorgängerin von Schwester Johanna, Schwester Pia Elisabeth Hellrung, sowie die Generaloberin, Schwester Maria Thoma Dikow; außerdem vier weitere Gäste aus dem Generalrat sowie zwei berufene Schwestern. Schwester Dr. Anneliese Herzig von den Missionsschwestern vom Heiligensten Erlöser wird das Kapitel moderieren.
Außer den Gästen, der Moderatorin und den berufenen Schwestern nehmen alle Teilnehmerinnen des Kapitels aktives Wahlrecht wahr. Sie wählen die neue Provinzleitung an diesem Samstag, 10. Juli. Die Ergebnisse werden auf dieser Internetseite bekanntgegeben.