Viele Schwestern übernehmen während der Corina-Pandemie Schlüsselaufgaben – beispielsweise als Sozialarbeiterinnen und Seelsorgerinnen
Auf die Anfrage einer Journalistin, wie die Schwestern in den kleinen Konventen mit der Isolation aufgrund der Corona-Krise zurechtkommen, muss Schwester Aloisia Höing im Bergkloster Bestwig feststellen: „Eigentlich sind die gar nicht isoliert. Die meisten Schwestern gehen auch jetzt ihrer Arbeit nach“. Nicht selten ist die offenbar gerade jetzt systemrelevant.
Der Einsatz von Schwester Theresia Maria Kösters in Bad Ems und von Schwester Bernadette Maria Blommel in Dorsten als Krankenhausseelsorgerin scheint gerade jetzt besonders wichtig. Sowohl die Hufeland-Klinik in Bad Ems also auch das Elisabeth-Hospital in Dorsten haben Fachabteilungen für Lungenheilkunde. Sie behandeln Corona-Patienten. Beide Schwestern sind zurzeit nur mit Atemschutz unterwegs.
Klinikseelsorge in Zeiten des Umzuges
Schwester Theresia Maria erlebt auch deshalb unruhige Zeiten, da das Marienkrankenhaus in Nassau und die Hufeland-Klinik in Bad Ems gerade erneut den Träger wechseln. Die geriatrische Abteilung des Marienkrankenhauses zieht nun in die Paracelsus-Klinik nach Bad Ems. „Dort werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernommen. Das ist ein Segen. Dennoch fließen jetzt in den Stunden des Abschieds von Ort viel Tränen“, erklärt Schwester Theresia Maria. Da sei sie als Seelsorgerin auch bei den Pflegekräften, Medizinern und Verwaltungsangestellten besonders gefragt. „Als Seelsorgerin bleibe ich aber in der Hufeland-Klinik und darüber hinaus werde ich künftig in der Paracelsus-Klinik mit einem Stundenkontingent tätig sein“, freut sie sich.
Mit Corona-Patienten hatte Schwester Theresia Maria noch nicht direkt zu tun. Die erste Patientin, die intensivmedizinisch behandelt wird, ist erst am Mittwoch in die Hufeland-Klinik eingewiesen worden. Ganz anders dagegen sieht die Situation im Elisabeth-Krankenhaus in Dorsten aus, das zum Katholischen Klinikum Ruhrgebiet Nord gehört, an dem die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel als Mitgesellschafter beteiligt sind. Hier werden bereits seit Wochen Patienten mit der Lungenkrankheit Covid 19 behandelt, zum Teil intensivmedizinisch. „Leider sind schon mehrere Patienten verstorben. Damit klarzukommen, ist für uns alle eine enorme Herausforderung“, erklärt Schwester Bernadette Maria.
Patienten vereinsamen – auch ohne Covid-19-Infektion
Seelsorge sei gerade jetzt besonders gefragt. Denn kein Patient dürfe derzeit Besuch bekommen. Das sei auch für alle nicht mit Covid 19-Infizierten eine außergewöhnliche Belastung. „Viele Patienten sind sehr einsam, vor allem demente Patienten verstehen nicht, warum keine Angehörigen kommen. Wenn es ihnen erklärt wird, haben sie das schon nach einer Stunde wieder vergessen“, so Schwester Bernadette Maria.
Viele werdende Mütter, die zur Entbindung ins Krankenhaus kämen, müssten ihr Kind ohne ihren Mann bzw. Lebenspartner zur Welt bringen. „Zwar erlauben wir, dass der Mann stationär mit aufgenommen wird, kann er diese Möglichkeit aber aufgrund seiner Berufstätigkeit oder weiterer Kinder nicht nutzen, sieht er das Kind erst, wenn es mit der Mutter entlassen wird.“
Und dann gebe es auch Frauen, die in der Klinik ihr ungeborenes Kind verlieren: „Auch sie erhalten keinen Besuch von lieben Menschen, die ihnen in dieser schweren Situation beistehen.“
Seelsorge sei gerade dann wichtig, aber auch schwierig: „Wenn wir alle Masken tragen und zwei Meter Abstand halten müssen, bekomme ich bei seelsorglichen Gesprächen weniger mit. Ich sehe nicht mehr die Mundpartie. Das heißt, ich sehe nicht, ob der Patient lächelt oder sich gerade auf die Lippen beißt, wie sich Mundwinkel verhalten. Ich sehe nur die Augen. Aber die sind häufig tränengefüllt und sprechen nur die Sprache der Traurigkeit.“ Das sei eine große Herausforderung.
Schwester Theresia Maria durfte vor einigen Tagen neben einem Patienten sitzen, der nach einer Operation isoliert auf der Weaning-Station ohne Atemschutz lag: „Ich las ihm etwas vor, als er wach wurde. Und er hat sich so gefreut, dass er neben sich eine Ordensschwester sah. Er schenkte mir ein zauberhaftes Lächeln“. Ein Lächeln, das man unter einer Maske wohl nicht so wahrgenommen hätte.
Vermittlung von Einkaufsdiensten für Senioren in Jena
Auch in Jena führen Schwester Maria Elisabeth Goldmann und Schwester Ruth Stengel im Rahmen ihrer Aufgaben in der Seelsorge und Sozialarbeit viele Gespräche. Schwester Maria Elisabeth leitet die Caritas-Sozialstation in der Innenstadt. „Und wir haben jetzt gut zu tun. Auch vermitteln wir älteren Menschen zurzeit Einkaufsdienste.“ Ein Aufruf in den lokalen Medien habe gereicht und es hätten sich viele Freiwillige für dieses Einkaufsangebot gemeldet.
Jena war die erste Stadt, die in Deutschland die Maskenpflicht eingeführt hatte. Die beiden Schwestern, die im Stadtteil Lobeda gemeinsam mit jetzt wieder zwei Missionarinnen Christi einen Konvent bilden, sind an das Tragen des Mund-Nase-Schutzes also schon länger gewohnt. „Natürlich trage ich den in der Straßenbahn auf dem Weg zur Arbeit. Im Büro kann ich ihn bei meinen Gesprächen mit Hilfe-Suchenden aufgrund ausreichender Abstände aber schon mal abnehmen“, ist Schwester Maria Elisabeth erleichtert.
Und in der Manege in Berlin-Marzahn, dem Anlaufpunkt für Jugendliche und junge Erwachsene, die als „Systemsprenger“ gelten, bleibt in diesen Wochen ebenfalls reichlich zu tun. Schwester Margareta Kühn und Schwester Raphaela Benkhoff arbeiten hier unermüdlich weiter.
Essenausgabe an Obdachlose in Münster jetzt in Zelten
Ebenso Schwester Klara Maria Breuer. Sie ist als Wohnungslosenseelsorgerin für das Bistum Münster tätig und arbeitet im „Treff an der Clemenskirche“. Zurzeit ist die Essensausgabe aus hygienischer Vorsicht aus den engen Kellerräumen in großzügigere Zelte verlegt. „Wer ohne Obdach ist, sich auf den Straßen aufhält oder in sozialer Not ist, den trifft die Corona-Krise mit ihren Einschränkungen im öffentlichen Leben besonders hart“, weiß Schwester Klara Maria. Denn diese Menschen können dem Aufruf „stay at home“ nicht folgen, da sie kein Zuhause haben. Die üblichen Möglichkeiten, zu duschen, das Handy aufzuladen oder durch den Verkauf der Obdachlosenzeitung etwas Geld zu verdienen, fallen weg. Daher ist auch ihre Präsenz derzeit besonders wichtig.
Küsterdienste auch jetzt unentbehrlich
Andere Schwestern übernehmen an ihren Standorten weiterhin seelsorgliche Aufgaben oder Küsterdienste. „Zwar finden im Moment keine Gottesdienste statt, doch stehen die Kirchen für das Gebet ja auch jetzt offen, müssen also gepflegt, auf- und zugeschlossen werden“, erläutert Schwester Theresita Maria Müller, die ebenfalls weiterhin arbeitet. Sie ist theologische Redakteurin beim Bonifatius-Verlag, wenngleich zurzeit auch überwiegend im Home-Office. „Dadurch sind zwar keine Besuche und Ortstermine möglich, aber wenn die tägliche Fahrt nach Paderborn und zurück entfällt, bleibt eigentlich mehr Arbeitszeit übrig“, ist ihre Erfahrung.
Und die Konvente, die an die Seniorenheime in Geseke und Diestedde angeschlossen sind, leben ohnehin mit im Haus. „Sie sind dort wie ein Wohnbereich integriert. Folglich können auch diese Schwestern noch in der Form mitarbeiten und ihre Beiträge leisten, wie sie es bisher gewohnt waren“, sagt Schwester Aloisia. Die ehemalige Generaloberin leitet selbst einen Konvent im Bergkloster Bestwig.
Corona-Situation bringt Bewegung
Die derzeitige Situation erfordert natürlich besondere Formen des Gebets. „Eucharistiefeiern finden im Bergkloster Bestwig immerhin noch sonntags statt, im Bergkloster Heiligenstadt sogar täglich. Das ist in den Klöstern jedoch eine Ausnahme“, weiß Schwester Aloisia. Viele Konvente im Umfeld müssten ohne heilige Messen auskommen. Und auch in den Bergklöstern sind diese Gottesdienste derzeit nicht öffentlich.
„Wortgottesfeiern sind jetzt häufiger die Regel. Und wir spüren, dass die Akzeptanz dafür bei den Schwestern wächst“, freut sich Schwester Aloisia, dass alte Muster etwas aufgebrochen und Vorbehalte gegen neuere liturgische Formen abgebaut werden. Sie ergänzt: „Durch die Abstandsregel sind wir Schwestern auch gezwungen, neue Plätze in der Kirche einzunehmen. Sonst hätten wir unseren angestammten Platz kaum verlassen.“
Viermal wöchentlich gehen die Schwestern in Bestwig hausintern „auf Sendung“. Als „Radio Bergkloster“ laden sie dann zu Andachten, einer kurzen Besinnung, kleinen Konzerten oder auch Unterhaltung ein. Diese halbstündigen Sendungen werden auf die Zimmer aller Schwestern übertragen. „Einmal in der Woche singen wir beispielsweise Volkslieder. Und da hört man vor allem die älteren von uns auf vielen Zimmern mitsingen“, freut sich Schwester Theresita Maria. So gebe es Ideen, die neu entstehen und auch in dieser Zeit Verbindung schaffen. Schwester Aloisia erklärt: „Das alles zeigt doch, dass wir fähig sind, eine solche Situation zu beantworten.“
Ansonsten ist es durch den ausbleibenden Gästebetrieb in den beiden Bergklöstern zurzeit sehr viel ruhiger als sonst. Für einen Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Küchen- und Reinigungsbereich musste Kurzarbeit beantragt werden. Die gesamten Einnahmen aus diesem Bereich brechen zurzeit weg.
Zeit sinnvoll nutzen – Schwestern lernen Gebärdensprache
Auch dadurch haben einige Schwestern mehr Zeit und Ruhe als sonst. „Aber die nutzen wir“, erklärt Schwester Aloisia. Zum Beispiel mit dem Erlernen der Gebärdensprache. „Schwester Judith ist fast gehörlos und studiert in Berlin und arbeitet im Bistum Berlin als Gehörlosenseelsorgerin. Jetzt hilft sie uns, ihre Sprache zu lernen“, sagt Schwester Theresita Maria. Rund 15 Schwestern nehmen an der Gebärdenschulung teil, die Schwester Judith als Video aufnimmt und zweimal in der Woche mit ihren Mitschwestern einübt. „Wir wollen mit ihr auch in ihrer Sprache kommunizieren können. Das ist ein Zeichen der Geschwisterlichkeit.“ Ohnehin ist die Gebärdensprache in Deutschland noch wenig verbreitet. Auch deshalb sei es sinnvoll, sich damit zu beschäftigen, sagt Schwester Aloisia.
Zugleich ist das ein gutes Beispiel dafür, die durch die Corona-Pandemie entstehenden Freiräume sinnvoll zu nutzen.