Spritueller Impuls zum Placidajahr von Sr. Maria Elisabeth Goldmann
In den letzten Impulsen wurde vielfach darüber erzählt und nachgedacht, welche inneren und äußeren Grenzen Placida Viel überwunden hat.
Wie schwer es ist, Grenzen zu überwinden, erleben wir selbst immer wieder, z.B. im Übernehmen von Aufgaben und Verantwortungen, die uns zu groß erscheinen, oder im Zugehen auf andere, mit denen wir uns schwer tun, oder im Aufgeben von lieb gewordenen Gewohnheiten und Bequemlichkeiten.
Dem gegenüber fällt es oft gar nicht schwer, Grenzen zu überschreiten. Dabei fühlen wir manchmal sogar einen gewissen Reiz, z.B. den gesperrten Weg doch zu nutzen als Abkürzung, um schneller am Ziel zu sein, oder die vorgeschriebene Geschwindigkeit zu ignorieren, da die 70km/h nicht einzusehen sind, oder den eigenen Vorsatz des Verzichtens nicht so ernst zu nehmen und der Versuchung nachzugeben.
Vermutlich kennen wir alle noch weitere Situationen des Grenzen-Überwindens und des Grenzen–Überschreitens. So unterschiedlich oder fast gegensätzlich diese beiden Tatsachen sind – eines haben sie gemeinsam: es geschieht etwas Äußeres und es bewegt sich etwas in uns.
Im Evangelium (Joh 8, 1-11) des 5. Fastensonntages wird uns eine Begebenheit vor Augen gestellt, in der es auch um Grenzüberschreitungen geht. Man führt eine Frau zu Jesus, die beim Ehebruch ertappt worden ist. Dem Gesetz nach müsste sie gesteinigt werden. Die Schriftgelehrten und Pharisäer wollten Jesus auf die Probe stellen. Er jedoch gibt den Anklägern zu bedenken: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie. Der Frau gegenüber zeigt er sich barmherzig.
Steine werfen bedeutet Grenzüberschreitung – Barmherzigkeit Grenzüberwindung.
Mir macht diese Erzählung Mut. Jesus verurteilt nicht – weder die Schriftgelehrten und Pharisäer noch die Frau. Er ermöglicht durch seine vergebende Haltung, dass die Beteiligten nach einer Grenzüberschreitung zur Grenzüberwindung kommen und umkehren können.
Die selige Schwester Placida konnte durch die lebensbejahende und vertrauende Haltung der Maria Magdalena Postel sowie im Hören auf Gott viele Grenzen überwinden und sich so in den Dienst der Gemeinschaft und der Menschen stellen.
Meine Hoffnung und mein Wunsch für uns und diese Welt ist, dass immer mehr Menschen innere und äußere Grenzen überwinden, damit Leben für alle, auch für die Flüchtlinge an der griechisch-mazedonischen Grenze möglich wird.
Stichwort Placida-Jahr:
Die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel gedenken von September 2015 bis September 2016 der Gründerin ihrer deutschen Kongregation, Schwester Placida Viel. Schwester Placida war die zweite Generaloberin der französischen Gemeinschaft und kleidete 1862 vier Lehrerinnen in Heiligenstadt ein. Seit 1920 ist der daraus entstandene deutsche Ordenszweig eigenständig. Schwester Placida wurde als Victoria Viel am 26. September 1815 – also vor 200 Jahren – geboren.