Spannende Vorträge zum Thema Nachhaltigkeit beim Missionarischen Forum im Bergkloster Bestwig
In einem waren sich die Referenten des fünften Missionarischen Forums am Dienstagabend im Bergkloster Bestwig einig: „Es ist immer alles da und verfügbar. Das ist absurd. Und es ist gefährlich, wenn Kinder und Jugendliche heute mit dieser Selbstverständlichkeit aufwachsen.“ So formulierte es Peter Loose, Leiter der Reparatur- und Renovierungs-AG an den Walburgisschulen in Menden.
Die Welt – unser gemeinsames Haus. Nachhaltig handeln im Zeitalter der Wegwerfgesellschaft“, lautete das Thema des Forums, an dem fast 80 Besucher teilnahmen und eifrig mitdiskutierten. Gemeinsam hatten die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel, die Bergkloster Stiftung SMMP und das Diözesankomitee des Erzbistums Paderborn zu der Veranstaltung eingeladen.
Die Referentin des Projekts Faire Gemeinde im Erzbistum Paderborn, Hildegard Schäfer, führte ihnen in ihrem Eingangsreferat vor Augen, was die Deutschen im Laufe eines Jahres alles unachtsam wegwerfen: „Im Durchschnitt sind das pro Kopf rund 500 Kilogramm, also 1,4 Kilo am Tag. Darunter auch elf Kilo Kleidung, weil sie vielleicht nicht mehr der Mode entspricht. Dabei werden für den Anbau und die Verarbeitung von 1000 Gramm Baumwolle 25.000 Liter Wasser verbraucht.“
Ähnliche Bilanzen machte sie für Lebensmittel auf: „10 bis 20 Prozent des gebackenen Brotes werden in Deutschland täglich weggeworfen. Damit könnte man den Bedarf eines Landes wie Niedersachsen decken.“ Aber Bäcker, die ihre Ware in Supermärkten anbieten, müssten laut Vertrag oft bis 18.30 Uhr volle Regale vorweisen. Klar, dass dann viel übrig bleibt.“ Nach Schätzungen der UN würden weltweit ein Drittel bis die Hälfte aller produzierten Lebensmittel weggeworfen. Und viele erreichten noch nicht einmal die Verbraucher: „Sie werden direkt aus dem Supermarktregal entsorgt, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum ausläuft.“
Bio-Betrieb als Genossenschaft
Anja und Marius Pötting versuchen einen anderen Weg. Sie betreiben den Vausshof in Scharmede, einen Bio-Betrieb, den sie als Genossenschaft organisieren. „So haben wir mit allen Mitgliedern entschieden, welche 25 Gemüsesorten wir im kommenden Jahr anbauen“, erläuterte Marius Pötting. „Von dem, was wir üppig ernten, gibt es dann mehr und von dem, was weniger gut wächst, weniger. So lernen mit dem auszukommen, was das Land hergibt.“
Obst, Gemüse und Fleisch verkaufen sie auch in ihrem Hofladen. „Wir schlachten pro Monat nur ein Tier, weil unsere kleine Herde nicht viel mehr hergibt. Und wenn die Salami ausgeht, gibt es die eben erst wieder in ein oder zwei Wochen. Vorher müssen die Beinscheiben weg, aus denen sich noch hervorragend Suppe kochen lässt“, erläutert seine Frau Anja. Daraus resultiere, dass man die zur Verfügung stehenden Lebensmittel vielmehr schätze.
Auf dem Vausshof werde nur geschlachtet, was dort geboren werde, und nur verfüttert, was dort gewachsen ist, betonte Marius Pötting. Ein Modell, das vom Arbeitsaufwand und von der Effizienz her gar nicht viel schlechter abschneiden müsse als das der Massentierhaltung – „wenn man vor allem die Transportwege und die entstehenden Probleme bei der Massentierhaltung einbezieht.“ Ähnlich sei es beim Anbau der Pflanzen.
Achtsamkeit ist gefragt
Und auch Peter Loose, Leiter der AG Reparatur und Renovierung am Walburgisgymnasium und an der Walburgisrealschule in Menden, rät zu mehr Achtsamkeit. „Neulich bekamen wir einen DVD-Plaver, der weggeworfen werden sollte, weil er das Fach nicht mehr öffnete. Dabei musste nur ein Schalter etwas unterfüttert werden, damit er wieder Kontakt bekommt.“ Kosten: Keine. Und die Sitzecke auf dem Schulhof, die Peter Loose mit seinen Schülern reparierte, war für 50 Euro Material- und fünf Stunden Arbeitseinsatz wieder hergestellt: „Hätte das eine Firma alles erneuert – was hätte das wohl gekostet?“
Der Religions- und Geschichtslehrer hat sich mit seinen Schülern eine 360 Grad-Routine angeeignet: „Wir schrauben ein Gerät auf und durchsuchen es zunächst von allen Seiten. Oft kann man den Defekt dann schon orten.“ Das mache die Schüler neugierig: „Sie wollen wissen, warum das nicht funktioniert – und wie es überhaupt funktioniert. Eine Kompetenz, die in der Wegwerfgesellschaft kaum noch gefragt ist.“ Im Laden bekäme man im Garantiefall eher ein neues Gerät, als dass das alte repariert wird. Dafür seien die Lohnkosten zu hoch. Oder umgekehrt: die Herstellungs- und Materialkosten viel zu gering.
Noch vor einigen Jahrzehnten habe man 40 Prozent des Einkommens für Lebensmittel aufgewendet. „Heute sind es 13 Prozent“, rechnete Hildegard Schäfer vor. Auch Kleidung sei im Vergleich viel preiswerter. Das sei nur möglich, weil wir auf Kosten armer Länder wirtschafteten. „Der Einsturz der Nähfabrik in Bangladesch vor zwei Jahren hat uns das eindrucksvoll vor Augen geführt.“ Doch der Lerneffekt bliebe aus.
Nahrung vom Tisch der Armen
Papst Franziskus warne in seiner neuen Enzyklika Laudato si ausdrücklich: „Die Nahrung, die wir wegwerfen, wird vom Tisch der Armen geraubt.“
Marius Pötting kam diese Einsicht bei seinem Einsatz als Missionar auf Zeit in Honduras und Brasilien: „Meine Eltern hatten einen Bauernhof. Aber ich habe Landwirtschaft immer gehasst. Bis ich in Südamerika landlose Bauern kennenlernte, die alles für ein eigenes Grundstück Land hergeben würden. Und so erweckten wir den stillgelegten Hof meiner Eltern nach 15 Jahren wieder zum Leben.“
Anja Pötting lädt dort vor allem Kinder und Jugendliche zum Erleben und Mitmachen ein. „Eure Hühner legen ja gekochte Eier“, habe ein Kind gestaunt, als das Ei, das die Henne hinterlassen hatte, noch warm war. Und eine Gruppe von Koreanern habe zum ersten Mal eine Birne vom Baum gepflückt und kaum glauben können, dass man die sofort essen kann.
Der internationale Austausch ist dem Ehepaar nach wie vor wichtig: Da es den Hof aber kaum für längere Zeit verlassen kann, gibt es jetzt Freiwilligen aus aller Welt die Möglichkeit, hier ein Einsatzjahr zu verbringen. 70mal wurde das schon in Anspruch genommen. „Und mit vielen bleiben wir in Kontakt“, sagt Marius Pötting.
„So weit waren wir noch nie“
Fertig sei der Bauernhof nie. Es gebe immer neue Baustellen. Gefragt, wie sich das aushalten ließe, antwortete Anja Pötting: „Wir machen uns einfach jeden Morgen klar: So weit wie heute waren wir noch nie.“
So könnte auch die Motivation für die Verbraucher in Deutschland lauten: Ihren Lebensstil jeden Tag ein bisschen zu verändern. „Die Kirchen können da mit gutem Beispiel vorangehen“, betonte Hildegard Schäfer – „denn sie sind der zweitgrößte Konsument, kaufen jährlich Waren und Dienstleistungen im Wert von 40 bis 80 Milliarden Euro.“
Auch das Bergkloster geht jetzt einen großen Schritt in diese Richtung und hat sich deshalb für die Zertifizierung zur „fairen Gemeinde“ beworben.