Entlang der Promenade fallen sie mir ins Auge: Büschel von Schneeglöckchen, am Weg und auf Wiesen hinter den Häusern. Dicht stehende, weiße Frühlingsboten. Knospen von Osterglocken lassen an verschiedenen Stellen ahnen, dass auch sie sich in Kürze ins Farbenspiel mischen werden. Frühling löst die winterliche Kargheit entlaubter Bäume ab. Frühling – Ostern – neues Leben: Dieser Dreiklang gehört in unseren Breitengraden zusammen. Ostern: Mehr als ein Feiertag, der Schule und Arbeitsrhythmus unterbricht, mehr als die Farbtupfer bunter Eier und freundlich blickender Osterhasen.
Ich ahne, es ist ein Fest, das über diesen Tag hinaus seine „Dennoch-Kraft“ entfaltet, für das Leben einsteht und sich keinem geringeren entgegenstellt, als dem Tod.
Ich entdecke diese Kraft an Orten, wo sich Menschen täglich, meist unspektakulär und selbstverständlich, für das Leben einsetzen. Für die schwangere Frau zum Beispiel, die im Haus der Wohnungslosen ankommt und begleitet wird. Wo für die Geburt Sorge getragen wird und den Weg danach. Ich sehe diese Kraft an vielen „Osterorten“, auf die ganze Stadt verteilt, wo sich Bürgerinnen und Bürger bereitfinden, ankommenden Flüchtlingen zur Seite zu stehen und sie zu unterstützen bei der Bewältigung ihres Alltags in fremder Umgebung. Sie begegnet mir in der Sprechstunde der Malteser, die Menschen ohne Krankenversicherung behandelt, um des Lebens willen. Eine Karte solcher „Osterorte“ würde von dieser „Dennoch-Kraft“ sprechen, die unsere Stadt „lebenswert“ macht.
Jeder Ort, denke ich weiter, kann solch ein „Osterort“ werden: Wenn ein ermunterndes Wort in eine Begegnung fällt oder ein deutendes Wort Fragen des Lebens erhellt. Wenn eine kleine Geste an dem anknüpft, was der, die andere gerade braucht und was sein, ihr Leben stärkt. Ich möchte die Augen für „Osterorte“ offenhalten und selbst zu solchen beitragen.
Einer hat den Tod durchbrochen, ist „auferstanden“, Jesus Christus. Eine nicht tot zu bekommende Hoffnung ist ins Rollen gebracht, seit der Stein vor seinem Grab weggerollt wurde. Ostern: Fest des Lebens, Dennoch-Kraft, im Angesicht des Todes und der vielfachen kleinen Tode, die Menschen täglich erleiden.
Sr. Klara Maria Breuer