Sr. Theresia Lehmeier berichtet von ihrer Reise mit Sr. Aloisia Höing zu unseren Standorten in Mosambik
Freitag, 21. November 2014
Heute Vormittag haben wir Zeit, ein wenig aufzuarbeiten von dem, was wir schon alles erlebt haben. Wir plagen uns mit Text und Bildern, die verrutschen, haben nicht das richtige Programm, sind ungeduldig, weil alles nicht so schnell geht – das Übliche im Kampf mit der Technik. Aber schließlich gelingt es doch, wenn auch vielleicht nicht ganz genauso, wie wir es gerne gehabt hätten. Aber das ist die Realität, in der wir uns bewegen.
Am Nachmittag wird das Schuljahr feierlich beendet. 79 Kinder bekommen ein Zertifikat, weil sie die Escolinha abgeschlossen haben. Nächstes Jahr gehen sie schon in die erste Klasse. Ir. Fátima zeigt uns die Zertifikate, die mit viel Liebe gestaltet sind. Auf jedem ist ein Foto des Kindes, die Unterschrift der Direktorin, des Lehrers und des Kindes selbst.
Eingeladen sind alle Schüler und Eltern. In der Halle ist alles vorbereitet: Stühle sind gestellt, Matten liegen auf dem Boden, auf dem Tisch liegen die Zertifikate und die Herzchen, die Sr. Aloisia nachher an die Abschlussklasse verteilt.
Es geht streng nach Protokoll. Ir. Fátima hat ein Programm mit 16 Punkten erstellt, die nacheinander abgearbeitet werden sollen.
Aber noch ist es nicht so weit. Wir werden angewiesen, uns neben dem Schuleingang auf Stühle zu setzen und zu warten, bis wir aufgefordert werden, zum Vorstandstisch zu gehen. Dort sitzen die geladenen Gäste: der Direktor der Sekundarschule, der Direktor der Gesamtschule (1. – 7. Klasse) und Regionaldirektor der Schulen, der Pfarrvikar Padre Agostinho, der Vertreter der Schulverwaltung, der Ir. Fátima in organisatorischen Fragen hilft und die Agrardirektorin des Distrikts, die in Vertretung des Administrators (so etwas wie ein Bürgermeister) gekommen ist und die Schwestern: Ir. Fátima, Ir. Leila und wir.
Die Halle ist schon voll, als wir schließlich zu dem besagten Tisch gehen dürfen. Die Eltern sitzen auf Stühlen, die Kinder auf Matten. Vor der Halle fein säuberlich aufgereiht stehen die Schuhe derer, die auf den Matten sitzen. Es tut mir in der Seele leid, dass ich der Etikette folgen muss und das jetzt nicht fotografieren kann!
Das Programm beginnt, die Punkte Begrüßung, Willkommensgruß, Einzug der kulturellen Gruppe und der Abschlussklasse werden abgearbeitet. Die Gruppen haben tunikaartige Gewänder an, die Abschlussklasse in blau, die Kulturgruppe in Weiß, eine andere Gruppe in Türkis.
Die Kulturgruppe ist für die Gesänge zuständig, die engagiert und mit viel Bewegung vorgetragen werden. Die Gruppe in türkisfarbenen Gewändern macht ein Anspiel zu Julia Postel, unserer Gründerin, der Patronin dieser Schule. Es macht Freude, ihnen zuzusehen, wie sie mit Begeisterung die Hauptzüge dieser Frau verkünden, die vor mehr als 200 Jahren die Gemeinschaft gegründet hat und immer noch lebendig ist.
Fünf Kinder der Vorschule schreiben ihre Namen an die Tafel, ein sechstes kommt hinterher und setzt die Zahlen 1 – 5 davor. Das wird mit viel Applaus bedacht und ist etwas ganz Besonderes, wenn man bedenkt, wie viele Menschen hier nicht lesen und schreiben können.
Den größten Teil der Veranstaltung nimmt die Übergabe der Zertifikate ein. Jedes Kind wird aufgerufen, kommt nach vorne, nimmt das Dokument entgegen und anschließend ein Herz aus Deutschland mit einem SMMP-Bändchen. Die Eltern der Kinder nehmen die Dokumente sofort in Gewahrsam. Ihre Reaktionen sind ganz unterschiedlich. Viele küssen ihre Kinder, manche sind völlig unbewegt, andere nehmen die schon großen Kinder auf die Arme und tragen sie zum Platz zurück, eine Mutter stimmt ein Freudengeheul an, das wohlwollend beklatscht wird.
Nach der Übergabe der Zertifikate ist Sr. Aloisias Ansprache an der Reihe. Sie geht auf die Herzen ein, die sie verteilt hat und wünscht den Kindern, dass sie Jesus im Herzen tragen und Freude am Lernen haben.
Langsam neigt sich das umfangreiche Programm dem Ende zu. Es gibt noch ein Lied mit Aufforderung zum Tanz, der aber kurz ausfällt.
Am Schluss kommt ein Kind der Kulturgruppe angelaufen und ruft: „Ich weiß nicht, wie ich danken soll.“ Ein zweites kommt hinzu und ruft: „Aber ich weiß, wie das geht!“ Es winkt andere, die angelaufen kommen und zusammen sagen: „Vielen Dank für dieses Erziehungszentrum Julia Postel. Mamas, Papas! Wir bitten euch, helft mit bei der Erziehung!“
Danach verabschiedet Ir. Fátima die Kinder in die Ferien.
Der Direktor der Sekundarschule zeigt sich beeindruckt und freut sich schon darauf, diese Kinder später in seiner Schule zu haben. Der Pfarrvikar sagt, er hätte den ganzen Tag zuschauen und zuhören können. Es war wirklich ein sehr gelungenes Fest!
Draußen wartet eine alte Frau mit einem kleinen Mädchen, die später zu uns in den Galpão kommt. Sie ist die Oma der Kleinen und hat sie zu sich genommen, weil die Mutter des Kindes, ihre Tochter, gestorben ist und das Mädchen keine andere Familie mehr hat. Im letzten Jahr wären die beiden fast verhungert, weil das Feld keine Früchte brachte. Da ist die Kleine zu den Schwestern gekommen, hat sich zu Ir. Leila ins Büro gesetzt und ist eingeschlafen. Als Ir. Leila sie fragte, ob sie müde sei, sagte sie: „Nein, ich habe Hunger. Wir haben nichts mehr zu essen zuhause.“ Da haben die Schwestern natürlich geholfen. Dieses Jahr geht es besser, das Feld bringt Ertrag, die alte Dame hat uns Bananen mitgebracht. Am liebsten würde sie die Kleine sofort in die Obhut der Schwestern geben, aber dafür ist das Mädchen mit seinen sechs Jahren noch zu klein. Amisia, so heißt die Kleine, ist ganz aufgeweckt. Sie ist vor kurzem ins Pfarrbüro marschiert und hat im Sekretariat verkündet, sie wolle getauft werden. Wie sie darauf kommt, weiß keiner. Der Antrieb kam von ihr ganz alleine. Sie ist immer in der Kirche und sehr aufmerksam. Im nächsten Schuljahr kommt sie in die erste Klasse, da wird Taufvorbereitung angeboten. Die Schwestern laden sie ein, auch in den Ferien vorbeizukommen.
Inzwischen ist es dunkel geworden. Ein weiterer vollgepackter und spannender Tag geht zu Ende.
+ Samstag, 22.11.2014
Heute Morgen ist statt Laudes Vorbereitung auf den Sonntag. Ir. Luisa ist an der Reihe. Sie hat Symbole passend zu den Sonntagslesungen auf den Boden gelegt und fordert auf zum Miteinander-Teilen unserer Gedanken. Es ist eine gute und kreative Weise, mit den biblischen Texten umzugehen!
Den weiteren Vormittag widmen wir dem Abschicken des ersten Teils unseres Berichts.
Nach dem Mittagessen und einer Mittagspause geht es nach Cuamba. Wir sind ganz froh, dass es nicht im vollen Mittag ist, denn von der Abkühlung durch den Regen an unserem Ankunftstag ist schon lange nichts mehr zu spüren. Die Fahrt verläuft gut, Vibrationsmassage inbegriffen.
Immer wieder kommen wir an kleineren oder größeren Ansiedlungen vorbei, meist bestehend aus kleinen, mit Stroh gedeckten Hütten, in denen ganze Familien wohnen: sehr einfach, dunkel, ohne jeden Komfort, ohne Strom und sicher auch ohne Wasser, denn wir sehen viele Menschen mit Wasserkanistern oder -eimern auf der Straße. In dieser sonst tristen Landschaft leuchten die rot blühenden Akazien – Flamboyants genannt – schon von Weitem.
Einige Kilometer vor Cuamba fällt uns auf, dass die Erde am Straßenrand aufgegraben ist und entlang der Straße große Rohre bereitliegen – anscheinend wird eine Kanalisation gelegt und langsam zieht auch hier der Fortschritt ein.
Das Haus von Cuamba ist das Noviziatshaus, in dem Ir. Conceição mit den sechs Novizinnen und drei Postulantinnen wohnt. Wir werden mit viel Hallo begrüßt.
Die Novizin Irmã Luisa und die Postulantin Vanessa haben hinten auf dem Gepäck gesessen und machen sich nun gemeinsam mit den anderen einen Spaß mit dem Ausladen des Autos.
Sie stemmen Koffer und Taschen, Kisten und Eimer als wäre es nichts. Ein Koffer auf dem Kopf, auf jeder Schulter ein Rucksack – kein Problem.
Die jungen Leute bringen viel Leben ins Haus. Bei Tisch wird durcheinander geredet und viel gelacht. Die Novizinnen wollen wissen, was man denn brauche, um einmal nach Deutschland oder Frankreich zu kommen. Die traditionellen Tugenden einer guten Ordensfrau werden aufgezählt: gut beten, gut arbeiten, gut essen, gut schlafen und viel lachen. Dass Deutsch oder Französisch erforderlich sei, glauben sie nicht. Ir. Luisa macht vor, wie man mit Gesten alles bekommen kann, was man zum Leben braucht.
Ir. Ester ist mit Malaria aus Metarica zurückgekommen. Die Schwestern sagen, da hilft nur, dass man sofort die entsprechenden Medikamente nimmt und sich viel Ruhe gönnt.
Sr. Aloisia nützt die bestehende Internetverbindung, um einen Glückwunsch für den neuen Bischof von Erfurt zu schreiben, der heute in sein Amt eingeführt wurde.
Die beiden Schwestern aus Nametória sind inzwischen am Bahnhof von Cuamba angekommen, nachdem der Zug einmal auf der Strecke liegengeblieben war. Ir. Leila holt sie ab und fährt mit ihnen direkt nach Metarica zurück.
Um 18:00 Uhr ist hl. Messe in der Pfarrkirche. Als wir hinein kommen, wird schon sehr temperamentvoll gesungen, begleitet von den üblichen Rhythmusinstrumenten. Es steht auch ein Keyboard an der Seite, das von einem jungen Mann bedient wird, aber es wird von den Trommeln völlig übertönt. Der Pfarrer erzählt in der Predigt sehr humorvoll und anschaulich von seinem Berufungsweg und bezieht die Gemeinde mit ein, indem er Fragen stellt, auf die die Leute im Chor antworten.
Als wir zurückkommen sind zwei Wächter auf unserem Gelände. Die Schwestern mussten Wachen einstellen, weil schon zweimal eingebrochen wurde. Auch andere Schwestern wurden schon von Dieben heimgesucht. In der vergangenen Woche waren sie bei den Capuchinas. Offenbar gibt es hier eine Bande, die es auf Ordenshäuser abgesehen hat. Da beten wir bewusster das Abendgebet: „Herr, suche heim unser Haus und jeden Anschlag des Bösen halte weit von uns fern. Deine heiligen Engel mögen darin wohnen und uns behüten und den Seigen sei über uns allezeit.“
+ Sonntag, 23.11.2014
Heute ist der Gottesdienst in der Gemeinde Santa Maria Madalena Postel, die zur Pfarrgemeinde São Miguel gehört. Sie besteht schon seit 2007, die Schwestern haben aber erst 2010 davon erfahren. Bei der Gründung dieser Gemeinde hatte jemand vorgeschlagen, Maria Magdalena, die Gründerin der Postelianas in Metarica, als Patronin zu wählen.
Unsere jungen Schwestern sind außer Rand und Band. Sie sind mit ihren beiden großen Trommeln auf die Ladefläche geklettert, singen lauthals und bewegen sich im Rhythmus der Trommeln. Ihr Repertoire scheint unerschöpflich. Das ist geballte Lebensfreude, die sich da entlädt!
Die Kirche ist noch im Aufbau. Das Äußere steht schon, Bänke gibt es noch nicht. Wer sitzen will, bringt sich einen Stuhl von zu Hause mit. Für uns haben die Leute Stühle bereit gestellt. Da das Trommeln und Singen schon vor der Feier beginnt, ist es ein wenig mühsam, zu verstehen, was der Koordinator der Gemeinde uns zum Ablauf sagen will. Aber wir begreifen, dass Sr. Aloisia nach Abschluss der „Celebração“ (=Wortgottesdienst mit Kommunionfeier) zu Wort kommen soll.
Zu Beginn werden eine Frau und ein Mann vorgestellt, die neu in der Gemeinde sind. Alles wird abgefragt: Wer sie sind, woher sie kommen, ob sie verheiratet sind, und wenn ja, ob das auch kirchlich geschehen ist und ob sie die Kommunion empfangen dürfen. Man kennt sich untereinander und nimmt den Nächsten wahr.
Wir erleben eine sehr lebendige Feier, zum ersten Mal ganz auf Macua. Bei der Predigt erhaschen wir ein paar portugiesische Worte und begreifen, dass es darum geht, ob wir zu den Schafen oder Böcken gehören wollen und dass wir uns anstrengen müssen, damit wir Jesus in den Armen, Kranken, Benachteiligten jeder Art sehen und ihm in ihnen dienen.
Wie üblich wird jeder Teil des Gottesdienstes mit Tanz begleitet. Nach dem Agnus Dei geht es sofort mit der Danksagung weiter, das berührt uns etwas seltsam. Der Hauptzelebrant entschuldigt sich hinterher – derjenige, der heute die Kommunion aus der Pfarrgemeinde holen sollte, ist nicht erschienen, und die Verantwortlichen für die Feier haben vergessen, rechtzeitig nachzuprüfen, ob alles da ist. Das sei nicht das erste Mal, flüstert mir Ir. Conceição ins Ohr. Egal, die Danksagung ist trotzdem lebhaft. Das ist der Moment, an dem alle teilnehmen können. Auch unsere Novizinnen und Postulantinnen haben ihre Plätze verlassen, sich Capulanas umgebunden und tanzen mit. Die Tanzgruppe beginnt immer an der Kirchentür und bewegt sich tanzend zum Altar. Als sie vorne ankommt, beginnen die jungen Männer, die uns gegenüber sitzen, in den Tanz einzufallen. Der Trommelwirbel wird immer heftiger, die Bewegungen schneller, das Ganze nimmt einen ekstatischen Charakter an. Es hat etwas Archaisches. Dann ein kunstvoller Trommelwirbel, ein kräftiger letzter Schlag auf die Trommel und es wird still.
Es folgt noch die Verlesung des Gemeindeberichtes, der Sr. Aloisia feierlich überreicht wird und die Vorstellung der verschiedenen Gruppen der Gemeinde – die Koordinatoren des ersten Gottesdienstes, der jeden Sonntag für die Kinder in Portugiesisch ist, die Koordinatoren der zweiten Feier in Macua für die Erwachsenen, die Gruppe der Ältesten, der Pfarrsekretär.
Danach stellt Sr. Aloisia uns vor und erwähnt auch die Freude über die Profess und die Aufnahme ins Noviziat unserer jungen Schwestern. Ir. Argentina bittet anschließend um betende Begleitung der Gemeinde, die ihrerseits ankündigt, am nächsten Sonntag mit einer Abordnung nach Metarica zu kommen.
Anschließend werden wir von den Menschen umringt, die uns ihre Handys vors Gesicht halten und unbedingt ein Foto von uns machen wollen. Manche wollen auch gerne selbst mit aufs Bild, und wir halten brav still.
Ein junger Mann spricht uns auf Französisch an, es war verkündet worden, wir seien aus Spanien, gestern wurde Sr. Aloisia als Generaloberin der Consolatas nach vorne gerufen – ganz egal, auf jeden Fall ist man uns wohlgesonnen und viele wollen uns die Hände schütteln. Sie freuen sich auch, wenn man sie fotografiert, das war mir schon beim letzten Besuch aufgefallen.
Langsam verlassen die Leute mit ihren Stühlen auf dem Rücken oder auf den Kopf die Kirche und auch wir können uns zum Auto durchschlagen. Dort gibt es noch einmal ein paar Fotos, dann können wir abfahren.
Am Nachmittag ist ein Treffen mit der Noviziatsgemeinschaft. Zunächst werden die Ringe und Kreuze für die Schwestern für die Profess ausgesucht. Sie sind begeistert und würden sie am liebsten jetzt schon tragen.
Dann zeigen wir eine Präsentation zur Spiritualität unserer Gemeinschaft mit anschließendem lebhaftem Austausch. Wir sind erschrocken, dass es auf einmal schon fast halb sechs ist. Aber das ist ein Zeichen, dass es gut gelaufen ist.
Nach dem Abendessen beginnen wir noch mit einem Einzelgespräch. Dann ist es aber auch gut für den Tag. Die Novizinnen hören wir noch lange singen.
Ein Mann des Wachpersonals ist nicht gekommen, so hat Ir. Conceição einige Mühe, das zu organisieren. Nachts müssen zwei Wächter da sein wegen der beiden Einbrüche von vier Männern, die die Schwestern in Angst und Schrecken versetzt haben. Als in der Nacht die Hunde wild zu kläffen beginnen und gar nicht mehr aufhören wollen, muss ich daran denken.
+ Montag, 24.11.2014
Der heutige Tag ist ganz dem Noviziat und Postulat gewidmet. Wir haben eine gemeinsame Einheit mit allen am frühen Vormittag (Beginn kurz nach 07:00 Uhr), anschließend Einzelgespräche. Zwei Postulantinnen und eine Novizin müssen heute Nachmittag noch Abschlussprüfungen machen.
Der Tag ist gut gefüllt. Wir schaffen es gerade noch, Ir. Argentina in der Außenküche zu besuchen. Weil Gas teuer und schwer zu bekommen ist und der Strom instabil, kochen die Schwestern ganz auf mosambikanische Art auf dem Kohlenofen. Heute gibt es eine nahrhafte Suppe.
Nach dem Abendessen erfreuen uns die jungen Schwestern mit einer Vorführung ihrer traditionellen Tänze. Manche Figuren grenzen schon an Akrobatik!
+ Dienstag, 25.11.2014
Die Bewältigung des normalen Lebens nimmt viel mehr Zeit in Anspruch als bei uns. Es wird mit Hand gewaschen, und weil es staubig ist, hört die Wäsche auch nie auf. Gott sei Dank trocknet alles sehr schnell, und so kann mehrmals am Tag die Wäscheleine neu bestückt werden. Mit den Capulanas ist es relativ einfach – eine Capulana ist einfach ein großes rechteckiges Tuch, das beim Waschen und Trocknen keine große Mühe bereitet. Es wird als Rock verwendet oder als Unterlage zum Darauf-Sitzen oder zum Zudecken, als Tuch zum Tragen von Babys oder zum Einwickeln von Ware, die man transportieren muss. Sehr praktisch – nur beim Festmachen als Rock habe ich Probleme, weil der Knoten nicht so recht halten will.
Heute geht es wieder nach Metarica. Am Morgen ist noch einmal ein Gespräch, dann haben wir Zeit, unsere Koffer zu packen und die Mails zu checken. Die nächsten Tage werden weitgehend internetfrei sein.
Nach dem Mittagessen heißt es: „Ihr könnt noch eine Pause machen, wir müssen noch Kartoffeln besorgen.“ Sr. Aloisia schafft das mit der Pause tatsächlich, ich bin misstrauisch und bleibe lieber aufbruchsbereit. Man weiß ja nie, wie lange die Pause ist und ob man nicht doch überstürzt aufbrechen muss.
Beim Herausfahren aus dem Hof kommt Ir. Beatriz, eine Vorsehungsschwester, die sehr mit uns verbunden ist. Sie war in Lichinga, wo sie wegen ihrer eigenen Dokumente vorstellig werden musste. Gleichzeitig hat sie nach dem Pass von Ir. Ana Brígida gefragt, der ja immer noch nicht da ist. Sie hofft nun, dass das alles noch zu regeln ist.
Wie auf der Herfahrt haben wir das Auto voll. Ein Mädchen, Natalia, fährt mit uns. Sie sitzt hinten in der Mitte, und ihr wird eine Palette rohe Eier auf den Schoß gesetzt. Es sind 100 Stück, und das auf der Huckelpiste! Ich bin gespannt, ob das gut geht, oder ob wir mit der Grundmasse von Rührei ankommen!
Meine Befürchtungen sind unbegründet, wir kommen heil und gesund an und auch die Eier sind unversehrt geblieben. Es gibt also heute Abend kein Rührei.
Unterwegs haben wir noch den Mist von einem Bauernhof abgeholt, der für den Gemüsegarten als Dünger dienen soll.
Die Schwestern aus Nametória sind schon in Metarica, aber anders als sonst kommen keine Mädchen angelaufen. Alle jungen Leute sind in der Kirche und üben für die großen Feierlichkeiten am Sonntag. Ich habe den Verdacht, dass Fest einen herrlichen Vorwand dafür liefert, das zu tun, was so richtig Spaß macht, nämlich zu tanzen! Wir gönnen es ihnen von Herzen!
Von weitem schon sehe ich auf der Terrasse die Nähmaschine stehen. Ein Schneider fertigt Kleidungsstücke aus bunten Stoffen. Für Ir. Ana Brígida und Santa, höre ich. Ob das für Sonntag ist oder etwa schon für Deutschland? Wir werden sehen.
Die große Medaille von Maria Magdalena, die wir mitgebracht haben, ist offenbar angebracht. Man kann es nur ahnen, denn sie ist verhüllt. Erst am 28.11., dem Geburtstag der Gründerin und dem Tag der Aufnahme ins Noviziat, wird sie enthüllt.
Heute sehen wir die beiden Junioratsschwestern zum ersten Mal zusammen. Sie freuen sich sehr über den Empfangsbrief und die Grüße vom Juniorat in Deutschland.
+ Mittwoch, 26.11.2014
Um 08:00 Uhr ist Treffen mit der Placidagemeinschaft. Ca. 20 Männer und Frauen warten schon unter dem großen Baum auf unserem Grundstück Sie begrüßen uns singend und klatschend.
Vor der Verlesung des Tätigkeitsberichts informiert der stellvertretende Koordinator uns, dass die Gemeinschaft im letzten Jahr von den Novizinnen Ir. Felizarda und Ir. Luisa begleitet wurde. Durch das Relatório, den Bericht, erfahren wir dann, dass zu dieser Gemeinschaft 26 Leute gehören, 15 Frauen und 11 Männer. Seit einiger Zeit gibt es in zwei weiteren Kommunitäten Placidagemeinschaften, in Mireia und Xlambuara.
In einen zweiten Teil zeigen sie uns ihre Arbeit als Theaterstück. Die zentrale Geschichte ist die eines Mannes, der nicht arbeitet, seine Frau misshandelt und alles Geld in den Alkohol steckt. Frau und Kinder haben nichts zu essen, er aber hat nur die Kneipe im Sinn. Weil im Haus nichts zu essen da ist, wird er gewalttätig. Nachbarn versuchen zweimal, ihn zur Vernunft zu bringen, aber vergeblich. Ein Mitglied der Placidagemeinschaft schafft es schließlich, ihn zu überzeugen, dass das Leben so nicht weitergehen kann, und am Ende treten beide Eheleute in die Gemeinschaft ein. Es wird die Aufnahme gezeigt, ein Treffen, bei dem beschlossen wird, einer anderen Frau zu helfen und die konkrete Aktion, der Bau einer Toilette und die Versorgung mit Nahrungemitteln. Zwei Geschichten am Rand erzählen, wie sie Kranke und alte Menschen besuchen.
Dieses Theaterstück ist tief bewegend. Alles wirkt gekonnt, weil es ihr Alltag ist, den sie spielen. Am Schluss schenken sie noch einen großen Sack Mais, den sie gleich in die Garage
bringen. Die Ernsthaftigkeit, mit der sie das Evangelium leben und aufeinander achten, berührt. Sie tun die Werke der Barmherzigkeit und hören das Evangelium nicht nur, sondern leben es in aller Schlichtheit und mit voller Überzeugung.
Überall im und um das Haus ist geschäftiges Treiben. Alles wird vorbereitet für das große Fest am Sonntag. Ir. Fátima backt den Festtagskuchen. Beim letzten Fest hat sie die Nacht vorher nicht geschlafen aus Sorge, dass der Kuchen wegläuft. Jetzt hat sie eine neue Idee entwickelt und packt jedes Stück in Folie ein – eine Wahnsinnsarbeit!
Am Nachmittag ist Besuch der Patenfamilien geplant. Doch vorher kommt ein Mitarbeiter der Schule, Vitor, und überreicht Sr. Aloisia vier Holzlöffel, die er selbst verziert hat.
Wir fahren durch Metarica und staunen, wie sehr sich der Ort verändert hat. Alles ist größer und schöner geworden. Die Straße führt durch eine Allee mit rotblühenden Flamboyants. Am Markt steigen wir kurz aus und schlendern einmal quer darüber. Es gibt allerhand Kleidungsstücke aus zweiter Hand, Unmengen von Plastikschuhen, Capulanas, Plastikbehälter in jeder Größenordnung. Sogar einen kleinen Fischmarkt haben sie hier. Ir. Leila ist bekannt und spricht mit vielen Leuten.
Ein Junge fällt uns auf: er hat ein Brettspiel auf den Knien mit Figuren aus Kronkorken und Verschlüssen von Plastikflaschen. Sehr erfinderisch!
Am Zaun, hinter den unvermeidlichen Abfallbergen, entdecken wir eine Gruppe Kinder, die uns neugierig mit ihren Blicken verfolgen. Als wir winken, winken sie freundlich zurück. Es ist immer wieder auffallend, wie offen die Menschen sind und wie sehr sie sich freuen, wenn sie fotografiert werden.
Weiter geht’s in den Außenbezirk. Wir sind schon ziemlich weit draußen auf der staubigen Straße, als Ir. Leila auf einmal anhält und Vicente, den jungen Mann, der uns begleitet, anweist, zurückzulaufen. Grund der Aufregung ist eine riesengroße Frucht, mit der sie Kinder hat spielen sehen. Sie entpuppt sich als „Metarica“, die Frucht, die der Stadt ihren Namen gegeben hat. Sie ist größer als ein Fußball und sehr schwer. Vicente und einige junge Männer, die sich inzwischen um uns herum versammelt haben, öffnen sie, indem sie sie mehrmals hintereinander auf einen Stein werfen. Die ersten Male springt die Frucht hoch wie ein Ball, dann öffnet sie sich. Die Leute erklären uns, dass man von der Frucht nur die Samen isst. Sie werden erst getrocknet, anschließend geröstet, dann kann man sie essen.
Diese Frucht sei noch nicht reif, sagen sie. Ich mache mir Sorgen wegen des Mädchens, deren Frucht wir jetzt geöffnet haben. Aber das ist unbegründet. Ir. Leila drückt ihr etwas in die Hand und sie rennt glücklich und triumphierend davon.
Wir versuchen, den Baum zu finden, der diese Früchte trägt. Die Männer deuten in eine Richtung, in die nun alle schauen. Plötzlich ruft einer „Macaco“ – „Affe“, und tatsächlich sehen wir die ersten Affen in freier Wildbahn in den Baumkronen turnen. Die jungen Männer lachen über unsere Begeisterung. Für sie ist das wahrscheinlich nicht mehr, als wenn bei uns ein Eichhörnchen den Baum hinaufläuft.
Nun wird es aber Zeit für die Patenfamilien. Ein Stück weiter draußen erwartet uns eine Gruppe Frauen und Kinder singend am Straßenrand und nimmt uns mit in eine Ansiedlung.
Zuerst gehen wir zu einer Dame mit Namen Catarina Gervasio. An ihrem Haus werden an Matten ausgelegt, und alle setzen sich darauf – wir dürfen etwas höher auf der Stufe sitzen, die in das Haus hineinführt. Alle schauen uns erwartungsvoll an. Viele können kein Portugiesisch bzw. nur ein paar Brocken. Da Vicente zum Aufpassen im Auto geblieben ist, übernimmt der Sohn von Catarina, Laurenço, den Dolmetscherdienst. Er ist bei uns in der Escolinha angestellt. Wir werden vorgestellt, es wird ein bisschen allgemein geredet, dann fällt Ir. Leila ein, dass sie die Süßigkeiten zum Verteilen vergessen hat.
Das geht gar nicht, sie wird nun noch schnell welche kaufen gehen und uns allein lassen. Da sitzen wir nun und wissen nicht recht, was wir anfangen sollen. Wir stellen ein paar Fragen, die Vicente übersetzt, aber es ist zäh und schleppend. Dann kommt Sr. Aloisia die rettende Idee: Wir machen eine Deutschstunde! Das funktioniert großartig. Wir bringen den Frauen und Kindern die Tage der Woche bei, die Monate und die Zahlen von eins bis 12. Alle sind mit Feuereifer dabei und sprechen im Chor die Worte nach. Sie sind begeistert, und wir loben sie kräftig für ihre schnelle Auffassungsgabe und ihre gute Aussprache.
Inzwischen ist Ir. Leila zurück, und es kann an die Verteilung der Süßigkeiten gehen. Laurenço stellt alle in einer Reihe auf, wie er es in der Escolinha gelernt hat und passt auf, dass jeder auch nur einmal das Päckchen Kekse bekommt. Nachher erinnert Ir. Leila daran, dass das Papier nicht in den „Mato“, also einfach in die Landschaft geworfen wird, sondern in dafür vorgesehene Behälter. Da ist allgemein noch eine Menge Bewusstseinsbildung nötig, obwohl es hier sehr ordentlich aussieht.
Am Schluss bringt uns Catarina ihre Gabe: Eine Schüssel Reis, die aus ihrem eigenen Anbau stammt.
Ir. Leila erzählt uns, dass bei diesen Patenfamilien schon ganz viel an Entwicklung sichtbar ist. Sie helfen sich gegenseitig und spornen auch die umliegenden Familien an. So sind ihre Häuser sehr viel sauberer als früher und sie halten ihre Sachen besser in Ordnung.
Von Catarina geht es zum nächsten Haus, wo Olga Abilio mit ihrer Familie wohnt. Da wartet eine Überraschung auf uns, kündigt Ir. Leila an. Alle gehen mit, die Menge wird an jedem Ort ein bisschen größer. In dem Haus, zu dem es geht, sitzen zwei Männer. Einer hat ein winzig kleines Kind auf dem Arm. Sr. Aloisia fragt nach dem Namen, Ir. Leila bedeutet dem Mann: „Noch nicht!“. Seltsam, finde ich, erfahre aber bald, warum. Das Baby, ein Mädchen, wurde am 21. November geboren, ist also gerade fünf Tage alt. Zu Ehren der Generaloberin soll es „Aloisia“ heißen. Das ist natürlich eine große Freude, und die stolzen Eltern lassen sich gerne mit der neuen Patin fotografieren!
Auch Olga bringt uns eine Gabe: eine Schüssel Bohnen, die in eine Plastiktüte umgeschüttet werden. Diejenigen, die neu hinzugekommen sind, bekommen ihre Plätzchen, und weiter geht es zur Familie von Cecilia Ussumane. Auch bei ihr ist alles ordentlich gefegt, und wir nehmen wieder auf einer Bastmatte Platz. Sie bringt uns eine Schüssel voller Erdnüsse als Geschenk. Weil wir keine Tüten mehr haben, werden sie in Sr. Aloisias Hut geschüttet.
Die wieder etwas größer gewordene Menge singt und klatscht, und alle setzen sich gemeinsam zur letzten Familie in Bewegung. Sr. Aloisia hat inzwischen einen kleinen Freund, der nicht von ihrer Seite weicht.
Auf dem Weg kommen wir an einem Ofen vorbei, in dem Backsteine gebrannt werden. Es sind wohl an die 700, der Prozess dauert fast eine Woche. Wenn das offene Feuer aus ist, wird alles abgedichtet und die Resthitze zum Brennen genutzt. Auch die Steine für unsere Gebäude sind auf diese Weise entstanden.
Unser letzter Besuch gilt Alaina Acepa und ihrer Familie. Eine alte Frau, wahrscheinlich die Mutter von Alaina, sitzt auf einer Bastmatte auf dem Boden und lädt uns ein, dort Platz zu nehmen. Das ist für uns aber doch etwas mühsam, und so werden wir wieder auf Stühle platziert. Die alte Dame fragt als erstes auf Macua, was sie denn gegen die Kraftlosigkeit in den Beinen machen könne. Die Medikamente aus dem Krankenhaus hätten nicht geholfen. Ir. Leila empfiehlt eine Pflanze und gutes Essen.
Hier bekommen wir Erdnüsse mit Schale überreicht.
Nach diesem beeindruckenden und an Erfahrungen reichen Nachmittag können wir beschenkt nach Hause zurückkehren. Morgen haben wir ein Treffen mit den Aspirantinnen und den Vocacionadas (denen, die eine Berufung spüren), danach folgen die Festtage, von denen wir im nächsten Bericht erzählen werden.
Wir brauchen Ihre Hilfe
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