Spannende Diskussion beim Missionarischen Forum im Bergkloster Bestwig
„Bei uns wissen Muslime und Christen genau, wer sie sind. Aber wenn sie über ihren Glauben ins Gespräch kommen, beginnen die Probleme. Unsere Aufgabe ist es dann, die Diskussion zu beenden“, sagt Schwester Robina Victor. Die Dominikanerin arbeitet an einer katholischen Schule in Pakistan, die überwiegend von Muslimen besucht wird. Gemeinsam mit Father Arthur Charles berichtete sie am Freitagabend im Bergkloster Bestwig darüber, in welcher Situation sich die Christen in ihrer Heimat befinden. So entstand eine spannende Diskussion über die Möglichkeiten und Schwierigkeiten eines interreligiösen Dialogs – auch in Deutschland.
150 Gäste waren zu dem diesjährigen Missionarischen Forum ins Bergkloster gekommen. Das war diesmal zugleich die zentrale Auftaktveranstaltung des Erzbistums Paderborn zum Weltmissionssonntag. Alljährlich stellt das Missionswerk missio ein Partnerland in den Mittelpunkt dieser weltweit größten, kirchlichen Solidaritätsaktion. 2014 ist es Pakistan, das den Islam 1973 als erstes Land in seiner Verfassung verankerte. 95 Prozent der Bevölkerung sind dort muslimisch.
Schule wird von Security überwacht
Father Arthur Charles missioniert dort in der Erzdiözese Karachi auch über die Medien, hat eine eigene Zeitung und sogar einen Radiosender gegründet. In seinem einführenden Vortrag schilderte er diese Arbeit: „Ich kann in Pakistan nicht überall mit meiner Bibel hingehen. Aber über die Medien kann ich alle erreichen.“
Schwester Robina Victor ist stellvertretende Schulleiterin und Provinz-Priorin ihrer Ordensgemeinschaft in Faisalabad: „Keine einfache Aufgabe. Wir haben Angst vor Fundamentalisten. Unsere Schule wird von bewaffneten Pförtnern bewacht.“
In Deutschland gestaltet sich das Miteinander von Christen und Muslimen friedlicher. Dr. Ahmet Arslan, Dialogbeauftragter der muslimischen Gemeinde in Meschede und Bestwig, erklärte: „Schon unmittelbar nach meiner Geburt hat sich eine Ordensschwester um mich gekümmert. Da fing der interreligiöse Dialog für mich quasi an.“
Muslime werben für Toleranz
Im Sauerland kämen die Muslime gut mit ihren christlichen Nachbarn klar. Was Arslan allerdings ärgert, ist das „defizitorientierte Denken“, mit dem Deutsche den Muslimen oft begegneten: „Viele fordern, dass wir uns vom IS-Terror distanzieren und Zeichen dagegen setzen anstatt zu sehen, was wir für mehr Toleranz und die Offenheit der Religionen tun.“
Das sei eine Menge. So veranstalte die muslimische Gemeinde am Tag der Deutschen Einheit zu einem Tag der offenen Moschee, lade Christen in der Vorweihnachtszeit zu einem Adventessen ein und gedenke traditionell am 9. November gemeinsam mit den Benediktinern der Abtei Königsmünster mit einem Schweigemarsch der Opfer religiöser Verfolgung, Rassismus und Extremismus weltweit.
Jungen Christen fehlt Identität
So gesehen bleibt das Miteinander der Religionen auch in Deutschland ein Thema. Frank Abels, Religionslehrer an der Haupt- und Sekundarschule in Bestwig, weiß um die Wichtigkeit dieses Dialogs. Aber er erfährt, dass ein Austausch zwischen Christen und Muslimen über ihre Identität an seinen Schulen kaum möglich sei. Und das aus ganz anderen Gründen als in Pakistan: „Auch hier wissen die Muslime genau, wer sie sind. Aber die christlichen Schüler, die wir haben, wissen nicht mehr, was ihren Glauben ausmacht. Vielleicht kommt er uns Christen hierzulande immer mehr abhanden.“
Ein Zustand, den Abels wenig befriedigt: „Denn ist die Nächstenliebe, sie Jesus predigt, nicht viel mehr als nur eine friedliche Koexistenz?“
Arthur Charles: „Da tut sich etwas in unserem Land“
Für Arthur Charles ist die friedliche Koexistenz von Christen und Muslimen in Deutschland immerhin schon eine ganz neue Erfahrung: „Bisher habe ich immer da, wo Muslime sind, Probleme erlebt.“ Er spüre, dass viele Muslime die Christen in Pakistan um ihre Offenheit beneiden: „Da tut sich etwas in diesem Land. Und davor haben die radikalen Islamisten Angst.“
Der Priester meint sogar, dass viele Muslime konvertieren würden, wenn sie könnten. Aber das sei unmöglich. Wer sich als Muslim taufen ließe, müsse mit dem Tod rechnen.
Ausführungen, die einen muslimischen Besucher des Forums zu der Frage veranlasste, ob er das Christentum damit nicht über den Islam erhebe. Und das zeigte, wie sensibel die Diskussion geführt werden muss.
Das führte auch zu der Frage der unterschiedlichen Mentalität von Christen und Muslimen. Reagieren Muslime emotionaler? Und haben Christen diese Emotionalität schon verloren? Laura Albers, in der katholischen Jugendarbeit aktiv und im Bergbauort Ramsbeck aufgewachsen, verneint das: „Ich erlebe auch Christen emotional, bewegt und sehr gläubig. Aber sie zeigen das nicht so nach außen.“
Sr. Robina Victor: „Unterdrückung macht uns stark“
In Pakistan spüren Father Arthur Charles und Schwester Robina Victor jedenfalls den emotional aufgeladenen Hass der Extremisten: „Wir erfahren Drohungen und Terror. Wer der Aufforderung, zum Islam zu konvertieren, mit den Vorzügen des Christentums begegnet, muss mit einer Gefängnisstrafe rechnen“, so Schwester Robina. Anderen Minderheiten wie den Hindus gehe es da nicht besser, vielleicht sogar noch schlechter.
Andererseits mache diese Situation die Christen in ihrem Land stark: „Wir sind uns klar, dass wir unser Leben riskieren. Aber das hält uns nicht ab, uns zu unserem Glauben zu bekennen.“
Father Arthur freut sich, dass sich derzeit in Karachi 80 Priester in der Ausbildung befinden: „Natürlich bedeutet das Priesteramt für die meisten einen sozialen Aufstieg. Deshalb wägen wir sehr genau ab, welche Kandidaten wir aufnehmen.“
„Kommunikationskompetenz fehlt“
So wurden während der Diskussion viele Ängste zur Sprache gebracht, aber auch Perspektiven deutlich.
Dr. Ahmet Arslan betonte, dass es oft an Kommunikationskompetenz fehle, um den Dialog zwischen Christen und Muslimen voranzubringen: „Die kann man erlernen, wenn man schon über ganz banale Dinge miteinander ins Gespräch kommt: ob es die Mülltrennung oder die Straßenverkehrsordnung ist.“
Als er vor kurzem jemanden in einer Tempo-30-Zone darauf hinwies, dass er langsamer fahren müsse, habe der entgegnet: „Pass Du Dich erst einmal an.“ Das mache deutlich, dass die Integration von Muslimen auch hierzulande längst noch nicht abgeschlossen sei.
Viele offene Fragen
Gern hätten christliche und muslimische Besucher beim anschließenden Imbiss weiter über die vielen offenen Fragen diskutiert. Aber es war schon spät geworden und Weihbischof Matthias König begann pünktlich mit der abschließenden Eucharistiefeier, die öffentlich angekündigt war. Also kam es nicht mehr dazu.
Der Abend machte aber in beeindruckender Weise klar: Der Dialog muss weitergehen.