Auch Wasserknappheit stellt die Aldea in Cochabamba vor Herausforderungen
Nicht nur die zunehmende Wasserknappheit macht der Aldea de Niños Cristo Rey am Rand er bolivanischen Stadt Cochabamba derzeit zu schaffen. Ein kurioses Gesetz sorgt außerdem dafür, dass weniger statt mehr Eltern ihre Kinder während ihrer Haftstrafe in die Obhut des Kinderdorfes geben. Obwohl sie nur hier zur Schule gehen und angemessen psychologisch bzw. medizinisch betreut werden können.
2008 hatten die Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel die Trägerschaft für das Kinderdorf in der 700 000 Einwohner-Stadt übernommen. Damals lebten dort über 600 Jungen und Mädchen. „Das war kaum zu händeln“, erinnert sich Petra Sadura. Inzwischen nimmt die Einrichtung nur noch Mädchen und Jungen auf, von denen wenigstens ein Elternteil inhaftiert ist. Und auch nur so viele, dass eine pädagogische Betreuung gewährleistet bleibt.
„Da haben wir Kapazitäten für knapp über 200 Kinder“, weiß die Gesekerin, die 2008 mit ihrer Familie nach Bolivien zog, um die Leitung für die Einrichtung zu übernehmen. Zureit besucht sie ihre Heimat in Deutschland.
Derzeit 150 Kinder
Gegenwärtig leben allerdings nur 150 Kinder in der Aldea. Der Grund für die freien Plätze liegt nicht etwa darin, dass es weniger Kinder in Gefängnissen gibt. Das Gegenteil ist sogar der Fall. „Die Regierung hat ein Gesetz in Kraft gesetzt, nach dem Eltern von Kindern unter zwölf Jahren ein Drittel ihrer Haftstrafe erlassen werden kann“, erklärt Petra Sadura.Das führe dazu, dass die Eltern mit einer kürzeren Haftstrafe rechnen und davon ausgehen, dass ihre Söhne und Töchter für diese Zeit auch im Gefängnis bleiben können.
Der Grund dafür, dass bei der Inhaftierung eines Elternteils – meist des Vaters – die ganze Familie im Gefängnis lebt, liegt darin, dass die Häftlinge in Bolivien nicht angemessen versorgt werden. Also ziehen Frau und Kinder als Freigänger ein. Sie kaufen Lebensmittel ein und kochen. Kinder werden dabei nicht selten als Drogenkuriere missbraucht.
„Hinzu kommt, dass der Großteil der Insassen noch gar nicht verurteilt ist und erst auf einen Prozess wartet. Sie wissen nicht, wann der kommt und zu welchem Urteil der führt. Also wollen sie solange auch noch nicht über das Schicksal ihrer Kinder entscheiden“, führt Petra Sadura aus. So hat das Gesetz zu dem Gegenteil dessen geführt, was es augenscheinlich bewirken soll: dass mehr statt weniger Kinder in den Gefängnissen leben.
Gesetz ohne Logik
„Sicher wollte die Regierung die Situation in den Gefängnissen entschärfen, nachdem es dort Todesfälle von Kindern gegeben hat“, vermutet die deutsche Leiterin der Aldea – „aber nach Logik darf man bei solchen politischen Entscheidungen in Bolivien nicht immer fragen.“
Sie, ihre beiden Psychologinnen und die beiden Sozialarbeiterinnen setzen sich jedenfalls weiter dafür ein, dass sie die Kinder aufnehmen dürfen: „Unser Konzept besteht ja darin, dass der Kontakt zu den Eltern durch regelmäßige Besuche in der Aldea bestehen bleibt. Bei uns können die Jungen und Mädchen wieder eine Schule besuchen. Und sie sind gut versorgt.“ Das betrifft nicht nur das Essen, Schulmaterialien und Kleidung, sondern auch die medizinische und psychologische Betreuung – vor allem von traumatisierten Kindern, die Gewalt und sexuellen Missbrauch miterlebt oder selbst erfahren
haben.
Ein emotionales Dilemma
„Es fällt uns nicht schwer, die Eltern von dem Konzept zu überzeugen. Auch Schwester Maria Laura Rosado, die uns gelegentlich begleitet, trägt viel dazu bei. Aber wenn die Haft absehbar scheint, scheuen die Eltern davor zurück, uns ihre Kinder zu überlassen“, schildert Petra Sadura das emotionale Dilemma.
Natürlich sind auch die hygienischen Standards in der Aldea andere als im Gefängnis. Wenngleich die angesichts der Wasserknappheit schwer zu halten sind. „Zurzeit haben wir nur vormittags und abends von sieben Uhr bis neun Uhr Wasser“, schildert die Kinderdorf-Leiterin. Wenn das Fußball-Training zu Ende sei, müssten die Kinder bereitgestellte Kübel nehmen, um sich zu waschen. „Organisatorisch ist das schon eine Herausforderung“, gibt die 45-Jährige zu.
Wasserknappheit seit März
Zwei Ortsteile erheben Anspruch auf das Wasser aus einem Fluss. Und die darüber gelegene Brauerei zweigt einen Großteil ab, um Bier brauen zu können. „In der warmen Regenzeit von November bis März haben wir keinen Mangel. Aber in den acht Monaten dazwischen“, so Petra Sadura. Während des deutschen Sommers ist in Bolivien Winter.
Was diese Knappheit angeht, würde sie sich bei voller Auslastung mit 200 Kindern natürlich verschärfen. „Aber das bekämen wir in den Griff“, ist die Gesekerin überzeugt. Einen anderen Vorteil beobachtet sie allerdings in den Erfolgen der Betreuung: „Ich habe erstmals ein Jahr erlebt, in dem kein Kind weggelaufen ist: Und das ist sicher auf die intensivere Beziehung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu den Kindern zurückzuführen.“ Gleichzeitig zeige das, welch gute Arbeit die Tias – die Betreuerinnen in den Wohngruppen – sowie die Pädagoginnen und Psychologinnen leisten.