Eigentlich war der Gottesdienst schon vorbei, der holländische Gastchor sang das letzte Lied und es wurde kräftig applaudiert. Ich hatte nicht mit einer Zugabe gerechnet. Unerwartet stimmte die tongewaltige Gruppe ein neues Lied an. Was dann geschah, ist nicht mit Worten fassbar.
Es lag plötzlich eine Hoffnung und eine Freude in der Luft, die sich wellenartig vom Chorraum bis in die Bankreihen ausbreitete. Dieses Lied berührte – ohne den Text zu verstehen.
Ich bin nicht sicher, ob ich mir den Titel des Liedes richtig gemerkt habe: „Die Steppe wird blühen.“ Vielleicht ist das aber auch gar nicht wichtig. Es ist ein Beerdigungslied, wie ich später erfuhr.
Mittlerweile sind einige Tage vergangen. Seitdem ich den Klang und die Worte „Die Steppe wird blühen“ in mir trage, habe ich das Gefühl, die Welt ein klein wenig anders zu sehen.
Der Frühling kommt kraftvoller daher, der blühende Klosterhof strahlt mir entgegen und die dürren Landstriche meines Lebens nehme ich ein wenig liebevoller an als sonst. Nur ein wenig, aber das ist schon ziemlich viel.
Und dann überlege ich mir, ob das mit dem Heiligen Geist nicht auch so funktionieren könnte. Wenn man nicht mit einer Zugabe rechnet und eigentlich schon auf dem Sprung ist, dann kommt das Leben einfach so daher, überwältigend, umsonst und berührend. „Die Steppe wird blühen“ – das ist Zugabe und Verheißung zugleich.
Sr. Ruth Stengel