Frühjahrstagung: Was bedeutet Jahr des Glaubens für die Einrichtungen?
Das Jahr des Glaubens nahmen die Generalleitung und die Provinzleitung der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel bei der Frühjahrstagung im Bergkloster Bestwig zum Anlass, gemeinsam mit ihren leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu überlegen, welche Rolle der Glaube noch im Alltag ihrer Einrichtungen und Dienste spielt. Dass der christliche Anspruch nicht immer einfach umzusetzen, aber überall bewusst ist, wurde bei der Tagung deutlich.
„Das Jahr des Glaubens soll auch für uns alle Erneuerung sein“, betonte Generaloberin Schwester Aloisia Höing. Zunächst klang das noch wie ein frommer Wunsch. Aber am Ende der Tagung war es gemeinsamer Wille.
Sogar die Eltern der meisten Schüler sind inzwischen kirchenfern
„Die Schüler unserer Gymnasien und Berufskollegs kommen zunehmend aus Elternhäusern, die selbst kaum noch Berührung mit Kirche haben“, fasste Michael Bünger, kaufmännischer Leiter der Schulen in Kassel und Heiligenstadt, das Ergebnis aus der Diskussion einer Kleingruppe zusammen. Für die neu hinzukommenden Lehrer gelte das tendenziell auch. Dass die Strukturen kirchlicher Gemeinden bröckelten, bedeute für die Schulen aber eine Chance: „Wo sonst kommen schon mal 1 000 junge Menschen zu einem Schulgottesdienst zusammen? Wo sonst hat man über viele Jahre eine Gemeinschaft, in der sich christliche Werte vermitteln lassen?“
Die Seniorenhilfe-Einrichtungen haben es dagegen noch mit einer anderen Klientel zu tun: „Für unsere Bewohner sind Namenstage wichtiger als die Geburtstage“, sagt Michaela Hoff, Pflegedienstleiterin im Reginenhaus in Rhynern. Das fordere die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer wieder heraus. Andreas Wedeking, Leiter der Seniorenheime St. Josef in Wadersloh und Am Eichendorffpark in Stromberg, ergänzte: „Wir verleiben uns kirchliche Feste im wahrsten Sinne des Wortes ein. Die finden sich bei uns sogar auf der Speisekarte wieder.“ Trauerfeiern, Andachten, spirituelle Impulse zu Beginn von Arbeitsbesprechungen – all das machen die Mitarbeiter der Seniorenhilfe mittlerweile weitgehend selbst, ohne Priester oder Schwestern, so Wedeking.
Noch anders die Situation in den Kliniken. „Wir haben keine Schüler oder Bewohner, die wir über Jahre betreuen. Unsere Patienten wechseln alle 14 Tage“, so Dr. Karl Ott, ärztlicher Direktor am Gertrudis-Hospital in Herten-Westerholt. Hier sei die Klinikseelsorge ein ganz wichtiger Pfeiler der christlichen Prägung, sowohl für Patienten als auch für Mitarbeiter. Diese Aufgabe übernehme zurzeit noch ein eigener Priester – und dann? „Um unsere eigenen Mitarbeiter für die Ordensgründerin zu begeistern und das Charisma lebendig zu halten, fehlen uns schlicht die Ressourcen. Eigentlich müssten wir dafür sorgen, unsere Leute in dieser Richtung nachzubilden“, so Dr. Ott.
Auseinandersetzung mit eigenem Glauben verlangt „radikale Offenheit“
Klar wurde: Die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen die Bereitschaft mitbringen, sich mit dem Träger zu identifizieren und ein christliches Leitbild lebendig zu halten. Und die Ordensgemeinschaft muss als Träger Strukturen und Angebote schaffen, die dazu motivieren. Die Feste des Kirchenjahres geben im Jahr des Glaubens gute Anlässe, sich ganz bewusst mit der christlichen Identität auseinanderzusetzen.
In ihrem einführenden Vortrag ging die langjährige stellvertretende Leiterin der Katholischen Berufsbildenden Bergschule in Heiligenstadt, Regina Freitag, auf die Feier des Kirchenjahres und die reiche Symbolik ein, die das Christentum bietet. „Wiederkehrende Angebote im Jahreskreis sind immer wieder Gottes Angebot, sich neu auf ihn einzulassen. Denn sonst verkommt das, was wiederkehrt, zur Gewohnheit.“
Das Leben als „anvertrautes Geschenk“ anzunehmen und mit ihm verantwortungsvoll umzugehen, erfordere eine „radikale Offenheit“. Dabei könnten die Symbole helfen zu verstehen, in uns etwas auszulösen und neue Erkenntnisse zu erlangen: „Das gilt auch und vor allem für die leitenden Mitarbeiter: Wer vorher schon weiß, wo etwas hinführt, formuliert nur Festlegungen. Ein solcher Weg führt nicht zur Erkenntnis.“
Ordensleitung will Angebote schaffen
Wie Symbole und Rituale helfen, erfahren die Einrichtungen immer wieder. „In diesem Jahr kamen zum Beispiel 300 Schüler zu unserem Aschermittwoch-Gottesdienst. Offenbar gab es da für viele einen Bedarf“, berichtete Dieter Sommer, Schulleiter des Engelsburg-Gymnasiums in Kassel. Und Willy Kruse, Leiter des Berufskollegs Bergkloster Bestwig, erinnerte sich an den plötzlichen Tod einer Schülerin: „Da wollten alle in die Kirche. Da brauchten sie Orte und Gelegenheiten, die eigene Trauer zu bewältigen. Die haben wir geschaffen.“
Fast eineinhalb Stunden lang tauschten die Einrichtungsleiterinnen und -leiter unter der Moderation von Generalassistentin Schwester Adelgundis Pastusiak angeregt Erfahrungen aus. Generaloberin Schwester Aloisia Höing und Provinzoberin Schwester Pia Elisabeth Hellrung sagten zu, die Prozesse, die eine Auseinandersetzung und eine Identifizierung mit dem christlichen Auftrag fördern, zu unterstützen. Das beginnt schon bei der Bereitstellung von Informationsmaterialien, wie sie im Rahmen der Frühjahrstagung verteilt wurden, und es endet im persönlichen Austausch. „Wenn wir nicht alle hierher ins Bergkloster einladen können, müssen wir auch vor Ort Gelegenheiten schaffen, sich mit unserer Gemeinschaft und dem Charisma der Gründerin auseinanderzusetzen“, hielt Schwester Aloisia fest.
Winfried Meilwes, Referent der Missionszentrale und Leiter der Projektentwicklung bot darüber hinaus an, gemeinsam mit Schwester Klara Maria Breuer in die Einrichtungen zu kommen und das weltweite Engagement der Ordensgemeinschaft vorzustellen.
Spannung im Alltag: „Wir müssen sogar Beschimpfungen ertragen“
Die abschließende Runde, in der die leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Neues aus ihren Einrichtungen berichteten, machte noch einmal deutlich, in welchem Spannungsfeld die alltägliche Arbeit abläuft. Dazu gehörte die Leiterin des Julie-Postel-Hauses in Bestwig, Ursula Jenke: „Bei uns leben zurzeit 14 junge Mütter und ein Vater mit ihren Kindern. Sie kommen nicht zu uns, weil sie unsere Hilfe wünschen. Vielmehr ist es so, dass das Jugendamt sie schickt, damit die Kinder bei ihnen bleiben können. Da müssen wir viel Ablehnung und auch mal Beschimpfung ertragen.“
Doch sei es gerade in einer solchen Einrichtung wichtig, sich den christlichen Auftrag in Erinnerung zu rufen: „Ob wir es schaffen, dass das Kind hinterher bei seinem Elternteil bleiben kann oder nicht: Die Zeit, die es hier mit seiner Mutter oder seinem Vater zusammen verbringt, kann ihm niemand mehr nehmen.“
Mit einem meditativen Gottesdienst zu den Festen des Kirchenjahres in der Bergklosterkirche klang der Tag aus.