Es gilt die Zeit zu überbrücken. Der Pater steckt im Stau, unsere Vesper ist bereits gesungen und wir warten auf den Beginn des Gottesdienstes. Wie lange wird es dauern?
Recht willkürlich greife ich zur Bibel unter der Bank. Ich hatte sie vor Tagen schon dort abgelegt. Mittendrin schlage ich sie auf. Gut, man sollte mit dem Wort Gottes kein Lotto spielen, doch könnte es ja sein, dass mich genau dieses Wort oder der zufällig gelesene Satz heute trifft.
Aber wie sie so in meinen Händen liegt, die kleine Bibel mit dem abgegriffenen schwarzen Ledereinband, erreicht mich ein ganz anderes Wortgefühl – Erinnerung.
Diese Bibel hat eine Lebensgeschichte. 30 Jahre lang war sie Begleiterin einer lieben Schwester, die letztes Jahr im Februar gestorben ist. Die Schwester war meine Wegbegleiterin, Freundin und Mutter im Glauben. Sie hat mich gelehrt, dass Wort Gottes zu lieben und sie hat mir manchen Satz in mein Lebensbuch geschrieben.
Der Moment des Wartens wird zu einer Begegnung. Ich lasse die Bibel einfach in meinen Händen ruhen und spüre das abgegriffene Leder und gelebte Beziehung darin. Ich sehe ihr Lächeln so deutlich vor mir, wie schon lange nicht mehr. Danke!
Die Momente, die nicht rund laufen, die den Ablauf unterbrechen, können Geschenke sein. Heute Abend sind sie es, ein Stau wirkt Wunder…
Sr. Ruth Stengel