Der Heiligenstädter Propst Hartmut Gremler refrerierte beim Placida-Empfang
„Tu, was Du kannst, mit dem was Du hast, wo immer Du bist“ – der Titel der Vortrags von Propst Hartmut Gremler beim Placida-Empfang am Donnerstagaband in Heiligenstadt war zugleich ein Appell: „Pfarrgemeinden dürfen sich nicht länger auf ihre bisherigen Strukturen und Traditionen berufen. Sie müssen offen sein für unterschiedliche Berufungen und Charismen. Dann sollte die Angst vor Anderem keinen Platz mehr haben.“ 150 Gäste, darunter Freunde und Förderer, Partner und Mitarbeiter der Ordensgemeinschaft, waren gekommen und hörten seinen Ausführungen aufmerksam zu.
„Sie haben da doch sowas“
Generaloberin Schwester Aloisia Höing freute sich, den neuen Propst und Pfarrer an St. Marien in Heiligenstadt in der Aula der Bergschule St. Elisabeth als Referenten begrüßen zu können: „Der Titel Ihres Vortrags macht neugierig. Wir sind sehr gespannt.“
Der Domkapitular und langjährige Militärseelsorger Hartmut Gremler wusste seine Forderung nach mehr Felxibilität und Dynamik in den Gemeinden mit eindrucksvollen Beispielen aus seinem reichen Erfahrungsschatz konkret und lebendig zu belegen. Oft erinnert er sich zum Beispiel daran, wie ihn im Koblenzer Militärkrankenhaus eine sächsische Sanitätsoffizierin anrief und fragte: „Können Sie mal kommen? Hier stirbt gerade jemand. Sie haben da doch sowas.“
Was habe die junge Frau bloß gemeint? „Sie hatte noch nie etwas mit Kirche zu tun gehabt und in diesem Moment dennoch das Bedürfnis, nach mir zu rufen.“ Viel habe er als Militärseelsorger von Ungetauften und Nichtchristen gelernt, die der Propst gern „Naturbelassene“ nennt.
„Traditionen dürfen einschlafen“
Dass Kirche und Pfarrgemeinden in ihrer heutigen Struktur vielen Menschen nichts mehr sage, kann er nachvollziehen. „Als Christen kennen wir aus unseren Pfarrgemeinden wahrscheinlich alle die Fragen: Wollen Sie nicht im Kirchenchor mitsingen? Wir suchen noch Kandidaten für den Pfarrgemeinderat – hätten Sie nicht Lust? Und dann suchen wir noch jemanden, der ehrenamtlich den Rasen mäht…“ Zu oft bestünden Gemeinden nur noch aus solchen gewachsenen Strukturen, die manchmal schon zur Folklore verkäme. „Erst gibt es einen Aufstand, wenn gewohnte Veranstaltungen nicht mehr stattfinden können. Und dann sind wir doch oft erleichtert, wenn solche Traditionen einfach einschlafen und kein Ballast mehr sind.“ In diesem Zusammenhang zitierte der Propst Papst Johannes XXIII: „Es geht nicht darum, ein Museum zu hüten, sondern darum, einen blühenden Lebensgarten zu bestellen.“
Schluss mit der gespielten Freundlichkeit, stattdessen Tacheles reden. Das sei es, was die Gemeinden bräuchten: „Wie oft begegne ich auf Veranstaltungen Menschen, die ich gar nicht sehen will? Und dann spielt man sich doch wieder was vor. Aber das bringt uns nicht weiter.“
„Was verbindet uns als Gemeinde?“
Als Gemeinde müsse man sich fragen, was uns dort miteinander verbindet: „Die Alten sagen immer: Früher waren wir noch eine Gemeinschaft“. Aber die Aufbaujahre nach dem Krieg hätten die Menschen auch zu einer Gemeinschaft geformt. Das sei heute anders. „Deshalb stimmt es nicht, dass sich heute weniger Menschen für Kirche interessieren und auch in ihr engagieren. Sie tun es nur nicht mehr in diesen alten Strukturen, sondern mal mehr und mal weniger.“ Oft hätten 30-Jährige gar keinen Kontakt mehr – und fänden durch ihre eigenen Kinder dann doch wieder Anschluss an die Gemeinde.
Entscheidend sei das, was uns verbinde: „Der Glaube an Jesus Christus. Nicht mehr und nicht weniger.“ Diesen Glauben brachte Hartmut Gremler zu der Krankensalbung in dem Koblenzer Militärkrankenhaus mit. Und dieser Glaube unterscheide eine christliche Gemeinde von einem Sportverein: „Gemeinschaft erleben kann man auch woanders. Sich für Gerechtigkeit einsetzen können andere vielleicht sogar besser als wir. Und zur Ruhe kommen kann ohnehin an ganz vielen Orten. Das alles taugt also nicht als Kriterium für Gemeinde. Es ist allein unser Glaube.“ Und wer dazugehört und wer nicht, entschiede kein Pfarrer, kein Melderegister und kein Pfarrgemeinderat, sondern wahrscheinlich auch nur Gott selbst: „Wenn das Christentum seine Hoffnungen darauf setzt, alle Kinder, die sich nicht wehren können, noch zur Taufe zu tragen, haben unsere Gemeinden kein Überleben verdient.“
„Lebensform der Orden ist eine Notwendigkeit“
Wichtig sei in diesem Zusammenhang auch, dass der Begriff der Berufung nicht Priestern und Ordensleuten vorbehalten sei, wenngleich die Orden noch einmal ganz andere Charismen in die Kirche einbrächten und deshalb eine besondere Bedeutung hätten. Hartmut Gremler ging sogar soweit zu sagen: „Diese Lebensform ist eine Notwendigkeit.“
Aber auch diese Form der Berufung sei nur gleichberechtigt neben den anderen: „Der Berufung zum Menschen, der zum Christen und erst dann der zu einer Lebensform bzw. zum Beruf: „Die Nachfolge Jesu ist nicht nur Aufgabe von Priestern und Ordensleuten. Uns allen ist dieser Weg als Christ aufgetragen.“ So war auch der Titel des Vortrages zu verstehen, mit dem Propst Gremler wieder abschloss: „Tu was Du kannst, mit dem was Du hast, wo immer Du bist – ergänzende Hinweise gibt es im Neuen Testament.“