Sr. Maria Ludwigis Bilo leitete 43 Jahre die Creche Sagrada Familia in Leme/Brasilien
43 Jahre lang leitete Schwester Maria Ludwigis Bilo die Creche „Sagrada Familia“ in Leme / Brasilien. Sie hatte die Kindertagesstätte 1967 mit 80 Jungen und Mädchen übernommen. Jetzt übergibt sie diese Aufgabe an die fast 50 Jahre jüngere Schwester Celia Alves Mendes. Und sie tritt die Leitung unter ganz anderen Voraussetzungen an: Denn zurzeit wird die Creche von 253 Kindern besucht. Eine Vorschule und die Volksschule sind inzwischen integriert. Und am Wochenende gibt es auch noch Kurse für die Eltern.
Die Ostertage verbringt Schwester Maria Ludwigis im Bergkloster Heiligenstadt. Sie hat zurzeit Heimaturlaub, möchte aber bald wieder nach Brasilien zurück: „Das ist inzwischen meine Heimat geworden. Und solange ich noch kann, will ich die Straßenpastoral am Stadtrand von Leme weiter betreuen.“ Denn auch hier ist die Sagrada Familia inzwischen aktiv.
Da die meisten Kinder der Tagesstätte aus dem reich bevölkerten und armen Stadtrand kommen, kümmern sich die Schwestern auch hier, wo es kaum Infrastruktur gibt, um entsprechende Angebote. So hat die mittlerweile 84-jährige Ordensfrau immer ein Gespür dafür gehabt, auf welchen Bedarf sie reagieren muss. Und sie hat ihr Engagement immer ganzheitlich gesehen. Vielleicht ist die Sagrada Familia sogar ein Modellprojekt, das sich auf deutsche Ballungsräume und Brennpunkte übertragen lässt.
Ein Abschied für immer
Kennengelernt hatte die aus Seelbach im Rhein-Lahn-Kreis stammende Ordensfrau die Gemeinschaft über ihre ältere Schwester, die am Marienkrankenhaus – damals noch in Bad Ems – in der Küche arbeitete. 1949 ließ sie sich einkleiden, arbeitete zunächst als Diätista – also Diätköchin – in einer Kinderklinik in Berlin-Lichtenrade, dann in Hamburg in einem Altenheim.
„1956 gab es einen Aufruf der damaligen Generaloberin Schwester Bernarda vom Kreuz, sich für die Mission in Brasilien zu bewerben. Ich wollte anderen Menschen helfen. In Brasilien konnte ich mir das gut vorstellen“, erinnert sie sich. Zwar wurde sie 1956 unter den zahlreichen Bewerberinnen noch nicht ausgewählt. Aber als sie einige Jahre später erneut gefragt wurde, habe sie nicht lange überlegt – „obwohl die Reise nach Südamerika damals einen Abschied für immer bedeutete.“
28 Tage lang dauerte die Anreise mit dem Schiff bis Sao Paulo. Von da aus ging es ins Landesinnere weiter nach Leme. Und dort lernte sie erst einmal Portugiesisch. Wie die anderen 13 deutschen Ordensschwestern auch, die vor ihr nach Brasilien gekommen waren. Von denen sind heute außer ihr noch zwei im Land: Provinzoberin Schwester Alwine Langela und Schwester Gertrud Elisabeth Deckers, die ebenfalls lange Jahre Provinzoberin war.
Die Jüngsten sind einige Monate alt
1967 übernahm sie in Leme die Verantwortung für die Creche. Heute sind die jüngsten Kinder der Tageseinrichtung erst einige Monate alt. Schon ab drei Jahren besuchen sie die Vorschule. Und bis zum zehnten Lebensjahr erhalten sie in der integrierten Volksschule normalen Unterricht. Am Samstagmorgen wird in der Creche sauber gemacht und die kommende Woche geplant. Sonntags gibt es Kurse für die Eltern, die lernen, wie man mauert oder näht. „So können sich die Männer gegenseitig beim Bau ihrer Häuser unterstützen. Und die Frauen können Geld mit Schneiderarbeiten dazuverdienen. Davon profitiert die ganze Familie – also auch unsere Kinder“, erklärt Schwester Maria Ludwigis.
Der Erfolg gibt ihr recht. Rund 4.000 Kinder haben diese Einrichtung in den vergangenen 43 Jahren besucht. „Und ein Großteil von ihnen führt heute ein geregeltes Leben.“ Somit verfügt die Creche über ein modernes und ganzheitliches Erziehungskonzept.
Capoeira-Tanzkurse am Stadtrand
Da die Landflucht anhält und die Stadt mit dem Ausbau ihrer Infrastruktur kaum nachkommt, gibt es einen immer größer werdenden Ring einfacher Hütten um Leme herum. Dort organisiert die Sagrada Familia unter anderem Kurse in Capoeira, dem Tanz mit Bewegungselementen aus der Selbstverteidigung. Immer zwei Jugendliche treten dabei gegeneinander an, ohne sich zu berühren: „Das ist nicht nur eine Freizeitbeschäftigung, sondern auch ein wichtiges Mittel der Prävention gegen Gewalt und Drogenkonsum. Vor allem steigert es den Zusammenhalt der Jugendlichen untereinander und das Selbstvertrauen jedes einzelnen.“
Wichtige Unterstützung bei dieser Stadtrandarbeit erhält Schwester Maria Ludwigis durch die Missionare auf Zeit aus Deutschland. „Sie entwickeln die Projekte schon seit Jahren weiter“, freut sich die Ordensfrau.
In diesem Bereich will sie für die kommenden Jahre noch koordinierend tätig bleiben. Sie behält gegenüber der Creche ein Büro und wird auch die Weiterentwicklung der Kindertagesstätte aufmerksam verfolgen: „Schwester Célia ist die richtige für diese Aufgabe. Bei ihr habe ich ein gutes Gefühl“, sagt die deutsche Schwester über ihre brasilianische Nachfolgerin, die 50 Jahre jünger ist.