Ohne deutsch-deutsche Teilung wäre das Bergkloster Bestwig nie gebaut worden. Und ohne Einheit läge das Generalat heute nicht wieder in Heiligenstadt.
Mit der Deutschen Einheit wurden auch die Konvente der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel in Ost und West seit 20 Jahren wiedervereint. „Ohne die deutsche Teilung würde es das Bergkloster Bestwig nicht geben. Und ohne die Einheit wäre es heute nicht Sitz einer einheitlichen Europäischen Provinz.“ So erklärt Provinzoberin Schwester Pia Elisabeth Hellrung, wie eng die jüngere Geschichte mit ihrer Ordensgemeinschaft verwoben ist. Und wie sich die in den beiden Bergklöstern widerspiegelt.
Manche Schwestern, die das Aufbegehren des Volkes und das Ende des Kommunismus im Bergkloster Heiligenstadt, dem Mutterhaus der Gemeinschaft, miterlebt hatten, wirken heute im Bergkloster Bestwig. So auch Schwester Pia Elisabeth, die bis 1986 Leiterin der Katholischen Berufsbildenden Schule Bergschule St. Elisabeth in Heiligenstadt war. In Bestwig sitzt heute das Provinzialat der Europäischen Ordensprovinz. Die vereint die ehemals ostdeutsche und westdeutsche Provinz sowie die Konvente in den Niederlanden und Rumänien.
Immer wieder Trennungen und Aufbrüche
Trennungen und Aufbrüche hatte die Ordensgemeinschaft seit ihrer Gründung vor 200 Jahren schon häufiger erlebt. Ende des 19. Jahrhunderts führte der preußische Kulturkampf dazu, dass viele Schwestern ihre Lehrtätigkeit aufgeben mussten. Viele Konvente wurden geschlossen. Die Schwestern fanden Zuflucht in den französischen Niederlassungen. Nur der Konvent im westfälischen Diestedde blieb übrig.
Mit dem Ersten Weltkrieg wurden die politischen Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich dann unerträglich. Jetzt drängte der Paderborner Bischof darauf, sich von der französischen Gemeinschaft zu trennen und selbstständig zu werden. Das geschah 1920. „Nur so blieb garantiert, dass die Schwestern weiterhin unterrichten durften. Und das war ihnen wahrscheinlich am wichtigsten“, mutmaßt Generaloberin Schwester Aloisia Höing heute.
Viele Parallelen zwischen deutscher Teilung und der Trennung von Frankreich
Schwester Pia Elisabeth, die im Eichsfeld aufwuchs und erst 1996 als Generalassistentin nach Bestwig kam, sagte bei den Schwesterntagen im September 2010, die sich ebenfalls dem Blick in die Geschichte widmeten: „Es ist schon erstaunlich, wie viele Parallelen es durch die Trennung unseres deutschen Ordenszweiges von der französischen Mutterkongregation und dann durch die Trennung der beiden deutschen Provinzen nach dem Bau der Mauer gegeben hat.“ Nach dem Mauerbau hätten auch die Schwestern im Eichsfeld kaum noch an die Wiedervereinigung geglaubt und eine weitere Teilung kommen sehen. Sogar die Generaloberin hatte von Geseke, dem vorübergenenden Sitz des Generalates, nicht mehr in die DDR einreisen dürfen. „Sie musste sich als Krankenschwester tarnen“, berichtet Schwester Theresia Lehmeier.
Das Gymnasium der Katholischen Bergschule St. Elisabeth wurde geschlossen. Die Schwestern mussten das Gebäude an den Staat verkaufen. „Mitten durch dieses Haus ging eine Mauer“, erläuterte der heutige Schulleiter des Gymnasiums, Heinz-Peter Kaes, bereits zum 20. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2009. Zu diesem Tag war ein Stück dieses früheren Maueransatzes freigelegt worden. Heute weist eine Gedenktafel auf dieses Kapitel der Schulgeschichte hin. Inzwischen sind die Gebäudeteile des Katholischen Gymnasiums und der Berufsbildenden Bergschule wiedervereint.
Nur der Bergkindergarten wurde während der gesamten DDR-Zeit von 300 Kindern besucht. Schwester Gertraude Brinkmöller, heute 98 Jahre alt und ein Stück lebendiger Ordensgeschichte, erinnert sich: „Da hatten wir das Glück, dass der russische Offizier, der hier in den ersten Nachkriegsjahren während der Besatzung das Sagen hatte, schnell eingewilligt hat. Er meinte nur, die Kinder müssen möglichst schnell von der Straße.“
Generalat vorübergehend in Geseke
Anfang der 60er Jahre dachten die Schwestern schließlich über eine Verlegung des Generalates nach Westdeutschland nach. Die Verbindungen nach Westdeutschland und in die Missionsländer ließen sich vom thüringischen Eichsfeld aus nur noch schwer organisieren. Vorübergehend hatte das Generalat mit dem Noviziat für die auszubildenden Ordensfrauen in Geseke eine Bleibe gefunden. „Doch nach dem Mauerbau war klar, dass wir eine neue Lösung finden mussten“, weiß die spätere Generaloberin Schwester Christa Maria Henninghaus noch genau. Also nutzte die Ordensgemeinschaft ihre engen Kontakte zum Paderborner Bischof Kardinal Lorenz Jaeger, um im westfälischen Raum einen geeigneten Standort zu finden. „Wichtig war, dass der Ort einen Bahnhof und eine Poststelle hatte. Denn damals hatten die Schwestern nur ein einziges Auto“, sagt Schwester Christa Maria, die heute noch in Bestwig wirkt und lebt.
Der Name „Bergkloster“ stand für die Verbundenheit
Wichtig war darüber hinaus, dass zu dem Kloster eine Schule gehören sollte. Denn von ihrer Tradition her war die Gemeinschaft vor allem in Bildungseinrichtungen tätig. Und so fiel die Entscheidung auf Bestwig. 1968 wurde das Kloster bezogen. Es sollte ebenfalls „Bergkloster“ heißen – mit Bezug auf das Mutterhaus in Heiligenstadt. „Eine Entscheidung, die von einigen Schwestern im Eichsfeld auch so gedeutet wurde, dass sich die Trennung der beiden deutschen Provinzen in zwei selbstständige Ordenszweige endgültig vollziehen könnte“, blickt Schwester Pia Elisabeth zurück. Schwester Christophora Ringkamp war die erste Ordensfrau aus dieser Gemeinschaft, die nach Bestwig zog. „Das Kloster war noch nicht fertig, aber ich sollte schon die Leitung des Christkönig-Kindergartens übernehmen. Zunächst fand ich noch Unterkunft bei einem Ehepaar“, erinnert sie sich.
Kleiner Grenzverkehr machte Grenze wieder durchlässig
Ein wenig durchlässiger wurde die Grenze zwischen Ost und West erst wieder mit der Einführung des kleinen Grenzverkehrs im Jahr 1973 zwischen der Ordensnieder-lassung in Kassel und dem Bergkloster Heiligenstadt. „Von Kassel aus brauchten wir nicht jedes Mal ein Visum zu beantragen. Folglich fuhren wir häufig zu den Schwestern im Osten, um ihnen Medikamente oder Bücher zu bringen“, erklärt Schwester Konstantia Chrzaszcz, die heute Leiterin des Bergklosters in Heiligenstadt ist.
Neuordnung der Provinzen und Konvente
Der Fall der Mauer sorgte dann endgültig für eine Neuordnung der Konvente und Niederlassungen in Ost- und Westdeutschland. Nach dem Generalkapitel Ende 2002 wurden die beiden deutschen Provinzen mit der niederländischen zu einer Europäischen Provinz vereint. Deren Sitz ist seither das Bergkloster Bestwig. Und das Generalat zog wieder in seine Heimat nach Heiligenstadt. „Heute sind wir froh, dass beide Klöster ‚Bergkloster‘ heißen. Die Namensdoppelung demonstriert einerseits die Geschichte der Trennung, andererseits aber auch die der Einheit“, sagt Schwester Pia Elisabeth.
Zurzeit leben in Heiligenstadt etwa 40 und in Bestwig etwa 90 Schwestern. Die meisten von ihnen verbringen in diesen Klöstern ihren Lebensabend. Insgesamt gehören der Kongregation in Deutschland etwa 160 Schwestern an. Doch hat die Ordensgemeinschaft auch mehrere Novizinnen und Postulantinnen. Darüber hinaus hat sie in über 30 Einrichtungen bundesweit inzwischen mehr als 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und Schwester Aloisia betont: „Vor allem über diese Einrichtungen erreichen wir noch viele Menschen. Und wir bringen sie darüber auch mit unserem christlichen Anspruch in Kontakt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind uns wichtig, das Charisma unserer Gründerin in die Welt hineinzutragen – damit Leben gelingt.“