„Das Schweigen ist die Hüterin aller Tugenden; die Geschwätzigkeit richtet sie alle zugrunde.“ Maria Magdalena Postel
Von Tugenden zu reden, heißt für viele, von alten, verstaubten und längst überholten „Dingen“ zu sprechen. Gleichzeitig aber rufen andere danach, alte Tugenden wieder neu zu beleben, weil ihr Fehlen im Alltag deutlich spürbar wird. Gedacht ist an solche Tugenden wie Höflichkeit, Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit…
Das Wort Tugend hat heute eher einen negativen Beigeschmack, etwa wenn wir jemanden einen „Tugendbold“ nennen.Wer tugendhaft lebt, wird verdächtigt, weltfremd zu sein. Dabei hat Tugend mit „taugen“ zu tun. Die Tugenden wollen uns tauglich, brauchbar machen für unsere Zeit.
Wer etwas erreichen will im Sport, im Beruf…, der muss auf seinem Gebiet fit sein. Für körperliche Ertüchtigung sorgen Fitnesscenter. Wer über längere Zeit nicht übt, wird bald von anderen überholt.
Das gilt auch im Glauben.Wer fit sein will, der muss trainieren.Wer seinen Glauben im Alltag leben und aus dem Glauben heraus Stellung beziehen will zu wichtigen Fragen, der muss sich interessieren und engagieren.
Fitness – ein anderes Wort für Tugend heute!
Für Maria Magdalena ist das Schweigen – nicht nur eine Tugend unter anderen, sondern eine wichtige Voraussetzung dafür, dass andere Tugenden sich überhaupt entwickeln und Bestand haben können. Das mag manche/n befremden. Außerdem wäre für uns der Gegensatz zum Schweigen doch eher das Reden, nicht aber gleich abwertend die Geschwätzigkeit.
Maria Magdalena weiß: Aller Anfang ist schwer. Und was wirklich Bestand haben soll, braucht ein langes, oftmals mühsames Üben.
Das verträgt keine Öffentlichkeit, kein großes Reden darüber.
Hilfsbereitschaft z.B. fällt niemandem in den Schoß. Mancher muss sich sehr mühen, nicht immer nur seine eigenen Interessen im Blick zu haben. Maria Magdalena rät, das eigene Gelingen oder Misslingen nicht vor sich herzutragen, sondern im Stillen zu üben.
Grundlage dafür ist ein Wort Jesu: „Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen; sonst habt ihr keinen Lohn von eurem Vater im Himmel zu erwarten.“ (Mt 6,1)
Da liegt der Knackpunkt: Trage ich das eigene Tun zur Schau, um gesehen und gelobt zu werden oder ist es mir genug, dass Gott um mein Mühen weiß?
Unsere Zeit liebt die Show. Alles und jedes wird präsentiert, wird zerredet. Da gibt es kaum noch Intimbereiche.Wie sehr fehlt da die Tugend des Schweigens!
Bewusst zu schweigen, dafür kann es viele Gründe geben:
Im Schweigen können andere Tugenden heranreifen.
Worte für Heute, Teil 9/10
Auf der Höhe der Zeit sein, das ist heute eine wichtige Maxime. Man muss die neuesten Trends kennen, gut informiert sein in vielerlei Hinsicht, um mitreden zu können. Da ist es verständlich, wenn Worte aus vergangenen Zeiten schnell als veraltet abgetan werden.
Schaut man jedoch genauer hin, so entdeckt man die bleibende Bedeutung, ja ein Stück Weisheit in Aussagen aus früheren Zeiten. Jede Zeit prägt die Ansichten, Lebensperspektiven und Grundsätze ihrer Generation.
Aber in allem Wandel gibt es Bleibendes.
Das 200jährige Bestehen der Gemeinschaft der Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel (1807 – 2007) war für Schwester Maria Andrea Stratmann Anlass, Worte und Gedanken, die uns von der hl. Maria Magdalena Postel erhalten sind, neu zu bedenken. Sie sind vielfach eine Aktualisierung biblischer Aussagen für ihre Zeit. Uns kann das ermutigen, Gottes Wort für unsere Zeit neu zu entdecken und umzusetzen. Maria Magdalenas Überlegungen können uns dabei Hilfe sein.